Nebenwirkungen oftmals unterschätzt

Frei verkäufliche Medikamente richtig anwenden

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Rund 100.000 Medikamente sind in Deutschland zugelassen, die eine Hälfte ist verschreibungspflichtig, die andere Hälfte frei verkäuflich.

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Ab 2020 muss auf frei verkäuflichen Schmerzmitteln folgender Warnhinweis abgedruckt sein: "Bei Schmerzen oder Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als in der Packungsbeilage vorgegeben." Denn die frei verkäuflichen Schmerzmittel haben Nebenwirkungen, die gerne unterschätzt werden.

Diese frei verkäuflichen Medikamente gibt es

Der Reigen an freiverkäuflichen Medikamenten deckt alle erdenklichen Krankheitsbilder ab. Die Hitliste der gern gekauften Produkte wird von Schmerzmitteln wie Ibuprofen, Paracetamol oder ASS angeführt. Dicht danach kommen Erkältungspräparate, die oft auch als Kombiprodukte abgegeben werden.

So schädlich können frei verkäufliche Medikamente sein

Prof. Dr. Kristina Friedland vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Mainz beim Interview (Foto: SWR)
Prof. Dr. Kristina Friedland vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Mainz warnt vor Kombipräparaten.

Viele Präparate enthalten Wirkstoffe, die einen sehr engen Anwendungsbereich haben. Wird dieser Wirkstoff bei anderen Anwendungen verabreicht, ist er im besten Fall nur überflüssig, im schlimmeren Fall kann er aber auch gefährlich werden.

Die Nachteile von Kombipräparaten

Es gibt Kombipräparate, die mehrere Wirkstoffe vereint enthalten, zum Beispiel schmerzlinderndes Paracetamol, Hustenreiz unterdrückendes Dextromethorphan und Nasenschleimhaut abschwellendes Norephedrin

"Das sind nicht immer sinn​volle Kombinationen. Wer sagt denn, dass das der Patient alles braucht?"

So gibt es beispielsweise Hals​sprays, die Alkohol oder Koffein enthalten. Beides kann ein Suchtverhalten verstärken. ASS und Paracetamol als Kombination haben keinen therapeutischen Vorteil, sondern können doppelte Nebenwirkungen hervorrufen. Zudem ist die hohe Dosierung und die Einnahme über längere Zeit mit einem höheren Herzinfarktrisiko verbunden, wie Studien gezeigt haben.

Rezeptfreie Medikamente können den Arzt nicht ersetzen

Bei Krankheiten, bei denen der Patient glaubt, sie selbst einschätzen zu können, scheuen viele den Arztbesuch, weil sie sich die Zeit dafür nicht nehmen können oder wollen. Stattdessen greifen sie auf sogenannte "nicht-steroidale Antirheumatika (NSRA)" zurück. Dazu gehören Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen und Diclofenac. Wenn man mehr davon nimmt, bringt das nichts außer mehr Nebenwirkungen. Paracetamol wirkt halbwegs gut als Fiebersenker, ist dagegen als Schmerzmittel nahezu wirkungslos. Kurzfristige Einnahmen sind in Ordnung, wenn man weiß, wie sie mit anderen Medikamenten zusammenwirken.

Stapel mit frei verkäuflichen Arzneimitteln. (Foto: SWR)
Wieviel Gefährdungspotentiel steckt in der durchschnittlichen Hausapotheke?

Wenn sich Symptome hartnäckig halten, ist ein Gang zum Arzt nötig, damit aus einer schlecht kurierten Erkältung mit frei verkäuflichen Medikamenten keine Herzmuskelentzündung wird. Es müssen auch nicht immer gleich starke Medikamente sein. Leichte Salztabletten für den Hals reichen oft schon aus. Sie befeuchten die Schleimhäute und können Schluckbeschwerden lindern. Grundsätzlich hilft es, viel zu lutschen, am besten zuckerfreie Bonbons.

Gleiches gilt auch bei anderen Krankheitsbildern wie zum Beispiel einer Magen-Darm-Erkrankung. Verträgliche Abführmittel enthalten beispielsweise Lactulose, Macrogol oder für den kurzfristigen Einsatz Sennes, Bisacodyl oder Natriumpicosulfat. Elektrolytlösung sind praktisch, um Flüssigkeit und Substanzen zu ersetzen, die bei Durchfall verloren gehen. Es ist oft günstiger und zielgerichteter, Einzelpräparate zu nehmen, weil das den Körper weniger belastet.

Darauf sollte beim Kauf frei verkäuflicher Medikamente geachtet werden

In Deutschland entscheidet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm), ob ein Medikament zugelassen wird. Die Pharmahersteller führen Studien durch, oft mit Tausenden Probanden. Die Erhebungen sollen belegen, dass ein Medikament bestimmte Erkrankungen oder Symptome lindert, und dass die positiven Effekte größer sind als die Risiken.

Beipackzettel Medikamente (Foto: SWR)
Ein Blick in den Beipackzettel der Medikamente kann Nebenwirkungen aufzeigen, dennoch ist es ratsam sich in der Apotheke oder vom Arzt beraten zu lassen.

Wichtig beim Kauf ist, dass der Apotheker über den Gesundheitszustand des Patienten und die Vorerkrankungen informiert wird. Nur dann kann man ungewollte Nebenwirkungen ausschließen. So müssen zum Beispiel Herzkranke aufpassen, dass sie keine Wirkstoffe einnehmen, die die Gefäße verengen.

Wenn es trotzdem Kombipräparate sein sollen, dann sollte man sie nicht länger als zwei bis drei Tage einnehmen. Denn die Krankheit vergeht durch die Wirkstoffe nicht schneller, der Patient fühlt sich nur für einige Zeit besser. Grundsätzlich gehört jede Krankheit, und sei es auch nur eine Erkältung, in Ruhe auskuriert.

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SWR Fernsehen