Feuchttücher, Medikamente, Essensreste

Warum der falsche Abfall in Toiletten die Kläranlagen überfordert

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Kläranlagen in Rheinland-Pfalz sind überfordert mit Abfällen, die nicht in die Toilette gehören. Während der Coronakrise wurde es richtig schlimm.

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"Das weiße Gold" wurde es schon scherzhaft genannt, seit Hamsterkäufe von Klopapier zu leeren Regalen geführt haben. Also griffen viele alternativ zu Feucht- oder Küchentüchern. Die landen in der Kanalisation und verursachen dann in den Kläranlagen massive Probleme.

Beispiel Kläranlage Mainz- Mombach: 45 Millionen Liter Abwasser fließen täglich aus Mainzer Haushalten in die Mombacher Kläranlage. Seit Längerem bereits landen Dinge in der Toilette, die dort nicht hingehören, weil sie sich im Abwasser nur schwer oder sogar gar nicht auflösen. Das beginnt bei Essensresten, Ölen und Fetten, reicht über feuchtes Toilettenpapier, Taschen- und Küchentücher bis hin zu Textilien und größeren Stoffen. Und weil sich das alles auf dem Weg durch die Kanalisation verbinden, verknüpfen und miteinander verkleben kann, entstehen häufig meterlange ‚Müll-Monster‘. Massive Probleme machen die Feuchttücher, die seit dem Klopapiermangel noch häufiger in den Toiletten landen.

Vorsitzende des Wirtschaftsbetriebs Mainz Jeanette Wetterling (Foto: SWR)
Die Vorsitzende des Wirtschaftsbetriebs Mainz, Jeanette Wetterling, ist für das Management der Mainzer Kläranlage mit verantwortlich.

Jeanette Wetterling, die Vorsitzende des Wirtschaftsbetriebs Mainz, beklagt sich über regelrechte Zöpfe, die aus den Feuchttüchern entstehen und die Pumpen verstopfen. Die Menge an wasserunlöslichen Stoffen, die Jahr für Jahr in der Mainzer Kläranlage rausgefischt wird, hat sich seit 2015 um fast 50 Prozent auf rund 600 Tonnen erhöht.

In diesem Jahr werden die Zahlen durch Corona deutlich steigen. Rechnet man dann noch die zusätzlichen Ausgaben für Personal, Material, Reparaturen und Ersatzanschaffungen hinzu, dürfte klar sein: Auf Dauer wird das Auswirkungen auf die Entwässerungsgebühren haben.

Von daher sollte jeder ein persönliches Interesse haben, immer darauf zu achten, dass wirklich nur das in der Toilette oder im Abfluss landet, was dort auch reingehört. Erst recht in Zeiten von Corona.

Zudem landen auch schwer erkennbare Stoffe im Abwasser. Darunter fallen Mikroplastik, etwa aus Duschgelen, oder aufgelöste Medikamente. Viele Menschen entsorgen ihre Arznei über die Toilette. Das ist nach Jeanette Wetterling der falsche Weg. Abgelaufene Medikamente sollten immer über den Hausmüll entsorgt werden. Danach werden sie dort verbrannt.

So werden die Stoffe aus dem Abwasser gefiltert

Im ersten Abschnitt, der mechanischen Reinigungsstufe, werden die größten Stoffe geklärt. Zunächst fließt das Wasser gegen einen Rechen, der die größten Stoffe heraus zieht. Im Jahr fallen 600 Tonnen Rechengut in der Mainzer Kläranlage an. Durch die Entsorgung dieses Mülls entstehen im Jahr Kosten von ungefähr 80.000 Euro.

Danach kommt das Wasser in einen Sandfang. Hier werden zum Beispiel Fette herausgefiltert. Im letzten Schritt der mechanischen Reinigung werden dann noch letzte Grobstoffe entfernt.

In der nächsten, der biologischen Klärstufe, kann mit Hilfe von Bakterien der gelöste Dreck beseitigt werden. Diese ernähren sich praktisch von dem Schmutz. Beispielsweise werden hierbei Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette abgebaut, aber eben auch Harnstoffe, die durch Urin in die Kläranlage gelangen. Es wird in diesem Klärbecken Sauerstoff hinzugefügt, damit die Bakterien auch atmen können. Man belebt sie damit regelrecht. Der entstehende Klärschlamm wird zu Klärgas und später Strom umgewandelt. Damit kann die Kläranlage ein Drittel ihres Strombezuges abdecken.

