Man sieht das Modell einer Niere, die in der Hand gehalten wird. (Foto: Unsplash)

Medikamente geben Hoffnung

Dialyse und Transplantation vermeiden trotz chronischer Nierenerkrankung

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AUTOR/IN
Nina Rathfelder
Cordelia Marsch
Eva Gnädig

Millionen Deutsche leiden unter der chronischen Nierenerkrankung, ohne es zu wissen. Warum das so gefährlich ist und wie man Dialyse und Organtransplantationen verhindern kann.

Die meisten Betroffenen wissen nichts von ihrer Erkrankung

Experten schätzen, dass in Deutschland zehn Millionen Menschen an der chronischen Nierenerkrankung leiden. Doch nur die wenigsten sind in Behandlung. Ein großes Problem, denn sind die Nieren erst einmal ernsthaft geschädigt, gibt es kein Zurück mehr. Mehr als fünf Millionen Menschen versterben weltweit pro Jahr an der chronischen Nierenerkrankung. Bald schon wird die Krankheit Studien zufolge zu den Haupttodesursachen zählen:

Wenn wir nach 2040 schauen, vermutet man, dass sie auf Platz 5 aufsteigen wird.

Chronische Nierenerkrankung: Was ist das?

Unsere Nieren sind unsere körpereigene Kläranlage. Dabei haben sie verschiedene Funktionen:

  • Sie filtern Schadstoffe aus unserem Blut.
  • Sie bilden Harn. Darüber werden schädliche Stoffe wie Medikamentenrückstände, Gifte und Schadstoffe aus unserem Körper ausgeschieden.
  • Sie regeln unseren Wasser- und Elektrolythaushalt.
  • Sie produzieren Eiweiße und Hormone.

Bei der chronischen Nierenerkrankung sind diese Funktionen eingeschränkt und verschlechtern sich stetig.

Man sieht das Modell einer Niere. (Foto: Adobe Stock)
Das Modell einer Niere.

Ursachen der chronischen Nierenerkrankung

Die sehr weit verbreiteten Krankheiten Diabetes mellitus und Bluthochdruck können Ursachen sein. Ebenso Autoimmunerkrankungen, genetische Erkrankungen und Medikamente, die dazu führen, dass die Nieren geschädigt werden. Auch infektiöse beziehungsweise entzündliche Veränderungen der Nieren können eine chronische Nierenerkrankung zur Folge haben.

Diagnose

Aktuelle Untersuchungen zeigen: Nur drei von zehn Patienten mit chronischer Nierenerkrankung wissen überhaupt davon. Nur zwei sind in ärztlicher Behandlung. Das Problem: "Wenn man nicht danach schaut, findet man die Nierenerkrankung auch nicht. Das führt dazu, dass wir eigentlich viel zu wenig Diagnosen in frühen Stadien stellen. Weil es das typische Symptom nicht gibt", sagt Prof. Jörg Latus. Er nennt die Chronische Nierenerkrankung deshalb auch "Silent Killer", weil sie "leise" ist, sich zunächst nicht bemerkbar macht.

Dabei können schon einfache Blut- und Urinuntersuchungen auf die Erkrankung hinweisen. Eine klare Diagnose kann dann mit einer Ultraschall-Untersuchung gestellt werden.

Blut- und Urintest

Zentral sind dabei zwei Werte: Im Blut wird die glomeruläre Filtrationsrate gemessen. Die gibt an, wie viel Blut die Niere innerhalb eines bestimmten Zeitraums filtert. Je höher der Wert, desto besser funktioniert die Niere. Alternativ kann auch der Kreatinin-Wert gemessen werden, ein Abbauprodukt, das ebenfalls über die Nieren ausgeschieden wird. Der Wert sollte möglichst niedrig sein.

Im Urin wird der sogenannte Albuminwert gemessen. Das ist ein Eiweiß, das wichtig für die Flüssigkeitsverteilung und den Transport von Proteinen ist. Ein gesunder Mensch hat nur sehr wenig Albumin im Urin.

Latus wünscht sich ein besseres Screening. Am besten wäre es, jeden Menschen einmal auf die chronische Nierenerkrankung hin zu untersuchen, zum Beispiel im Rahmen des Gesundheits-Check-Up-35. "Wenn wir aber anfangen mal nach Hochrisikopatienten zu schauen, dann ist es ganz wichtig bei der Erstdiagnose eines Bluthochdrucks nachzuschauen. Auch bei Patienten mit Diabetes mellitus, also der Zuckerkrankheit, gilt es nachzuschauen. Bei übergewichtigen Patienten, gerade da sollte man unbedingt anfangen, nach der Nierenkrankheit zu screenen."

Neue Medikamente lassen hoffen

Je früher die Krankheit erkannt wird und je früher die ärztliche und medikamentöse Behandlung beginnen kann, desto besser ist das für den Patienten und die Nieren. "Das Problem der chronischen Nierenkrankheit ist, dass sie eigentlich nie besser wird. Sie wird allenfalls langsamer schlechter. Zerstörtes Nierengewebe kann man nicht zurückholen. Mittlerweile haben wir in der Nephrologie ganz neue Medikamente, die nachweislich den Nierenfunktionsverlust deutlich verlangsamen können. So dass viele Patientinnen und Patienten gar nicht oder wenn überhaupt, sehr viel später, an die Dialyse müssen", macht Nephrologe Jörg Latus Hoffnung.

