Weibliche Hände halten einen Cremetigel. (Foto: Getty Images, Thinkstock -)

Von wegen streichelzart!

Basische Hautpflege: Wie sinnvoll ist sie?

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AUTOR/IN
Annika Erbach
Eva Gnädig

Ist basische Kosmetik gut für die Haut oder womöglich sogar schädlich? Was braucht die Haut an Pflege?

Basische Kosmetik: gut für die Haut? 

Die Werbung für Basische Hautpflege verspricht viel: sie soll die Haut “beruhigen”, “Säuren neutralisieren” und “streichelzarte Haut” machen! 

Basische Kosmetik gibt es als Badezusatz, Duschgel, Seifen und Cremes. 

Die Werbung dafür funktioniert gut, sagt Wirtschaftssoziologe Oliver Erichiell: “Säure ist etwas, wenn man sich nicht auskennt, wo man erst mal sagt: Säure ist schlecht, Säure tut nicht gut. 'Basisch' dagegen vermittelt den Eindruck, dass wir mehr oder weniger in einem Bereich sind, der neutral ist und neutral ist etwas, wo ich den Eindruck habe: das ist etwas Gutes." 

Aber ist es das auch? 

Die Haut mag es sauer! 

Für die Dermatologie-Professorin Claudia Borelli von der Uniklinik Tübingen ist basische Hautpflege keine gute Idee: "Die Haut mag es sauer und die Haut sollte auch leicht sauer gepflegt werden. Also mit Reinigung, Waschemulsionen, Waschsyndets, die eher im sauren Bereich sind. Weil die Haut bei Hauterkrankungen in diesen basischen oder alkalischen Bereich geht – und das ist nicht das, was für die Haut gesund ist." 

Was ist ein guter pH-Wert für die Haut? 

“Ein guter pH-Wert der Haut oder der natürliche pH-Wert der Haut liegt so zwischen 4 und 5,5, also im sauren Bereich. Er bewirkt, dass die Hautbarriere funktioniert”, so Pharmazeutin Prof. Dominique Lunter von der Universität Tübingen. 

Durch das saure Milieu schützt sich die Haut vor Krankheitserregern, es verhindert, dass diese in die Haut eindringen können.  

Unsere Haut schützt sich selbst 

Unsere Haut verfügt eigentlich über eine geniale eigene Schutzschicht, mit der sie uns gegen Keime und Erreger von außen schützt: Die Epidermis. Sie ist die oberste unserer drei Hautschichten.  

Die Epidermis wirkt wie eine Art Mauer, die ständig von unten neu nachwächst. Für eine Rundumerneuerung braucht die Epidermis rund vier Wochen.  

Eine wichtige und gleichzeitig empfindliche Rolle in diesem System spielt das Sebum, ein dünner Fettfilm oben auf der Epidermis. 

Sebum – unsere hauteigene Pflegecreme 

Sebum ist nichts anders als Talg und eine tolle, körpereigene Pflegecreme – wenn die Talgdrüsen nicht gerade, wie etwa in der Pubertät, zur Überproduktion neigen. 

Der Talg sorgt gemeinsam mit Milchsäuren aus unserem Schweiß und bestimmten Aminosäuren der Haut für den sauren pH-Wert.  

Basische Pflege schädigt auf Dauer unsere Haut 

Basische Kosmetik hat einen höheren PH-Wert als die Haut. Zwischen 8,5 und 9,5. Verwendet man sie regelmäßig, kann das auf Dauer den Säureschutzmantel schädigen.  

Akne bei Erwachsenen ist eine Erkrankung der Talgdrüsen. (Foto: Adobe Stock, 1493956084 | iStockphoto)
Akne betrifft ungefähr zehn Prozent der Erwachsenen. Für viele ist diese Erkrankung der Talgdrüsen der Haut auch im Erwachsenenalter oft schambehaftet.

Prof. Claudia Borelli, Dermatologin: "Dann steigt der PH-Wert an und geht in einen Bereich, wo wir ihn nicht haben wollen, eben in den Bereich, wo der PH-Wert bei Erkrankungen liegt. Akne, Rosazea-Patienten, Neurodermitis-Patienten, atopisches Ekzem – sie haben alle einen erhöhten pH-Wert. Das heißt, die Haut im ungesunden Bereich ist alkalisch und man macht wahrscheinlich eher etwas kaputt damit, dass man erhöhte-pH-Wert-Produkte verwendet." 

Mit Säure gegen Hauterkrankungen 

Statt schöner, straffer, streichelzarter Haut also eher trockene, rote, schuppige Haut und sogar Pusteln? Hautärzte behandeln solche Hauterkrankungen gerade nicht basisch, sondern zum Beispiel mit Fruchtsäure und Salicylsäure, um den PH-Wert der Haut wieder ins Lot zu bringen.  

Wie passt das mit solchen Werbeaussagen zusammen? Das fragen wir die Hersteller. Man antwortet uns (leicht gekürzt): 

Wichtig: wer unter Hautkrankheiten leidet, sollte sich Rat vom Dermatologen holen.  

Der Marketingexperte Professor Oliver Errichiello beobachtet seit Jahren die Entwicklung in der Kosmetikindustrie. Ihn wundern die vollmundigen Versprechen der Hersteller nicht: "Verkaufen tut sich in der Regel das, was den Eindruck von Wissenschaftlichkeit vermittelt." 

Und Werbung mit wissenschaftlichem Anstrich funktioniert besonders gut in den sozialen Netzwerken: Auf Tiktok bewerben die Influencer fleißig die basischen Produkte, mit beispielsweise solchen Aussagen – Zitat: "Umweltgift und eine falsche Ernährung sammeln sogenannte 'saure Schlacken' im Unterhautgewebe an, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken und durch das Fußbad herausgeschwemmt werden können." 

Dermatologin Prof. Claudia Borelli sieht solche Aussagen sehr kritisch: "Man sollte genau überlegen: wen habe ich da vor mir? Wenn sich irgendein Dermatologe hinstellt und Tipps gibt, hat es sicherlich eine andere Wertigkeit, als wenn das ein sogenannter Skinfluencer ist, der ja keine Ausbildung in diesem Bereich hat, sondern sich eben etwas eingelesen hat und versucht hat, Daten zu verstehen. Aber wo hat er die Daten her? Das ist nicht trivial. Und deswegen würde ich immer raten, das kritisch zu hinterfragen, was einem präsentiert wird." 

Was braucht unsere Haut wirklich? 

Die Dermatologin Borelli hat Tipps für eine schöne und gesunde Haut: "Einfach mit einem leicht sauren Waschsyndet oder Waschgel oder Mousse reinigen. Morgens und abends ist schon wichtig, weil es Daten gibt, dass Dieselpartikel braune Flecken, also Lentigenes, Altersflecken, machen”, so Prof Claudia Borelli. 

Das Waschgel oder Reinigungsprodukt sollte einen ph-Wert nicht über 5,5 haben oder mit dem Begriff "hautneutral" werben.  

Außerdem, je nach Hauttyp, eine ebenfalls hautneutrale Creme verwenden – und im Sommer gegebenenfalls den Sonnenschutz nicht vergessen. Mehr braucht es nicht! 

Kann man Haut zu viel pflegen? 

Leider ja. Man kann die Haut überpflegen – mit unter Umständen schlimmen Folgen:

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Doc Fischer SWR

Expertinnen: 

Dr. med. Claudia Borelli, Dermatologin am Uniklinikum in Tübingen  

Prof. Dr. Dominique J. Lunter, Pharmazeutin an der Universität Tübingen 

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