Zuletzt gelangt das schon sehr saubere Wasser noch in ein Nachklärbecken. Dort werden dann die letzten Teile, die noch durch die ersten beiden Stufen gekommen sind, geklärt. Das geklärte Wasser gelangt am Ende in den Rhein. Es ist von 95 Prozent des Schmutzes befreit. Übrig bleiben sogenannte Mikroverunreinigungen.

Welche Stoffe trotz der Klärung in die Flüsse gelangen

Trotz der Klärung fließt ein sogenannter Cocktail aus Schadstoffen durch die Filterstufen der Kläranlagen. Dazu gehören zum Beispiel Medikamente. Neben der Entsorgung der Medikamente durch die Toilette kommen diese Stoffe auch durch natürliche Ausscheidungen in das Abwasser. Durch die Vielzahl an Arzneimitteln ist die Klärung ein sehr schwieriger Prozess.

Das Röntgenkontrastmittel ist zum Beispiel extra so aufgebaut, dass es nicht leicht aufgeknackt werden kann. Es können zwar Klärstoffe entwickelt werden, die einzeln Mikroschadstoffe herausfiltern, doch eine Universallösung ist noch nicht auf dem Markt.

Auch Mikroplastik aus Kosmetik kann in den Kläranlagen nicht herausgefiltert werden. Die Folgen für die Natur sind schwerwiegend. Durch das Schmerzmittel Diclofenac entstehen bei Fischen Nierenschäden, durch Hormone aus der Antibabypille verweiblichen Forellen zunehmend. Weitere Auswirkungen, auch für den Menschen, werden noch erforscht.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin nimmt Wasserproben zur weiteren Konrolle im Labor (Symbolbild) (Foto: SWR)
Wissenschaftliche Mitarbeiterin nimmt Wasserproben zur weiteren Konrolle im Labor (Symbolbild)

So kann man Mikroverunreinigungen in Flüssen vermeiden

An der Universität Landau wird seit Jahren an einer Lösung für dieses Problem geforscht. Dort hat man ein Verfahren entwickelt, um diese Gefahrenstoffe aus dem Wasser zu filtern. Mit sogenannten Hybridkieselgelen können die Reste von Medikamenten, Pestiziden oder auch Mikroplastik mit wenig Aufwand herausgefiltert werden. Einfach gesagt, sorgt das Kieselgel hier für Partikelwachstum, damit diese leichter aus dem Abwasser geklärt werden können. Die Filterung ist somit ökologisch und kostengünstig.

In der Kläranlage Mainz hofft man außerdem , bald eine vierte Reinigungsstufe bauen zu können, um Mikroplastik und Medikamentenreste herausfiltern zu können. Die Entscheidung darüber soll noch 2020 im Stadtrat fallen.

Dennoch sollte aber auch bei der Quelle der Verunreinigungen angesetzt werden. Durch zu große Stoffe im Abwasser entstehen unnötige Kosten,die der Verbraucher selber tragen muss. Auch bei der Entsorgung von Arzneimitteln und beim Kauf von Kosmetik sollte der Verbraucher achtsam sein.

So kann Abwasser sogar während der Corona Krise helfen

Zunächst ist Forschern aus den Niederlanden der Nachweis von Spuren der Coronaviren im Abwasser aus kommunalen Kläranlagen gelungen. In Zukunft könnten Routine-Überwachungen des Abwassers wichtige Informationen über die Ausbreitung des Coronavirus liefern.

Aktuell nimmt das Klärwerk Mainz an einer Studie der TU Dresden teil, mit der der Corona-Befall der Einwohner errechnet werden soll. Denn in den Ausscheidungen Erkrankter finden sich noch Genbausteine des Coronovirus, diese sind im Abwasser nachweisbar. Das Virus selbst ist darin aber nicht mehr aktiv. Doch die Konzentration der Genbausteine gibt Aufschluss darüber, wieviele Menschen in einer Stadt infiziert sind und ob die Vorsichtsmaßnahmen wegen Corona verschärft oder gelockert werden sollten.

Für die Abwasseruntersuchungen der TU-Dresden werden 24 Stunden-Mischproben zusammengestellt. Dafür werden 12 Flaschen von jeweils über zwei Stunden gewonnenen Mischproben zu einer 24 Stunden-Mischprobe abgemessen zusammengeschüttet.

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SWR Fernsehen