Klimawandel in Rheinland-Pfalz

Auch 2020 wird ein besonders heißes Jahr

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Der Klimawandel in Rheinland-Pfalz macht den Wissenschaftlern Sorgen, da er so schnell voranschreitet und sich über die Jahre potenziert. Rheinland-Pfalz liegt zur Zeit an der Obergrenze der errechneten Temperaturentwicklung.

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Es ist der dritte zu trockene Sommer in Folge und das hat inzwischen historische Ausmaße: Seit dem Jahr 1766 hat es keine zwei aufeinander folgende Dürren im Sommer gegeben. Bis in 1,80 Meter Tiefe ist der Boden in weiten Teilen Deutschlands außergewöhnlich trocken, einzelne Starkregen-Ereignisse bringen da nichts: Das meiste Wasser fließt auf der Oberfläche ab.

Sind das nun außerordentliche Wetter-Kapriolen oder tatsächlich die ersten Folgen des Klimawandels? Die Antwort ist eindeutig, da sind sich Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen einig: Der Klimawandel ist da und er hat Rheinland-Pfalz mit voller Wucht getroffen. Rheinland-Pfalz ist sogar das Bundesland, das statistisch am meisten vom Klimawandel betroffen ist. Mit einem Temperaturanstieg von 1,6 Grad seit Beginn der Messungen 1881 liegt Rheinland-Pfalz über dem Bundesdurchschnitt.

Darum ist Rheinland-Pfalz überdurchschnittlich betroffen

Dafür gibt es zwei Gründe:

  1. Der erste Grund ist geografischer Natur: Die Lage des Landes zwischen dem Atlantik im Westen und dem Mittelmeer im Süden. Beide Meere liegen zwar relativ weit weg der Landesgrenzen, aber ihre Wetter-Einflüsse unter Hochdruck sind spürbar.
  2. Der zweite Grund ist topografischer Natur: Es gibt viele tief liegende Flusstäler von Rhein, Mosel und Nahe, daneben die Mittelgebirgslagen, die nicht besonders hoch sind. Die Höhenverhältnisse spielen eine wesentliche Rolle, warum es in den Flusstälern besonders warm ist. Die Temperatur ist ausschlaggebend für die Klimawandelfolgen in Rheinland-Pfalz.

Im Wald ist der Klimawandel besonders sichtbar

Überall in der Natur kann man den Einfluss beobachten, exemplarisch im Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen in Trippstadt. Das Institut ist an die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft angegliedert und Teil eines bundesweiten Klimawandel-Netzwerks.

Die Forstwissenschaftler koordinieren und betreiben eigene Forschung, unter anderem im Langzeitbeobachtungswald bei Merzalben in der Pfalz. In diesem Buchen- und Eichenwald werden die Bäume genau vermessen. Apparaturen und Maßbänder messen den Stammumfang, der sich tatsächlich mit der Wasseraufnahme verändert.

Baum im Buchenwald mit Aufzeichnungsinstrumenten am Stamm befestigt (Foto: SWR)
Im Langzeitbeobachtungswald bei Merzalben in der Pfalz hängen die Bäume am Netz der Wissenschaft.

Sogenannte Saugkerzen überwachen den Wasserstand im Boden in 10, 60 und 115 Zentimetern Tiefe. Den empfindlichen Geräten entgeht keine noch so kleine Mengen- und Qualitätsveränderung. Dazu wird ermittelt, wann die Bäume wieviele Blätter und Früchte abwerfen, welche Schädlinge und Krankheiten auftreten und so weiter.

Dieser Wald ist wie ein "dauerüberwachter Patient auf der Intensivstation". Die ermittelten Werte lassen verlässliche Schlüsse zu, zum Beispiel, dass die Vegetationsphase der Bäume früher beginnt als noch vor 30 Jahren, in Rheinland-Pfalz sogar 14 Tage früher.

Die Bäume geraten zunehmend unter Stress: Höhere Temperaturen, Dürre, Schädlinge und Krankheiten. Die Wissenschaftler rechnen damit, dass den Bäumen auch in Zukunft weniger Wasser zur Verfügung steht. Zum Einen verdunstet Niederschlag schneller bei höheren Temperaturen, zum Anderen fällt Niederschlag vermehrt räumlich und zeitlich konzentriert. Das heißt, er fällt als Starkregen, kann vom Boden nicht aufgenommen werden und fließt ungenutzt ab.

So reagiert die Natur außerhalb des Waldes

Unsere Beispiele sind nur punktuell, aber vielfältig:

  • Dem Riesling wird es auf Dauer zu heiß in Rheinland-Pfalz.
  • Viele Winzer stellen sich darauf ein und setzen auf wärmeliebende Rebsorten.
  • In einigen Weinanbaugebieten werden Merlot und Syrah zu den gängigen Rebsorten gehören.
  • Weinanbau wird auch in bisher kälteren Regionen von Rheinland-Pfalz möglich sein.
  • Auch die Landwirte müssen umdenken: Sie säen im Frühjahr, wenn die Böden wärmer werden, der Klimawandel verlegt die Pflanzzeit immer früher ins Jahr.
  • Die Früchte müssen entsprechend früher geerntet werden.
  • Gemüsesorten, die auch mal einen kühlen Boden brauchen wie Kartoffeln und Zuckerrüben, werden langfristig (ca. ab 2050) nicht mehr profitabel sein.

Auch die Tierwelt reagiert:

  • Zugvögel sparen sich in milden Wintern die anstrengende Reise in den Süden und überwintern zuhause.
  • Vögel, die einen echten, kalten Winter brauchen, sterben aus, andere kommen vom Süden zu uns.
  • Am Bodensee sind Flamingos gesichtet worden.
  • Viele Fischarten haben allergrößte Probleme in aufgeheizten Gewässern zu überleben.
  • Im Gegenzug kommen neue Insektenarten in nördlichere Gefilde. Manche könnten gefährliche Krankheitserreger mitbringen, wie zum Beispiel die Sandmücke.

Auch diese Bereiche sind vom Klimawandel betroffen

Er berührt unter anderem die Bereiche Gesundheit und Wirtschaft. Geschwächte Menschen kommen mit den hohen Temperaturen nicht zurecht, das Herz-Kreislauf-System ist überlastet. Das führt in ganz heißen Sommerperioden auch häufiger zum Tod.

Drei Sanitäter in Notarztwagen, wenden sich Patienten auf Transportliege zu. (Foto: SWR)
Wenn man sich extremer Sonnenstrahlung und Hitze aussetzt, kann ein Kollaps drohen.

Die Hitze setzt Mensch und Maschinen bei der Arbeit zu. Sie hat Einfluss auf die Logistik: Hitze und Dürre machen mit Niedrigwasser Transporte zu Wasser unmöglich und auf den Straßen platzt der Asphalt auf. Unternehmen müssen mehr Lagerhaltung betreiben, können sich nicht mehr auf eine "just-in-time"-Logistik verlassen.

Fazit

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SWR Fernsehen