Eien Hand hält an einer Zapfsäuale an der Tankstelle einen grünen Tankrüssel in die Tankklappe, und betankt das Auto mit Kraftstoff. (Foto: picture alliancedpa/Uwe Lei)

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Clever und umweltfreundlich Tanken: Geht das?

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Anna Macho
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Hanna Meßmann

Tankstellen wie Shell & Co. Versprechen, den beim Autofahren entstehenden CO2-Ausstoß in Klimaschutzprojekten zu kompensieren. Ein Greenwashing-Trick oder kann das funktionieren?

  1. "Klimaneutrales Tanken": Wie soll das gehen?
  2. Kritik der Umweltverbände am "klimaneutralen Tanken"
  3. Autos sind der drittgrößte Verursacher von Kohlenstoffdioxid-Emissionen in Deutschland 
  4. Wirksame Kompensationsprojekte auswählen: Darauf kann man achten
  5. So wird in Klimaprojekten CO2 kompensiert
  6. Prüfsiegel: Kann man sich auf sie verlassen?

"Klimaneutrales Tanken": Wie soll das gehen?

Nicht immer können wir auf das Auto verzichten und nicht immer wollen wir das. Einige Tankstellen versprechen uns deswegen, den beim Fahren entstehenden CO2-Ausstoß auszugleichen und das Autofahren damit nachhaltig zu machen: “Klimaneutrales Tanken” heißt das Angebot und es funktioniert so: Pro getanktem Liter Benzin oder Diesel zahlt man an der Tankstellenkasse freiwillig ein paar Cent mehr. Laut der Tankstellen-Konzerne unterstützt man damit Klimaschutzprojekte, bei denen beispielsweise Bäume gepflanzt oder Moore wiederhergestellt werden sollen. Das soll das CO2 binden, das durch das Fahren mit einer Tankfüllung entsteht.

Verschiedene Tankstellenketten bieten “klimaneutrales Tanken” an. Bei Shell kostet das klimaneutrale Tanken drei Cent pro Liter, bei Südwestenergie 1,5 Cent. Bei anderen Tankstellen ist die Kompensationszahlung schon im Spritpreis mit inbegriffen. Klingt gut, aber kann das funktionieren?

Kritik der Umweltverbände am "klimaneutralen Tanken"

Das Geld, das Autofahrende an der Tankstellenkasse für das “klimaneutrale Tanken” bezahlen, geben die Tankstellen aber nicht direkt an die Klimaschutzprojekte weiter, sondern kaufen über verschiedene Anbieter sogenannte CO2-Zertifikate dafür. Ein CO2-Zertifikat steht für eine Tonne CO2. CO2-Zertifikate sind damit erst einmal nichts anderes als das Recht, eine Tonne CO2 auszustoßen. Kaufen Unternehmen die Zertifikate bei einem Klimaschutzprojekt bedeutet das: Für jedes gekaufte Zertifikat wird irgendwo auf der Welt eine Tonne CO2 eingespart oder gebunden. In diesem Fall sind die Zertifikate also eine verschriftlichte Klimaschutzleistung.

Umweltverbände kritisieren diese Art des angeblichen CO2-Ausgleichs stark.

"Das ist Greenwashing und irreführend. Gelöst wird das Emissionsproblem nicht. Wenn man Benzin tankt und damit fährt, dann werden CO2-Emissionen freigesetzt und die lassen sich nicht einfach wegkompensieren. Mit Klimaneutralität beim Autofahren zu werben, ist schlicht und ergreifend falsch."

Diese Art Handel mit CO2-Zertifikaten vertiefe die Problematik vielmehr. Durch das Versprechen des “klimaneutralen Tankens” werde Verbraucherinnen und Verbrauchern ein gutes Gewissen gemacht und Ihnen vorgetäuscht, dass sie nichts an ihrem Verhalten ändern müssten. Dabei müsse man sehen: Manche Menschen sind auf das Autofahren angewiesen. Sie sollten möglichst spritsparend fahren und, wenn möglich, für Teilstrecken öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die CO2-Kompensation sollte laut Umweltverbänden nur die letzte Maßnahme sein.

Die Deutsche Umwelthilfe hat sogar den Schmähpreis “Goldener Geier” wegen unlogischer Berechnungen der Klimakosten von CO2 an das Unternehmen Shell Deutschland verliehen. Entschieden haben das mehr als 20.000 Verbraucherinnen und Verbraucher, die online über die „dreisteste Umweltlüge des Jahres“ abgestimmt haben.

