Mehrere verschiedene Pillen auf einem Tisch. Aufpassen bei Schmerzmitteln! Sie können Nebenwirkungen verursachen. Ibuflam, Voltaren, ASS, Diclofenac, Thomapyrin  (Foto: Colourbox, #228088)

Medikamente ohne Rezept

Schmerzmittel - rezeptfrei und dennoch gefährlich?

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AUTOR/IN
Beate Bastian
Susanne Kluge-Paustian
Lothar Zimmermann
ONLINEFASSUNG
Valeria D'Alessio

Verschreibungspflichtige Schmerzmittel, aber auch frei verkäufliche aus der Apotheke, können riskante, starke Nebenwirkungen hervorrufen. Wir erklären, worauf man achten muss.

Egal ob als Salbe, Tabletten oder Pulver: Bei Schmerzmitteln greift jeder zweite Erwachsene mindestens einmal im Vierteljahr zu, häufig ohne das vorher mit dem Arzt abzusprechen.

Schmerzen sind ein Warnsignal des Körpers und können oft einfache Ursachen haben wie etwa zu wenig Bewegung oder zu wenig Trinken bei Kopfschmerzen.

Frei verkäuflich und trotzdem risikoreiche Nebenwirkungen

So eine Selbstmedikation ist besonders bei leichteren Erkrankungen oder Alltagsbeschwerden beliebt. Da aber auch viele rezeptfreie Medikamente Nebenwirkungen haben, sollten Schmerzpatienten sie unbedingt mit Bedacht nehmen.

Professor Wolfgang Koppert, Anästhesist und Schmerzmediziner, spricht bei freiverkäuflichen Schmerzmedikamenten von "Tausenden von Toten jährlich, und zwar zum Beispiel durch Magen-Darm-Blutungen, durch Herz-Kreislauf-Versagen oder durch Nierenversagen."

Welche Schmerzmittel gibt es?

Sowohl in frei verkäuflichen als auch in verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln werden vor allem folgende Wirkstoffe verwendet: Diclofenac, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure (ASS) und Paracetamol.

Die Tabletten werden nicht immer unter dem Namen des Wirkstoffs verkauft. Deshalb ist es beim Kauf wichtig, darauf zu achten und auf der Packung nachzulesen, auf welchem Wirkstoff das Schmerzmitel basiert.

Zusätzlich gibt es Kombipräparate. Sie verbinden jeweils mehrere Wirkstoffe in einem Medikament, wie beispielsweise Thomapyrin. Hier warnen Experten, dass mit mehreren Wirkstoffen auch das Risiko für Nebenwirkungen und Komplikationen steigt.

Bei Schmerzsalben ist wichtig zu wissen, dass sie nur lokal wirken, dort, wo sie aufgetragen werden können. Gleichzeitig haben sie aber weniger Nebenwirkungen als etwa Schmerztabletten.

Welcher Wirkstoff gegen Schmerzen hat welche Nebenwirkungen?

Wirkstoffe wie Diclofenac, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure (ASS) sind Schmerz- und Entzündungshemmer, schädigen aber unsere Schleimhäute: Das kann Magenschmerzen verursachen und es können sogar Magengeschwüre auftreten. Sie sollten bei einem empfindlichen Magen also nicht eingenommen werden.

  • Paracetamol ist magenschonender. Der Wirkstoff hilft beispielsweise auch gegen Fieber, kann aber die Leber schädigen - bereits mit wenigen Tabletten. Bei Paracetamol sollte man deshalb besonders darauf achten, dass am Tag der Tabletteneinnahme kein Alkohol konsumiert wird.
  • Die Acetylsalicylsäure (ASS), die auch im beliebten Kopfschmerzmittel Aspirin wirkt, ist auch ein Gerinnungshemmer. Der Wirkstoff sollte also vor Operationen und bei frischen Wunden nicht eingenommen werden.
  • Diclofenac kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einen Herzstillstand oder Schlaganfall erhöhen und ist daher insbesondere bei Vorerkrankungen des Herzens nicht zu empfehlen.
  • Dies gilt ebenso bei Ibuprofen. Das Risiko besteht bereits bei einer Einnahme von wenigen Wochen.
Schmerzmittel gibt es mit oder ohne Rezept in der Apotheke. Über die Nebenwirkungen sollte man genau Bescheid wissen. (Foto: SWR)
Schmerzmittel gibt es mit oder ohne Rezept in der Apotheke. Über die Nebenwirkungen sollte man genau Bescheid wissen.

Wie häufig sollte man Schmerzmittel einnehmen?

Grundsätzlich sollte man laut unserem Gesundheitsexperten Dr. Lothar Zimmermann an maximal zehn Tagen im Monat zu Schmerzmitteln greifen. Wer Schmerztabletten mehrere Tage durchgehend einnimmt und nach drei Tagen immer noch Schmerzen hat, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen.

Wer kann, sollte, etwa bei nur leichten Kopfschmerzen, erstmal auf Tabletten verzichten. Manchmal helfen schon kleine Tricks, wie etwa:

  • eine kurze Ruhepause
  • ein großes Glas Wasser
  • einen Tropfen Pfefferminzöl auf die Schläfen reiben

Wie wirken Schmerzmittel im Körper?

