Mehrere Menschen sitzen unter Kakaobäumen auf blauen Plastikstühlen und schauen auf ein Flipchart. Wie fair und nachhaltig ist Lindt-Schokolade? (Foto: SWR)

Arbeitsbedingungen auf Kakaoplantagen

Wie fair ist Lindt Schokolade?

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AUTOR/IN
Moritz Hartnagel
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Sarah Cihan
Sola Hülsewig

Ausbeutung bis hin zu Kinderarbeit ist weiterhin bittere Realität auf Kakaoplantagen in Westafrika. Das "Farming Program" von Lindt & Sprüngli soll das ändern. Was ist dran?

Lindt bezieht den größten Teil seiner Kakaobohnen aus Ghana. Das westafrikanische Land ist der zweitgrößte Kakaoproduzent der Welt – fast 20 Prozent der weltweiten Ernte kommen von hier. Produziert wird der Kakao vorwiegend von Kleinbauern.

Armut der Kakaobauern

Noch in den 1970er-Jahren versprach der Kakaoanbau Wohlstand für die Bauern in Ghana. Die Hoffnung hat sich jedoch weitgehend zerschlagen. Der Kakaopreis wird an der Börse gebildet und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten laut dem Bonner Südwind-Institut inflationsbereinigt halbiert.

Heute lebt die Mehrheit der Kakaobauernfamilien in Westafrika deutlich unter der Armutsgrenze. Das Einkommen der Familien reicht kaum zum Überleben, so dass häufig jedes Familienmitglied bei der Arbeit mithelfen muss – auch Kinder.

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Kinderarbeit in Ghana und an der Elfenbeinküste

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bemängeln, dass Kinderarbeit auf Kakaoplantagen nach wie vor bittere Realität sei – obwohl sie offiziell verboten ist. Laut der Initiative "Make chocolate fair" arbeiten in Ghana und der Elfenbeinküste etwa 1,5 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen – das entspräche etwa drei Vierteln der Kinder aus Kleinbauernfamilien.

Die Kinder müssten häufig schwere Lasten tragen und mit gefährlichen Werkzeugen wie Macheten umgehen. Viele werden durch den Umgang mit giftigen Pestiziden krank.

Schokoladeindustrie will eigentlich Kinderarbeit abschaffen

In den vergangenen zehn Jahren sei die Verbreitungsrate von Kinderarbeit sogar gestiegen – und das, obwohl die Schokoladeindustrie seit dem Jahr 2001 angeblich versucht, Kinderarbeit in der Kakaoproduktion abzuschaffen. Das sogenannte Harkin-Engel-Protokoll, eine freiwillige Verpflichtung, wurde unter anderem von Nestlé, Mars und Ferrero unterzeichnet.  

Um faire Schokolade anbieten zu können, setzten einige Anbieter auf Siegel wie FairTrade, UTZ oder Rainforest Alliance. Was bringen solche Zertifizierungen? Sehen Sie hier mehr zum Thema:

Lindt ohne Fairtrade-Siegel

Die Firma Lindt & Sprüngli trägt keines der gängigen Siegel – auch sind die Inhaltsstoffe nicht Bio-zertifiziert, werden also konventionell angebaut.

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Nachhaltigkeitsinitiative "Farming Program"

Das Schweizer Unternehmen geht in Sachen Nachhaltigkeit eigene Wege: Nach eigener Aussage will Lindt & Sprüngli die Lebensgrundlage der Kleinbauern verbessern. Dafür hat die Firma 2008 das sogenannte Farming Program ins Leben gerufen. Damit sollen die Kakaobohnen über die gesamte Lieferkette hinweg rückverfolgbar sein.

Gleichzeitig erhalten die Kakaobauern Schulungen, die ihnen nach Aussage des Unternehmens dabei helfen sollen, „…den Kakaoanbau in Ghana nachhaltig zu intensivieren.“ In Ghana haben im Jahr 2021 knapp 54.000 Kakaobauern eine solche Schulung von Lindt erhalten.

Lindt & Sprüngli baut Schulen und Brunnen

Als weiteren Eckpunkt des Programms baut Lindt & Sprüngli Schulen und Brunnen. Zwischen 2008 und 2021 hat Lindt nach eigenen Aussagen weltweit rund 82 Millionen Euro für Nachhaltigkeits-Initiativen ausgegeben. In Ghana wurden unter anderem 30 neue Schulgebäude gebaut. Auch damit will das Unternehmen dafür sorgen, dass mehr Kinder zur Schule gehen, statt auf den Plantagen zu arbeiten.

Lindt & Sprüngli zu Kinderarbeit: „Wir arbeiten mit vollem Einsatz daran, die Effektivität unserer Systeme kontinuierlich zu verbessern, um dieses Risiko in unserer Kakao-Lieferkette und darüber hinaus anzugehen. Leider können wir nicht ausschließen, dass es Kinderarbeit gibt.“

In einem ghanaischen Dorf sitzen Kinder auf Bänken im Freien. Im Rahmen seines "Farming Programs" baut Lindt & Sprüngli Schulen und Brunnen. (Foto: SWR)
Das Unternehmen Lindt & Sprüngli baut in Ghana Schulen und Brunnen. Warum verdienen die Kakaobauern nicht genug, um das selbst leisten zu können?

Kritik am Farming Program

Wie sind Initiativen wie Lindt & Sprünglis Farming Program zu bewerten? Friedl Hütz-Adams von der Organisation Südwind e.V. bemängelt, dass die Bauern das Wissen, das sie in Schulungen erhielten, häufig schon hätten, aber einfach nicht über die finanziellen Mittel verfügten, nötige Investitionen anzugehen.

Auch das Ziel der Schulungen, den Ertrag zu erhöhen, sieht Südwind kritisch: Durch eine Überproduktion könne der Kakaopreis weiter fallen.

Eine Kakao-Plantage in Ghana von oben. Wie fair und nachhaltig ist die Schokolade von Lindt & Sprüngli? (Foto: SWR)
Den Bauern in Westafrika hat das Luxusprodukt Kakao keinen Wohlstand gebracht.

Kakaobauern brauchen höhere Löhne

An erster Stelle müsse stehen, den Bauern einen existenzsichernden Preis für ihre Kakaobohnen zu zahlen, so Friedl Hütz-Adams. Auf die Initiativen von Lindt angesprochen sagt er:

„Also ich finde es erst einmal gut für ein Dorf, dass da eine neue Schule und ein neuer Brunnen sind. Aber man stellt sich die Frage, wenn sie seit Jahrzehnten so ein Luxusprodukt wie Kakao anbauen, warum dann nicht genügend Geld da ist, damit sie das selber machen können? Es müsste eigentlich in der Lieferkette von diesem Millardenmarkt genügend hängenbleiben bei den Bäuerinnen und Bauern, dass man davon ausgehen müsste, dass sie längst Brunnen und Schulen und Straßen und vernünftige Häuser haben.“

Fazit Nachhaltigkeit bei Lindt & Sprüngli

Mit dem Farming Program geht Lindt einen eigenen Weg und setzt auf direkte Unterstützung vor Ort mit dem Ziel, die Situation der Bauern nachhaltig zu verbessern.

Positiv in Sachen Fairness ist, dass Lindt Transparenz in die Lieferkette bringen will und die Kakaobauern mit verschiedenen Projekten unterstützt. Besser wäre es allerdings, wenn die Bauern mit dem Kakaoanbau selbst genug Geld verdienen würden, so dass solche Projekte gar nicht erst nötig wären.

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