Tätliche Angriffe auf unsere Grundwerte

Hasskriminalität - Gewaltaufrufe im Internet

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Hasskriminalität soll ab diesem Jahr intensiver verfolgt und bestraft werden. Mit mehr Personal, wie bei der rheinland-pfälzischen Taskforce.

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Im pfälzischen Kandel wurde vor zwei Jahren die 15-jährige Mia ermordet. Bis heute demonstrieren deshalb immer wieder Rechtsextreme in der kleinen Stadt. Die Teilnehmer werden vor allem über das Internet rekrutiert.

Der damalige Bürgermeister Günther Tielebörger hat sich dagegen gewehrt, dass der Mord an Mia zum Schüren von Hass und Fremdenfeindlichkeit missbraucht wird. Und wurde so selbst zum Hassobjekt der Rechten.

Günthe Tielebörger, Bürgermeister von Kandel im Interview (Foto: SWR)
Über Monate erreichten Bürgermeister Günther Tielebörger Beschimpfungen und Bedrohungen.

 "So etwas Niederträchtiges und Ausgeufertes haben wir noch nie erlebt. Aber wir haben es jetzt da und sind sehr betroffen und auch zunehmend ängstlich."

Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch den Rechtsextremisten Stephan E. im Juni 2019 zeigt, wie aus Worten im Netz Taten werden. Stephan E. gibt als Motiv an, dass Walter Lübcke sich 2015 in einer Bürgerversammlung mit klaren Worten für Flüchtlinge eingesetzt hat. Das Video von der Veranstaltung ist im Internet veröffentlicht und hat eine regelrechte Hasskampagne gegen Walter Lübcke ausgelöst.

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten reagiert auch die rheinland-pfälzische Landesregierung. Sie richtet eine Taskforce gegen rechtsextremistische Hetze ein.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei einer Pressekonferenz. (Foto: SWR)
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärt im Juni 2019 ihren Widerstand gegen Hasskriminalität.

"Die Tat zeigt auch, dass wir lange nicht mehr nur von einer sprachlichen Verrohung reden können, sondern dass der Sprache eben tatsächlich Gewalt folgt, und Rechtsextreme zum Äußersten bereit sind – in diesem Fall zu einem Mord."

Wer in der Taskforce gegen Hasskriminalität arbeitet

Der Verfassungsschutz im rheinland-pfälzischen Innenministerium ermittelt entsprechende Verdachtsfälle. Diese werden dann an das Landeskriminalamt (LKA) in Mainz zur strafrechtlichen Verfolgung weitergeleitet.

Roland Keilen ist Leiter des zuständigen Dezernats für politisch motivierte Kriminalität und kennt die Täter und ihre Verhaltensmuster. Er geht davon aus, dass in der Mehrzahl der Fälle Volksverhetzungsdelikte vorliegen. Durch diese Handlungen wird gegen einen bestimmten Personenkreis zu Hass aufgestachelt, zu Gewalt oder Willkür aufgerufen oder die Menschenwürde angegriffen: Hasskriminalität in Form von Beschimpfung, Verächtlichmachung, Verleumdung.

Die meisten der vom LKA bisher ermittelten Täter sind Männer zwischen 30 und 50. Die Opfer sind oft Kommunalpolitiker und ehrenamtliche Helfer. Sie alle werden Anfeindungen ausgesetzt durch menschenverachtende Attacken im Internet - nur aufgrund ihrer Ansichten und Einstellungen, der demokratischen Werte, die sie vertreten.

Wie das LKA Hasskriminalität verfolgt

Nach dem Eingang eines Verdachtsfalles beginnt die akribische Arbeit der Spezialisten. Sie prüfen jeden Einzelsachverhalt ganz genau auf einen sogenannten Gefahrenüberhang hin, so dass die Taskforce schnellstmöglich tätig wird, um bedrohte Personen zu schützen.

Die Mitarbeiter des LKA versuchen Beweise zu sichern für ein gegebenfalls späteres Strafverfahren. Und sie versuchen dabei auch schnellstmöglich Urheber zu identifizieren.

Wir alle können mit helfen

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Was noch gegen Hasskriminalität im Netz getan werden kann

Ein neues Gesetz soll in Zukunft Plattformen wie Facebook und Twitter verpflichten, Hassinhalte nicht nur zu löschen, sondern diese auch den Behörden zu melden. Kommunikationswissenschaftler beobachten neuartige Programme, die bald automatisch auf Hassbotschaften reagieren sollen. Eine Methode, an der gearbeitet wird, ist Online-Hass und -Hetze zu moderieren mit:

  • sachlichen Erwiderungen als automatische Antwort auf Hass-Posts im Netz,
  • permanenten Antworten wie "Bitte, seien Sie doch sachlich".

Die Überlegung dabei: Selbst der größte Hitzkopf sollte irgendwann keine Lust mehr haben, auf eine Maschine zu reagieren, die ständig Entgegnungen sendet.

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SWR Fernsehen