An der über 1.200 km langen Strecke liegen unter anderem Quebec oder Moncton, vor allem aber der riesige Sankt Lorenz Strom, an dessen Ufer wir mehrere Stunden entlang fahren. Eine Reise von der größten kanadischen Provinz Quebec zu den gut 15 mal kleineren New Brunswick und Nova Scotia, die mit Ontario zusammen als die vier Gründungsprovinzen Kanadas gelten.
Die Reise beginnt am frühen Abend in Montreal und dauert knapp 24 Stunden. Zur Nacht werden die Abteile mit herunterklappbaren Betten zum Schlafzimmer. Mahlzeiten werden im Speisewagen eingenommen und in den beiden Barwagen wird kostenloses WLAN angeboten, dem Fahrgast fehlt es an nichts. Am Ende des Zuges fährt ein sogenannter Domcar, aus dessen verglaster Kanzel man einen faszinierenden Blick über den Zug und in die Landschaft hat.
Québec, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, wird erreicht, wenn es dunkel geworden ist. Nur in der Provinz Quebec ist Französisch die alleinige Hauptsprache. New Brunswick dagegen ist die einzige offiziell zweisprachige Provinz Kanadas. In Quebec fasziniert das Nachtleben. Ende Juni wird der Johannistag gefeiert, Nationalfeiertag der Frankokanadier. Besonderes Wahrzeichen der Stadt am St. Lorenzstrom ist das Hotel Frontenac, das 1893 im Auftrag der Canadian Pacific Railway gebaut wurde. Der Zug überquert den St. Lorenz-Strom auf einer großen Stahlgitterbrücke. Während der 15 jährigen Bauzeit stürzte die Konstruktion zweimal ein und wurde schließlich 1919 eröffnet. Sie hat eine Spannweite von 576 m und ist die größte Ausleger-Fachwerkbrücke der Welt.
In New Brunswick begrüßt die Morgensonne den Zug, die Frühaufsteher genießen mit einem Kaffee den Blick aus dem Dom-Car. Von 1754 bis 1763 kämpften Großbritannien und Frankreich in Nordamerika um die koloniale Vorherrschaft. Frankreich unterlag. Vor allem die im 17. Jhd. nach Nova Scotia eingewanderten, aus Frankreich stammenden Akadier hatten sehr unter dieser Niederlage zu leiden. Sie widersetzten sich der Aufforderung sich der britischen Krone zu beugen und wurden deportiert, Familien wurden zerrissen und über ganz Nordamerika verstreut. 2000 von ihnen versteckten sich viele Jahre in den Wäldern von New Brunswick und sind die Ahnen der heute dort lebenden Akadier. Die Kultur dieses Volkes ist heute sehr lebendig und man sieht in vielen Dörfern an der Atlantikküste von New Brunswick die akadische Fahnen: die Trikolore mit einem goldenen Stern. Eine akadische Schmuckdesignerin fertigt nach indianischen Vorbildern Wampum aus Muscheln. Diese Schmuckstücke dienten in früher Vorzeit u.a. auch als Tauschwährung.
Im Dom-Car des "Ocean" erklärt der Fahrgastbetreuer Joe den Reisenden, wie Lobster mit Fallen gefangen werden. An den Küsten sind die Fischer jeden Tag unterwegs um ihren Fang einzuholen. Aber wie isst man einen Lobster? In einem kleinen Restaurant in Miramichi zeigt Reiselieter und Musiker Paul das man bis auf den Panzer und einige Innereien alles dieser großen Hummer essen kann.
In Moncton lohnt sich ein Zwischenstopp. Besonders bekannt sind die Hopewell Rocks, von den Gezeiten ausgewaschene Felsen. Ebbe und Flut bieten hier ein besonderes Schauspiel. Der Tidenhub ist bis zu 14 Meter. Wo man am Vormittag noch trockenen Fußes am Strand spazierte, steht am Nachmittag meterhoch das Wasser und Urlauber fahren in Kanus durch die Felsentore.
Ein Abstecher führt uns ins Eisenbahnmuseum von New Brunswick, eine kleine aber liebevoll gepflegte Sammlung vieler Devotionalien aus der regionalen Bahngeschichte. Ein wahrhaft lebendiges Museum ist das Historische akadische Dorf. In den Sommermonaten leben tagsüber Frauen und Männer in traditioneller Weise in den vielen alten Gebäuden des Freilichtmuseums. Alle Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände werden im Dorf selber hergestellt. Die Gebäude stamme aus dem 17., 18. Und 19. Jhd. Im „modernen Teil befinden sich eine Tankstelle, ein Bahnhof und ein Hotel, in dem sogar Zimmer im Stil der 20er Jahre gebucht werden können. Die Mittagsmahlzeiten werden von den Hausbewohnern selber zubereitet und Besucher können sich gerne mit an den Tisch setzen und von den Speisen aus alten Zeiten kosten.
Halifax ist die Hauptstadt der Provinz Nova Scotia. Durch die Lage am Atlantik wurde die Hafenstadt schnell zu einem Zentrum der Einwanderung aus Europa nach Kanada. