Übergewichtige Frau und übergewichtiger Mann sitzen in der Natur auf einer Bank und schauen sich gegenseitig in die Augen. Beide lächeln sich an. (Foto: Colourbox, 42925468)

Ist Übergewicht immer gefährlich?

Dick und gesund: Warum Gewicht nicht alles ist

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Heike Scherbel
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Sola Hülsewig

Neue Studien zeigen: Körpergewicht oder BMI allein sind keine Indikatoren dafür, ob man gesund oder ungesund lebt. Es gibt wichtige andere Faktoren.

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Pauschal gesagt gilt, was viele wissen: Eine unbehandelte Adipositas ist lebensgefährlich. Menschen mit einem Body Mass Index (BMI) über 35 leben durchschnittlich acht bis zehn Jahre kürzer als Normalgewichtige. Und sie haben ein um 150 Prozent erhöhtes Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen.

Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin: Stoffwechsel wichtiger als Gewicht

Es zeigt sich jedoch: Das ist nicht die ganze Wahrheit. Haben die übergewichtigen Personen nämlich einen gesunden Stoffwechsel, ist ihr Risiko laut internationalen Studien niedriger als bei stoffwechselkranken Schlanken.

Professor Norbert Stefan, Endokrinologe und Diabetesforscher am Universitätsklinikum Tübingen, ist auch Experte für Stoffwechselgesundheit. Auf das obligatorische Wiegen der Patienten würde er bei seinen Untersuchungen am Uniklinikum Tübingen am liebsten verzichten.

"Das Körpergewicht ist nur ein grober Hinweis. Wir möchten wissen, ob man vom Stoffwechsel her gesund ist – also Blutzuckerwerte, Blutdruck und Cholesterinwerte."

Moderat abnehmen mit Sport und gesunder Ernährung

Patienten, die aufgrund ihres Übergewichts schlechte Stoffwechselwerte haben, sollen in der Regel auch bei Professor Stefan abnehmen – allerdings nur etwa fünf Prozent ihres Körpergewichts. Wiegt eine Person beispielsweise 100 Kilo, müsste sie ihr Gewicht auf 95 Kilogramm reduzieren.

Dafür stehen mehr Bewegung und eine gesündere Ernährung auf dem Plan: Wenig Zucker und schlechte Fette, dafür viel Vollkornprodukte, Obst und Gemüse. Fleisch sollte nur etwa ein bis zwei Mal in der Woche gegessen werden, rät Dr. Luise Fritsche, Ernährungswissenschaftlerin und Diabetesforscherin. Als zentral erachtet die Expertin, auf hochverarbeitete Lebensmittel zu verzichten und möglichst viel selbst zuzubereiten.

Übergewichtige Frau in Sportkleidung steht in ihrem Wohnzimmer barfuß auf einer Sportmatte. Ihr rechter Arm ist in die Hüfte gestemmt, ihr linker Arm über den Kopf gestreckt. (Foto: Colourbox, 18065480)
Eine Möglichkeit, um Gewicht abzubauen, ist mehr Bewegung.

Keine radikalen Diäten

Durch diese Maßnahme können sich die Stoffwechselwerte signifikant verbessern, zeigen die Studien seines Teams – auch wenn der BMI (Body Mass Index) nahezu gleichbleibt. "In unseren Studien ist für mich relevant, dass wir realistische Ziele vorgeben, wo die Patienten nicht unbedingt eine Extremdiät machen müssen. Das Wichtigere ist eine Stoffwechselverbesserung." Außerdem gelingt es Betroffenen so häufiger, ihr erreichtes Gewicht zu halten – anders als bei radikalen Diäten mit großem Gewichtsverlust.

Ab BMI 38 mehr Gewichtsreduktion nötig

Doch die Studien haben auch gezeigt: Es gibt eine Grenze - ab einem BMI von 38, also wenn jemand etwa bei einer Größe von 1,80 Metern 125 Kilogramm wiegt, reichen fünf Prozent Gewichtsabnahme wohl nicht mehr aus. In vielen Studien weltweit sei versucht worden, die Grenze festzustellen, ab welcher mehr Gewicht verloren werden muss, erklärt Professor Stefan. Das sei bisher noch nicht vollkommen gelungen.

"Es ist ein dynamischer Bereich, aber man kann grob sagen, so ab BMI 38 sollte man zehn Prozent abnehmen, weil erst dann erreicht man diese Stoffwechselgesundheit."

Gefährliches Bauchfett: Birne schlägt Apfel

Entscheidender als der genaue BMI ist außerdem, wo das überschüssige Fett sitzt, erklärt Professor Stefan.

"Wir wissen, dass die Apfelform der Fettverteilung - das heißt, die Fettansammlung am und im Bauch - ungesund ist. Hingegen ist die Birnenform, also das Fett auf den Hüften, eher schützend."

Das vermehrte Fettgewebe im inneren Bauchraum ist wie ein eigenes Organ stoffwechselaktiv und bildet Botenstoffe. Diese beeinflussen unter anderem das Hormon Insulin, das vermehrt ausgeschüttet wird. 

Eine übergewichtige Frau trägt eine Sportleggins und ein Sportshirt, das den nackten Bauch zeigt. Um ihren Bauch herum hat sie ein Maßband gelegt. (Foto: AdobeStock/suriya)
Relevant ist, ob die Fettansammlung an den Hüften oder am Bauch sitzt.

Gleichzeitig werden die Körperzellen resistent gegen das Insulin, und der Blutzuckerspiegel steigt an. Die möglichen Folgen sind Diabetes Typ 2, aber auch Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Fettleber, Arthrose.

Schon wer wenig abnimmt, kann Bauchfett deutlich reduzieren

Es gibt aber eine gute Nachricht, sagt Professor Norbert Stefan: "Wir finden bei unseren Patienten oft schon bei ganz geringer Gewichtsabnahme von einem bis zwei Prozent eine deutliche Reduktion des inneren Bauchfetts."

Der Grund sei folgender: "(…) dass das innere Bauchfett, wenn die Insulinspiegel fallen, ganz schnell das Fett ins Blut abgibt, und es wird im Muskel verbrannt."

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Doc Fischer SWR

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