Bei Verletzungen wird im Gewebe ein wichtiger Botenstoff gebildet: das Prostaglandin. Cox heißen die Enzyme, die Prostaglandine herstellen. Die Prostaglandine docken an den Schmerzrezeptoren der Nervenenden an und lösen ein Signal aus, das im Gehirn als Schmerz wahrgenommen wird. Die Herstellung von Prostaglandinen wird durch die Schmerzmittel unterbunden. Cox-Enzyme werden dadurch blockiert und es werden keine Signale mehr ans Gehirn weitergegeben - die Schmerzen lassen nach.

Bis der Wirkstoff sich auflöst, ins Blut gelangt und die körpereigenen Mechanismen in Gang kommen, vergehen aber erst einmal zehn bis 15 Minuten. Deshalb tritt die schmerzlindernde Wirkung auch erst mit einer Verzögerung von bis zu einer halben Stunde ein.

Hilft Metamizol und Novalgin besser gegen Schmerzen?

Wenn Herz und Kreislauf geschont werden sollen, wird oft Metamizol beziehungsweise das Medikament Novalgin verschrieben. Es erlebt, laut unserem Experten Dr. Lothar Zimmermann, gerade eine Renaissance, ist aber durchaus kritisch zu betrachten - und zwar unabhängig von der Dauer der Einnahme. Im Gegensatz zu anderen Schmerzmitteln kann Novalgin bereits bei einmaliger Einnahme die Bildung bestimmter weißer Blutkörperchen, der Granulozyten, hemmen - das kann lebensgefährlich werden. Agranulozytose ist hier der Fachbegriff.

Daher ist das Medikament beispielsweise in den USA, in Großbritannien und Schweden verboten, in vielen anderen europäischen Ländern aber zugelassen. Es kann in bestimmten Fällen sinnvoll sein - etwa bei Tumorschmerzen. Das müssen die behandelnden Ärzte abwägen.

Diese Nebenwirkungen bei Novalgin können wie eine Grippe beginnen, mit gereizten Schleimhäuten in Rachen und Hals sowie Fieber. Dann muss sehr schnell reagiert und medizinisch eingegriffen werden.

Wie sind Opiate wie Morphium als Schmerzstiller zu bewerten?

Morphium und andere Opioide hatten in den USA in der Vergangenheit nahezu eine halbe Million Tote zur Folge. Die Abhängigkeit davon ist ein großes Problem. Daher ist die Anwendung nur in einem speziellen Risikoprofil angeraten - etwa bei Krebs.

Welche Alternativen gibt es zu Schmerztabletten?

Dr. Lothar Zimmermann empfiehlt eine Kombination aus verschiedenen Therapieformen. Beispielsweise können eine medikamentöse Schmerztherapie und eine Psycho- oder Physiotherapie helfen.

Schmerztherapie in der Schmerzambulanz

Wenn der Hausarzt bei diesen Therapieformen nicht mehr weiterweiß, kann eine Schmerzambulanz die richtige Adresse sein.

Schmerztherapie (Foto: SWR)
Schmerztherapie in einer Schmerzambulanz

Der Schmerztherapeut Dr. Stefan Junger leitet die Schmerzambulanz am Klinikum Stuttgart und erklärt, wie Kopfschmerzen dort behandelt werden: "Grundsätzlich gilt in der Behandlung von Kopfschmerzen, dass die nicht-medikamentösen Maßnahmen mindestens 50 Prozent des Erfolgs darstellen - bedeutet Entspannungstechniken, Körpergefühl, Selbstwahrnehmung zu trainieren. Wenn gar nichts davon hilft, kann man in Einzelfällen auch eine Cannabinoid-Therapie testen, weil Cannabisprodukte auf muskuläre Verspannungen lindernd wirken können."

Eine solche Therapie darf allerdings nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Dr. Stefan Junger, Schmerztherapeut in der Schmerzambulanz Klinikum Stuttgart (Foto: SWR)
Dr. Stefan Junger, Schmerztherapeut in der Schmerzambulanz Klinikum Stuttgart

Fazit zum Thema Schmerzmittel

  • Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte immer zuerst mit seinem Arzt Rücksprache halten und sich die Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel durchlesen - bei frei verkäuflichen Schmerzmitteln ebenso wie bei verschreibungspflichtigen Medikamenten.
  • Bei Schmerzmitteln gilt grundsätzlich: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Schmerztabletten sollten generell nicht als Problemlösung gesehen werden, sondern nur als eine kurzfristige Schmerzlinderung. Die Ursache der Schmerzen kann nur zusammen mit einem Arzt herausgefunden werden.
  • Wichtig ist auch Eigeninitiative: Wenn Patienten ein Schmerzmittel schon lange auf Anraten des Arztes einnehmen, sollten sie regelmäßig dort nachfragen, ob das Medikament noch gebraucht wird oder möglicherweise abgesetzt werden kann.

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