Double Counting im CO2-Handel

Ein weiteres Problem im CO2-Handel ist das sogenannte Double-Counting oder Double-Claiming. Jedes Land hat eine bestimmte Anzahl an CO2-Zertifikaten, die es verteilen und verbrauchen darf. Damit soll der weltweite CO2-Ausstoß dauerhaft gesenkt werden. Beim Double-Counting passiert Folgendes: Einerseits rechnet sich das Land, in dem das CO2-Zertifikat gekauft wurde, die dadurch eingesparte Tonne CO2 an. Andererseits passiert dasselbe in dem Land, in dem das Klimaschutzprojekt umgesetzt wird. Das eine CO2-Zertifikat wird also doppelt gezählt. Für die weltweise CO2-Reduktion ist das ein Problem, da weniger CO2 eingespart wird als eigentlich geplant und nötig ist.

Anbieter von CO2-Zertifikaten, wie beispielsweise ClimatePartner, bei denen bis vor Kurzem noch mit Klimaneutralität geworben wurde, gehen jetzt andere Wege. Die Zertifikate von ClimatePartner sollen in Zukunft nicht mehr für Klimaneutralität stehen, sondern nur noch aussagen, dass ein Beitrag zum Kilmaschutz geleistet wird. ClimatePartner will nach eigenen Angaben noch strenger werden: “Im Rahmen der Richtlinie haben wir einige Industrien und Produkte grundsätzlich von der Nutzung des Labels ausgeschlossen. Darunter fallen beispielsweise auch fossile Energieprodukte.” Dies betrifft bald auch den Tankstellen-Konzern Q1 Energie. Bis vor Kurzem haben Verbraucher bei Q1-Tankstellen einen Cent pro Liter gezahlt, um klimaneutral zu tanken. Da der Konzern das Klimaneutal-Label von ClimatePartner nutze, steht die Kampagne “klimaneutral Tanken” nun infrage.

Autos sind der drittgrößte Verursacher von Kohlenstoffdioxid-Emissionen in Deutschland

Etwa 48,5 Millionen Autos sind in Deutschland zugelassen. Davon sind circa 43 Millionen Autos im privaten Gebrauch. Über 90 Prozent dieser Autos fahren mit Benzin oder Diesel. Das sorgt für enorm viele Treibhausgase: 2022 hatte der Verkehrssektor einen Anteil von 21 Prozent an den deutschlandweiten Kohlenstoffdioxid-Emissionen, hat das Umweltbundesamt berechnet.

Aus einem Auto-Auspuff kommt schwarzer Rauch. Es handelt sich um CO2-Abgase. (Foto: Adobe Stock)
Noch immer werden über 90 Prozent der zugelassenen Autos in Deutschland mit Benzin oder Diesel angetrieben.

Analysen des Expertenrates für Klimafragen zeigen, dass die Emissionen aus dem Straßenverkehr vierzehn Mal schneller sinken müssten als bisher, damit Deutschland die Klimaziele des Jahres 2030 erreicht.

Wirksame Kompensationsprojekte auswählen: Darauf kann man achten

Nicht immer ist die CO2-Kompensation über Klimaschutzprojekte schlecht. Es kommt darauf an, bei welchem Projekt die CO2-Zertifikate gekauft werden. “Ein Projekt im Amazonas ist nicht besser oder schlechter als ein Moorprojekt in Mecklenburg-Vorpommern oder ein Windkraft-Projekt in Südamerika. Aber es gibt natürlich unterschiedlich gute Projekte. Das hängt mit der Seriosität der Projektträger und Umsetzer zusammen.” Dr. Thorsten Permien vom Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern

Kriterien für ein gutes Projekt sind: Das Klimaschutzprojekt sollte zusätzlich sein, das heißt, dass es nur aufgrund der Kompensationszahlungen überhaupt möglich ist. Zudem muss das Klimaschutzprojekt dauerhaft sein.

Auch bei Kompensationsprojekten, die durch Unternehmen über den freiwilligen Emissionshandel angeboten werden, muss genau hingeschaut werden. Denn im freiwilligen Emissionshandel gibt es keine staatlichen Kontrollen. Es ist also nicht sichergestellt, ob die Projekte und Zertifikate wirklich seriös sind.