Dialyse vermeiden

Die Nieren der Dialysepatienten sind in der Regel so schwach, dass sie ohne die Dialyse nicht überleben könnten. Die Dialyse übernimmt die Funktion der kaputten Nieren. Sie filtert das Blut, entzieht dem Körper überschüssiges Wasser und schwemmt damit die Giftstoffe aus dem Organismus aus.

Ein Arzt bedient ein Dialysegerät auf einer Intensivstation. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Ein Arzt bedient ein Dialysegerät auf einer Intensivstation.

Aus dem Gewicht wird errechnet, wie viel Flüssigkeit der Patient seit der letzten Dialyse eingelagert hat. Patienten mit kaputten Nieren müssen oft mehrmals die Woche für mehrere Stunden zur Dialyse. Durch den Flüssigkeitsentzug sinkt der Blutdruck während der Dialyse, für den Kreislauf ist das jedes Mal eine Herausforderung.

"Zu Teilen ersetzen wir die Niere mit der Dialyse, aber auch Dinge wie Anämie, also die Blutarmut, die Verkalkung der Gefäße. Das sind alles Dinge, die trotz alledem voranschreiten, obwohl wir Dialyse machen", so Nephrologe Jörg Latus. Die Dialyse könne nicht die Entgiftungsfunktion ersetzen, die unsere Nieren haben, wenn sie normal funktionieren.

Man sieht, wie eine Transplantation wird im Krankenhaus vorbereitet wird. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Eine Transplantation wird im Krankenhaus vorbereitet.

Vorsorge: Viel trinken hilft viel?

Die weit verbreitete Annahme, man solle viel trinken, um die Nieren bestmöglich zu spülen, stimmt so nicht. Prof. Julia Weinmann-Menke, Leiterin der Nephrologie an der Uniklinik Mainz, rät zum Mittelmaß: „Es gibt Studien, die ganz klar zeigen, zu wenig trinken und zu viel trinken ist schlecht für die Niere. Also beide Extreme sind schlecht. Wie bei fast allem." Sie rät zu 1,5 bis zwei Litern am Tag für jemanden, der eine normale Tätigkeit ausübt.

Vorsicht bei Salz

Die Nieren regulieren den Salzhaushalt. Zu viel Salz schadet ihnen. Denn je mehr Salz wir essen, desto mehr haben sie zu tun. Wer gern und reichlich Salz ist, fördert auch Bluthochdruck. Ebenfalls nicht gut für die Nieren. Der Grund: Salz bindet Wasser im Körper und erhöht dadurch das Flüssigkeitsvolumen, das im Körper zirkuliert. Je mehr Flüssigkeit im Körper ist, desto größer ist der Druck auf die Blutgefäße und auch auf die Nieren.

Das führt zu einer richtigen Druckbelastung der Niere. Und wenn man das lange Jahre hat, dann führt das zu Schädigungen der Gefäße.

Bereiche der Niere vernarben dann. Die Arbeit der Niere, gibt die Nephrologin zu bedenken, werde dann reduziert.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt maximal 5 Gramm Salz pro Tag, laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung sollte der Konsum nicht über 6 Gramm pro Tag liegen. Die Realität zeigt aber: Wir essen deutlich mehr Salz. Die geschätzte tägliche Salzaufnahme lag nach Ergebnissen einer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Auftrag gegebenen Studie bei erwachsenen Frauen durchschnittlich bei 8,4 Gramm und bei erwachsenen Männern bei zehn Gramm. 50 Prozent der Männer und 38,5 Prozent der Frauen nahmen sogar täglich mehr als zehn Gramm Salz auf.

Vorsicht bei verarbeiteten Lebensmitteln

Denn das sind oft versteckte Salzquellen. Epidemiologische Studien haben gezeigt: Wer sich zu mehr als 30 Prozent von verarbeiteten Lebensmitteln ernährt, hat ein erhöhtes Risiko für eine chronische Nierenerkrankung. Stattdessen sollte man auf ballaststoffreiche Kost setzten, also auf Hülsenfrüchte, Haferflocken oder Gemüse beispielsweise.

Ernährung für Menschen mit Nierenleiden

Nephrologe Prof. Latus gibt zu bedenken, dass die Ernährung für jeden Patienten mit einer Nierenerkrankung anders ausfallen kann: "Da muss man sich nochmal ganz klar anschauen, in welchem Stadium befinden sich denn die Patientinnen und Patienten. Nehmen wir einen Dialyse-Patienten, der vielleicht auch keine Urinausscheidung mehr hat. Da kann eine kaliumarme Ernährung wichtig sein." Kaliumarm bedeutet aber oft auch weniger gesund. Obst und Gemüse haben unter anderem viel Kalium. "Sodass man auch gerade in den früheren Stadien jetzt eigentlich dazu übergeht, zu sagen, die kaliumarme Ernährung muss gar nicht so strikt eingehalten werden. Eine ausgewogene Ernährung, und vor allem ganz wichtig, was Phosphat angeht und was Kochsalz angeht, die Fertigprodukte weglassen."

Eiweiß ja oder nein bei Nierenproblemen?

Auch da ginge es um eine gesunde Ernährung, erläutert Latus. Unterscheiden müsse man auch zwischen pflanzlichen und tierischen Eiweißen. Allerdings solle man sich auf keinen Fall eiweißreich ernähren.

Expert:innen:
Prof. Dr. med. Jörg Latus, Ärztlicher Leiter Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie, Robert Bosch Krankenhaus Stuttgart
Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke, Leiterin der Nephrologie, Uniklinik Mainz

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