Digitalisierung im Gesundheitswesen

Telemedizin boomt in der Corona-Krise

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Digitale Kommunikation hilft in der Corona-Krise: Telemedizin, Krankschreibungen per Telefon und Folgerezepte ohne Gesundheitskarte boomen. Die Angst vor dem Corona-Virus sorgt für Abstand auch im ärztlichen Bereich.

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Telemedizin nennt man die digitale Kommunikation zwischen Arzt und Patient: Egal ob mit Computer, Smartphone oder Tablet. Viele Arztpraxen haben kurzfristig Video-Sprechstunden eingerichtet, um die Patientenzahl in der Praxis zu reduzieren und das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Das deutsche Gesundheitswesen scheint jetzt schneller digitalisiert zu werden, als Experten es für möglich hielten.

Deshalb ist der Datenschutz bei der Telemedizin sichergestellt

Im Sprechzimmer von Lungenfacharzt Dr. Olaf Schmidt in Koblenz ist niemand zu sehen und doch kommuniziert er gerade mit einer Patientin. Wegen ihrer Lungenkrankheit wäre sie bei einer Ansteckung mit dem Coronavirus einem besonderen Risiko ausgesetzt. Dank der Telemedizin muss sie nicht aus dem Haus.

Lungenfacharzt Dr. Olaf Schmidt in Koblenz  (Foto: SWR)
Lungenfacharzt Dr. Olaf Schmidt in Koblenz bestellt seine Patientinnen in seine virtuelle Sprechstunde.

Das Programm, das Dr. Olaf Schmidt für den Video-Chat verwendet, wird von einer Koblenzer Firma angeboten: Obwohl es kostenlos ist, nutzten es bis Anfang März 2020 nur knapp 1.000 Praxen. Seit der Corona- Krise ist die Nachfrage explodiert: Anfang Mai sind es bereits mehr als 78.000 Nutzer.

Die Nachfrage steigt weltweit. Das liegt auch an der Datensicherheit im eigenen Rechenzentrum, hier wird alles verschlüsselt. Für Geschäftsführer Frank Gotthard ist ein strenger Datenschutz die Basis für das Vertrauen der Kunden. Deshalb baut seine Firma die Geräte und auch die Server selbst.

Mehr als 20 verschiedene Anbieter von Videodiensten haben sich derzeit bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung registrieren lassen. Vor der Zulassung überprüft eine Zertifizierungsstelle ihre Software sowohl juristisch als auch technisch auf Datenschutzstandards und die Verschlüsselung.

So können mit der Telemedizin sogar Messwerte übermittelt werden

Vor allem für viele chronisch Kranke ist die Telemedizin ein Segen. Dr. Olaf Schmidt kann mit ihnen nicht nur videochatten. Mit einer speziellen App kann er auch die Lungenfunktion seiner Patienten und andere Messwerte täglich überwachen.

Die App wurde ebenfalls in Koblenz entwickelt. Je nach Bedarf gibt es ergänzend eine Reihe von Messgeräten, die etwa die Lungenfunktion, den Blutdruck, die Herzfrequenz, den Blutzuckerspiegel und vieles mehr messen können. Das Besondere an der App: alle Messwerte werden in ein medizinisches Tagebuch eingepflegt.

  • Die Basisfunktionen sind für den Patienten kostenlos.
  • Eine erweiterte Version kostet ihn eine geringe Jahresgebühr.
  • Für den Arzt wird es teurer: Er muss mit einem zweistelligen Betrag im mittleren Bereich rechnen.

Auch diese App ist in Punkto Datensicherheit von den Krankenkassen geprüft. Und auch nach ihr ist die Nachfrage in der Corona-Zeit sehr groß, laut Auskunft des Unternehmens hat sie sich mehr als verdoppelt.

Diese Vorteile hat die Telemedizin

Ein großer Vorteil vor allem während der Corona-Pandemie ist die Vermeidung des Infektionsrisikos, sowohl bei den Patienten wie auch den Praxisteams.

  • Es ist keine Schutzkleidung nötig, falls ein Patient mit Corona-Verdacht den ärztlichen Rat sucht.
  • Zudem wird wegen der schnellen Kommunikation Zeit und Geld gespart, gerade chronische Patienten können auch ohne ständige Praxisbesuche gut versorgt werden.
  • Besonders im ländlichen Bereich mit langen Anfahrtswegen zu den Praxen eine Erleichterung.

Für Dr. Olaf Schmidt sind Schnelligkeit und lückenlose Überwachung von Messwerten die größten Vorteile. Wenn ein Patient 90 Tage lang in der Früh und am Abend seine Werte misst und übermittelt, bekommt man von ihm ein viel genaueres Bild, als von zwei Messungen im selben Zeitraum in der Praxis.

Wenn es dem Patienten plötzlich schlecht geht, kann der Arzt aufgrund der Daten spontan eingreifen. Wenn es schnell gehen muss, können auch in Kliniken Fachärzte hinzugezogen werden.

Ein Vorteil, den sich das Telemedizinische Schlaganfallnetzwerk zunutze macht: in 6 Kliniken und 23 Stroke-Units (Schlaganfalleinheiten) wurden seit 2016 mehr als 3.500 Schlaganfälle telemedizinisch von den Spezialisten behandelt.

Hier stößt die Telemedizin an ihre Grenzen

Dr. Barbara Römer, Vorsitzende des Hausärztebundes Rheinland-Pfalz (Foto: SWR)
Dr. Barbara Römer sieht die Grenzen der Telemedizin bei Patienten, die über keinerlei Computerkenntnisse und Zugang zu Technik verfügen.

Eher den persönlichen Kontakt zu Haus- und Facharzt erwarten vor allem ältere Patienten, also häufig solche mit größerem Behandlungsbedarf. Auch werden weiterhin viele Untersuchungen oder auch Blutabnahmen in den Praxen vor Ort stattfinden müssen.

So könnte sich die Telemedizin bei den Hausärzten künftig weiterentwickeln

Die Hausärzte möchten aber dennoch zunehmend in die Telemedizin einsteigen, denn sie kann auch bei Hausbesuchen die Ärzte entlasten. Dr. Barbara Römer nimmt deshalb an dem Pilot-Projekt Telemedizin des Landes Rheinland-Pfalz teil.

Ab September 2020 soll ausgetestet werden, wie man sogenannte Telemedizinische Assistenten einsetzten kann. Das sind Mitarbeiter der Praxis, die mit einem speziellen Koffer ausgestattet Hausbesuche vornehmen, Messungen durchführen und Wunden versorgen können. Das Besondere ist, dass sich die Assistenten zum Video-Chat in die Praxis schalten können, so dass der Arzt das Geschehen auf dem Bildschirm mitverfolgen und Anweisungen geben kann. Auf diese Weise soll die Telemedizin den Hausbesuch 2.0 ermöglichen.

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SWR Fernsehen