So wird in Klimaprojekten CO2 kompensiert

In Deutschland gibt es nur wenige Klimaschutzprojekte, die CO2-Zertifikate verkaufen. Eines der Projekte ist “MoorFutures” der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. In der Vergangenheit wurden Moore in Deutschland häufig trockengelegt, um auf der gewonnenen Fläche Landwirtschaft betreiben zu können. Der Torf ist dadurch oxidiert und hat das Treibhausgas CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Diese Entwicklung wird durch das Projekt “MoorFutures” wieder rückgängig gemacht. Die Moore werden wieder vernässt, denn nasse Moore sind sehr stabile Kohlenstoffspeicher.

Aus Vogelperfekticve sieht man ein renaturiertes Moor, das durch das Projekt MoorFutures wiedervernässt wurde. (Foto: SWR)

14.000 CO2-Zertifikate konnte “MoorFutures” allein durch ihr Projekt im Moor Polder Kieve verkaufen. Das entspricht nach Berechnungen den 14.000 Tonnen CO2-Emissionen, die durch die Wiedervernässung des Moores gemindert werden können. Damit ist die GRenze des Projekts erreicht, es können keine weiteren CO2-Zertifikate mehr darauf erworben werden. Die “MoorFutures”-Zertifikate können auch nicht dazu genutzt werden, um Produkte oder Unternehmen als klimaneutral auszuzeichnen. Sie sagen lediglich aus, dass ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wurde. Dieser Ansatz nennt sich auch contribution claim.

Die meisten Klimaschutzprojekte sind in Entwicklungs- und Schwellenländern zu finden. Kompensationszahlung an Q1-Tankstellen, zu denen teilweise auch Shell gehört, fließen beispielsweise in ein Waldschutzprojekt in Peru[HM1] . Einheimische Familien erhalten über die gesammelten Gelder Landnutzungsrechte. Sie können für sich selbst eine nachhaltige Einkommensquelle erschließen. Gleichzeitig soll so der Wald vor illegaler Abholzung und weiterer Besiedlung geschützt werden. Der Wald kann in der Theorie so weiterhin als CO2-Speicher bestehen bleiben. Klingt gut, aber: In der Praxis kann niemand garantieren, dass der Wald nicht in ein paar Jahren durch Brände oder doch durch Abholzung zerstört wird. Zudem fällt das Waldprojekt von Q1 unter den freiwilligen Emissionshandel und wird daher nicht staatlich kontrolliert.

Prüfsiegel: Kann man sich auf sie verlassen?

Um die Seriosität von Kompensationsprojekten im Ausland und im freiwilligen Emissionshandel sicherzustellen, gibt es Standards, wie den Verified Carbon Standard (VCS) der Organisation Verra. Das VCS bildet den Großteil des Marktes ab. Aktuell wird aber an der Glaubwürdigkeit und der Transparenz des Verified Carbon Standards gezweifelt. Laut einer Recherche des Guardian, der Zeit und der Investigativ-Plattform SourceMaterial, handelt es sich bei wahrscheinlich mehr als 90 Prozent der Regenwald-Kompensationsgutschriften von Verified Carbon Standard um "Phantomgutschriften". Das heißt: Die Gefahr einer bevorstehenden Waldabholzung wurde in den Projekten stark überschätzt. Es ist zweifelhaft, ob die CO2-Zertifikate mit Verified Carbon Standard wirklich Emissionen mindern. “Auf dieses Siegel kann man sich also nicht verlassen”, sagt Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe.

Es ist das Logo des Verified Carbon Standards, kurz VCS, zu sehen. Das Siegel soll Seriösität von Klimaschutzprojekten im Ausland gerantieren, die über CO2 Zertifikate unterstützt werden. (Foto: SWR)

Für das Prüfsiegel “Gold Standard”, dass von WWF und mehreren anderen NGOs entwickelt wurde, gelten nach eigenen Angaben strenge Regeln. Grundlage des Siegels sind die UN-Nachhaltigkeitsziele. Aber der WWF sagt selbst: Der Gold Standard wurde vor langer Zeit entwickelt, als die politischen Rahmenbedingungen auf dem freiwilligen Markt noch ganz andere waren. An neue politische Rahmenbedingungen müsse sich angepasst werden. Allgemein spricht sich WWF gegen das Modell der freiwilligen Kompensation aus.

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