Kündigung und überhöhte Preise

Großer Ärger mit Strom- und Gasanbietern

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Die Energiepreise kennen derzeit nur eine Richtung: Nach oben. Im Januar 2022 stellten die Online-Vergleichs-Plattformen Verivox und Check24 ein Allzeithoch bei den Preisen für Gas und Strom fest. Das merken wir alle in unserem Portemonnaie. Besonders aber merken es verärgerte Kunden von Strom- und Gasdiscountern wie gas.de oder stromio.

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Energielieferanten stellten Versorgung ein

Zehntausenden Verbrauchern wurde im Dezember 2021 fristlos gekündigt, teilweise rückwirkend. Die Energieunternehmen stellten einfach die Versorgung ein. Die Lieferung von Strom und Gas übernehmen in so einem Fall dann die örtlichen Versorgungsunternehmen automatisch - das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Manche schlugen bei ihren unfreiwilligen Neukunden so richtig zu und verlangten unverhältnismäßig hohe Preise. Einige Energieversorger legten für die Neukunden gar einen eigenen, teureren Tarif auf.

Beide Praktiken halten die Verbraucherzentralen für unzulässig und raten den Verbrauchern, das nicht hinzunehmen und Widerspruch einzulegen. Die Verbraucherzentrale Hessen hat sogar eine Musterfeststellungsklage gegen den Stromlieferanten stromio aufgelegt, an der sich betroffene Verbraucher beteiligen können.

Gekündigt vom Strom- oder Gasversorger - was tun?

Widerspruch einlegen, rät die Verbraucherzentrale den betroffenen Kunden. Denn: Energieunternehmen dürfen nicht ohne triftigen Grund ihre Lieferung von Strom oder Gas einstellen und einen gültigen Vertrag mit einjähriger oder längerer Vertragslaufzeit fristlos kündigen. Dieses Gebaren schätzen die Experten als Vertragsbruch ein. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz berät Betroffene und hat auch Musterbriefe vorbereitet. Verbraucher sollten auf Vertragseinhaltung und Weiterbelieferung drängen und – wenn dies nicht geschieht – Schadensersatz geltend machen. Das Unternehmen muss dann die Differenz zwischen den Energiekosten ersetzen, die laut Vertrag in der Zeit angefallen wären und den oft sehr viel höheren Kosten, die in der Ersatz- oder Grundversorgung fällig werden. Verbraucher, die eine Rechtsschutzversicherung haben, sollten ihren Rechtsanwalt einschalten. Oder können sich an die Schlichtungsstelle Energie wenden.

IMAGO  Rene Traut (Foto: IMAGO, Die Energiekosten steigen und steigen, Thermostatkopf an einem Heizkoerper mit Hand Symbolbild zum Thema Energiekosten)

Was bedeutet Ersatz- oder Grundversorgung?

Stellt ein Energieunternehmen die Lieferung von Strom oder Gas ein, springt der örtliche Grundversorger ein. Verbraucher bemerken diese Umstellung nicht, sie passiert automatisch. Niemand muss also im Dunkeln oder Kalten sitzen. Aber: Der Kunde landet dann im Ersatz- oder Grundversorgungstarif – und der ist oft deutlich teurer als vergleichbare Tarife beim selben Anbieter. Zwar hat man im Grundversorgertarif eine nur vierzehntägige Kündigungsfrist, doch einfach und schnell ist ein Wechsel zu einem günstigeren Anbieter im Moment nicht – die Preise sind im Frühjahr 2022 überall recht hoch und ein Anbieterwechsel braucht Bearbeitungszeit. Da kann dann schonmal eine Rechnung mit hohen Forderungen im Briefkasten liegen.

Ein Zähler für die Energie-Abrechnung dreht sich mit scheinbar hoher Geschwindigkeit, sodass die hinteren Ziffern nicht mehr zu erkennen sind. Das zeigt an, dass die Energiepreise und auch die Nebenkostenfür Mieter derzeit stark steigen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte)
Die Nebenkosten für Mieter steigen aktuell stark an, denn auch die Energiepreise sind teurer geworden.

Zwei unterschiedliche Tarife in der Grundversorgung - ist das zulässig?

Nein, meinen die Verbraucherzentralen. Sie raten Verbrauchern auch hier, beim betroffenen Unternehmen Widerspruch einzulegen und zu verlangen, in den normalen, günstigeren Grundversorgungstarif eingestuft zu werden. Manche Unternehmen lenken dann auch tatsächlich ein und kommen diesem Wunsch nach. Andere Energieversorger habe diese sogenannte Tarifspreizung erst gar nicht mitgemacht. Doch einige Energieversorger argumentieren damit, dass sie so viele Neukunden nicht mit ihren laufenden Verträgen versorgen können und zu den derzeit astronomisch hohen Preisen Gas oder Strom zukaufen müssen. Sie wollten – so die Argumentation – ihre Bestandskunden nicht für ihre Treue bestrafen und höhere Preise von ihnen nehmen. Dafür haben Verbraucherschützer sogar bis zu einem gewissen Grad Verständnis. Allerdings, so unser Experte Max Müller, Rechtsanwalt bei der Verbraucherzentrale, sind die überhöhten Preise dadurch größtenteils nicht zu rechtfertigen.

Auch für den Fall, dass Betroffene in einem zu teuren, zweiten Grundversorgertarif für Neukunden landen, haben die Verbraucherzentralen Musterbriefe aufgelegt oder raten, sich an die Schlichtungsstelle Energie zu wenden.

Muss man die überhöhte Rechnung zahlen?

Leider ja. Die Verbraucherzentrale rät, die Rechnung fristgerecht zu zahlen aber unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rechtmäßigkeit. Hat man das getan, kann man auch im Nachhinein noch juristisch gegen die überhöhte Rechnung vorgehen. In jedem Fall raten die Verbraucherschützer, mit Hilfe eines Vergleichsportals wie verivox oder Check24, so schnell wie möglich zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln und den Grundversorgertarif zu verlassen. Manche örtlichen Energieanbieter haben auch günstigere Tarife und beraten dazu.

Was fordern die Verbraucherzentralen?

Mehr Schutz vom Verbraucher am Energiemarkt, fordern die Verbraucherzentralen. Dabei kritisieren sie, dass Energie-Discounter wie gas.de und stromio in guten Zeiten hohe Gewinne einstreichen und - wenn ihr Geschäftsmodell am Markt nicht mehr funktioniert - ihre Kunden sitzen lassen.

Auch die Bundespolitik schaut kritisch auf die Verbraucherpreise am Energiemarkt und das Verhalten mancher Energieunternehmen. Diskutiert wird, ob mehr Regulierung zum Schutz der Verbraucher kommt oder eine Entlastung bei den Energiepreisen durch eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage.

Generell raten die Verbraucherzentralen, die Post vom Strom- oder Gasversorger immer rasch zu öffnen: Erfolgen Preiserhöhungen, haben Kunden nämlich ein Sonderkündigungsrecht und können sich nach einem günstigeren Tarif auf dem Markt umsehen.

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SWR Fernsehen