Der weite Weg zum richtigen Geschlecht

Was es heißt, transgender zu sein

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Aussehen und Empfinden, das eigene Geschlecht angehend, stimmen bei den meisten Menschen überein. Transgender bedeutet, dass dem nicht so ist. Dass Körper und Seele getrennt sind.

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Tyler Binnenbruck arbeitet als Cutter in Mainz. Der 22 Jährige hat hier seine Ausbildung zum Mediengestalter gemacht.

Er wurde in Landshut geboren – als Junge – doch zu seinem Leidwesen mit weiblichen körperlichen Merkmalen. Tyler ist transgender. Ein Transmann.

Was bedeutet Transgender?

Transgender bedeutet, dass das eigene Geschlecht nicht mit den körperlichen Merkmalen übereinstimmt.

Transgender heißt also hin zu dem Geschlecht, das auch gelebt wird, so wie der Betroffene sich fühlt, unabhängig von seinen körperlichen Merkmalen.

  • Transgender ist eine biologische Besonderheit. Jeder Mensch hat ein Empfinden, welchem Geschlecht er angehört – männlich oder weiblich oder keinem der beiden.
  • Dieses Empfinden ist unabhängig vom Aussehen. Bei den meisten Menschen stimmen Aussehen und Empfinden überein.
  • Die meisten Menschen, die weibliche körperliche Merkmale aufweisen, empfinden sich auch als weiblich, die meisten mit männlichen Merkmalen empfinden sich als männlich.
  • Doch bei manchen Menschen – man geht davon aus, dass es in Deutschland etwa zwischen 40.000 und 80.000 betrifft – stimmen Empfinden und äußerliche Merkmale nicht überein.
Tyler Binnenbruck an seinem Arbeitsplatz im TV-Schneideraum (Foto: SWR)
Tyler Binnenbruck kam mit weiblichen körperlichen Merkmalen auf die Welt und wurde dementsprechend erzogen.

Tyler wurde jahrelang als Mädchen wahrgenommen und wie ein Mädchen behandelt. Sein Körper wies eindeutig weibliche Merkmale auf, doch im Innern war und ist Tyler ein Mann.

  • Man spricht von Transmännern bei Männern mit angeborenen weiblichen Geschlechtsmerkmalen.
  • Von Transfrauen spricht man dementsprechend bei Frauen mit angeborenen männlichen Geschlechtsmerkmalen.

Welche Schritte gehen Transmenschen bei der Geschlechtsangleichung?

Der lange Weg eines Transmenschen zum stimmigen Körper beginnt mit der Auseinandersetzung, dass die gefühlte Diskrepanz real ist und man sich eingesteht: Ja, ich bin trans.

Was folgt, ist von den Krankenkassen vorgeschrieben:

  • Um angleichende Maßnahmen zu erhalten, müssen Transmenschen mindestens anderthalb Jahre in psychotherapeutische Behandlung.
  • Der Therapeut erstellt eine sogenannte Indikation, ein Dokument, das bescheinigt, dass der Transmensch tatsächlich trans ist und weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation führen werden.
  • Danach kann mit der Hormonbehandlung begonnen werden, die ein Leben lang weitergeführt werden muss. Durch die "falschen" Geschlechtsmerkmale produziert der Körper auch die "falschen" Hormone.
Transmann Tyler Binnenbruck  (Foto: SWR)
Transmann Tyler Binnenbruck unterzog sich einer Hormonbehandlung mit massiven körperlichen Belastungen.

Tyler zum Beispiel litt sehr unter den Auswirkungen des Östrogens, anstatt eines Bartes bekam er seine Regel, anstelle von männlichen Muskeln Brüste. Diese Auswirkungen werden durch die Hormonbehandlung zum Teil rückgängig gemacht und dem Körper die Hormone gegeben, die dem eigentlichen Geschlecht entsprechen.

Der Körper verändert sich durch die Hormontherapie hin zum "richtigen" Geschlecht.

  • Was die Hormone nicht leisten können, wird dann durch die geschlechtsangleichende OP vervollständigt.
  • Hormone können Geschlechtsmerkmale wie Brust und Penis nicht rückbilden.
  • Sowohl bei Transmännern, als auch bei Transfrauen ist die OP kompliziert und risikoreich und besteht aus mehreren Eingriffen. Niemand nimmt diese medizinischen Eingriffe leichtfertig auf sich.

In Deutschland ist diese Personenstandsänderung ein verwaltungsgerichtliches Verfahren nach dem so genannten Transsexuellengesetz.

Das heißt, Transmenschen müssen vor Gericht beweisen, dass ihr Geschlecht nicht mit dem bei Geburt zu sehenden körperlichen Merkmalen übereinstimmt und dass sie tatsächlich dem anderen Geschlecht angehören.

In der Regel dauert dieses Verfahren fünf bis sieben Monate, inklusive Gerichtstermin, bei dem Transmenschen bei einem Richter vorsprechen müssen.

In anderen Ländern ist dieses Verfahren eher ein Verwaltungsakt auf dem Bürgeramt, in Deutschland ein teures Verfahren, das bis zu 1.500 Euro kosten kann. Die Landeskammer der Psychologen kritisiert dieses Prozedere.

Warum begegnen Transmenschen Missverständnissen im Alltag?

Die Missverständnisse resultieren aus der falschen Wahrnehmung des Umfeldes von Transmenschen. Gerade zu Beginn der Transition werden Transmenschen aufgrund ihres Aussehens mit dem falschen Pronomen angesprochen, was enorme emotionale Belastungen für die so "missgenderten" mit sich bringt.

  • Aufgrund des Begriffes "transsexuell" glauben viele Menschen immer noch, dass es sich bei trans um eine sexuelle Orientierung handelt.
  • Transgender bedeutet etwas anderes: Es geht um die eigene Identität.
  • Trotzdem wird trans oft mit schwul oder lesbisch in einen Topf geworfen.
  • Dementsprechend erleben viele Transmenschen die gleiche Ablehnung und Diskriminierung bis hin zur Gewalt.

Tyler zum Beispiel wurde bereits auf dem Männerklo verprügelt, weil er angeblich nicht dorthin gehörte. Ein klares transphobes Hassverbrechen.

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SWR Fernsehen