Traditionsgetränk aus Moselfranken

Viez - Warum der Apfelwein Kulturerbe werden soll

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Die Trierer Viezbrüderschaft hat sich aufgemacht, ihr Lieblingsgetränk zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe zu erheben: den Viez, den traditionellen und geschichtsträchtigen Apfelwein von den Streuobstwiesen der Region.

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Darum soll Viez zum immateriellen Kulturerbe werden

Der Trierer Dom ist es, der Limes und das ganze Mittelrheintal: UNESCO-Welterbe. Doch nicht nur alte Steine oder ganze Kulturlandschaften können Kulturerbe werden, auch immaterielle Dinge wie der rheinische Karneval, das Sternsingen oder die deutsche Brotkultur - und nun auch der Viez, wenn es nach der Trierer Viezbruderschaft geht.

Bis der begehrte Titel verliehen wird, müssen allerdings noch einige Hürden überwunden werden - doch alle Beteiligten sind optimistisch, dass dies gelingt. Denn der Viez ist kulturell stark in der Region verankert, als regionales Getränk in der Gastronomie oder bei Volksfesten.

Als ersten Schritt beantragen die Trierer Viezbrüder, dass der Viez auf die nationale Kulturerbe-Liste kommt. Unterstützt werden sie dabei von Ministerpräsidentin Malu Dreyer und dem Trierer Oberbürgermeister. Als immaterielles Kulturerbe gelten "kulturelle Ausdrucksformen, die unmittelbar von menschlichem Wissen und Können getragen, von Generation zu Generation weiter vermittelt und dabei stetig neu geschaffen und verändert werden."

Sechs Viezbrüder erheben den Porz auf einem Tierer Platz (Foto: SWR)
Wenn es nach den Trierer Viezbrüdern geht, wird das traditionelle Getränk der Region immaterielles UNESCO-Kulturerbe.

Alle zwei Jahre veranstalten die 25 Viezbrüder auf dem Domfreihof ein Viezfest und vernetzen Viez-Produzenten und -Liebhaber miteinander. Sie haben ein Buch über den Viez herausgegeben und dafür gesorgt, dass die Viezstraße bis Trier verlängert wurde. Aktuell sammeln sie auf ihrer Homepage Unterschriften für die Aufnahme ins UNESCO-Welterbe. Dort gibt es auch das Lied über die Viezbrüder zu hören, das von dem Trierer Liedermacher Andreas Sittmann stammt. Solange der Viez fließt, fällt ihnen immer Neues ein, um ihr Nationalgetränk voranzubringen.

Das macht den Apfelwein aus Moselfranken so besonders

Was den Hessen ihr Äbbelwoi, den Franzosen ihr Cidre und den Briten ihr Cider, das ist den Bewohnern der moselfränkischen Region zwischen Luxemburg und Köln, dem Saarland und dem Hunsrück ihr Viez. Getrunken wird er traditionell aus der "Porz" - einem Porzellanhumpen, der 0,4 Liter fasst.

Auch eine Viezstraße gibt es, die das Gebiet touristisch erschließt: Sie zieht sich von Wallerfangen bei Saarlouis bis nach Trier. Denn in der Eifel wird Viez ebenfalls produziert und genossen. In der Region Pulvermaar gibt es sogar jährlich eine Viez-Königin, die den Viez auf Messen im In- und Ausland bekannt macht.

So wird Viez hergestellt

Im Herbst, wenn die Äpfel reif sind, werden sie von den Bäumen geschüttelt. Es sind alte Mostapfel-Sorten wie der Porzapfel, der Erbachhofer, der weiße Trierer oder der Bohnapfel, die auf Streuobstwiesen angebaut wurden - einem weiteren Kulturgut, das aus unserer Landschaft zu verschwinden droht. Die alten Bäume müssen gepflegt und neue angepflanzt werden. Aber nur wenn das Obst der Streuobstwiesen auch genutzt wird, werden diese auch erhalten. Der Viez ist also ein nachhaltiges Produkt aus der Region.

Früher hatten viele Bauern ein Viezfass im Keller und auch heute gibt es noch Produzenten, die sich ganz auf den Viez konzentrieren. Viele produzieren den Apfelwein jedoch im Nebenerwerb, wie die Familie Hunsicker aus Fisch im Saargau.

Familie Hunsicker aus Fisch im Saargau stellt schon seit mehreren Generationen Viez im Nebenerwerb her.  (Foto: SWR)
Familie Hunsicker aus Fisch im Saargau stellt schon seit mehreren Generationen Viez im Nebenerwerb her.

Sie bringt ihre Äpfel ins benachbarte Wintersdorf in Luxemburg. Dort werden die Äpfel in der Rätzmühle zerkleinert, der entstandene Apfelbrei kommt zum Keltern in die Siebpresse und läuft so lange durch, bis der letzte Rest Saft aus dem Fruchtfleisch gepresst ist.

Es gibt verschiedene Methoden, den Saft gären zu lassen: mit zugesetzten Hefen oder mit den natürlichen Hefen aus dem Keller und vom Apfel. Mit dieser Spontangärung wird der Fruchtzucker zu Alkohol vergoren. Zwischen sechs und achteinhalb Prozent Alkohol kann der Viez haben.

Diese lange Geschichte hat der Viez

Von Sidra in der Türkei kommt der französische Begriff "Cidre" für Apfelwein oder englisch "Cider". Karl der Große brachte im achten Jahrhundert den Apfelwein nach Westeuropa.

Armin Hunzsicker ist Viez-Bauer (Foto: SWR)
Viez-Bauer Armin Hunsicker hat sich mit der Geschichte des Viez befasst.

"Erstmalig wurde nach meinen Recherchen Viez urkundlich erwähnt bei Herodot, und zwar in Sidra in der Türkei. Dort ist anscheinend der Ursprung vom Viez, beziehungsweise vom Apfelwein.“

Doch schon die Römer pressten Viez. Der Name kommt wahrscheinlich vom lateinischen "Vice", das bedeutet Stellvertreter. Römische Soldaten hatten ein Anrecht auf ihre tägliche Portion Wein, doch der Traubenwein reichte nicht aus. Also mussten sich die Soldaten stellvertretend mit Apfelwein zufriedengeben. Das ist aber nur eine volkstümliche Theorie.

Romanische Sprachwissenschaftler haben zu Beginn dieses Jahrhunderts zwei andere entwickelt: Demnach geht "Viez" auf das moselromanische Wort "faex" zurück, das so viel heißt wie "zweiter Aufguss" und für einen "minderwertigen Wein" steht, der schließlich für alle Obstweine benutzt wurde. Oder auf das Wort "potio", das schlicht für "Getränk" steht.

Im Mittelalter waren es die Klöster, die den Obstbau pflegten, verbreiteten und auch die Anbaumethoden weiterentwickelten - darüber finden sich vereinzelt in Urkunden Berichte. Einen großen Schub nahm, so hat es der Trierer Kulturwissenschaftler Hans-Ulrich Seifert herausgefunden, die Viez-Produktion im 16. Jahrhundert durch die Jesuiten-Klöster, die systematisch Obstgärten anlegten.

Im 18. Jahrhundert war es in Luxemburg der habsburgische Kaiser Joseph II., der seine Untertanen anwies, Obstbäume zu pflanzen.  Als Trier 1794 für die Dauer von 20 Jahren französisch wurde, brachten die Franzosen ihr Know-How über die Cidre-Produktion mit und es begann der Siegeszug des Viez hin zu dem Getränk der Region. 1817 wurde in Trierer Weinkneipen dreimal so viel Viez getrunken als Wein. Und der Viez bekam eine zehnstrophige Lobeshymne in Gedichtform vom Trierer Mundartdichter Philipp Laven.

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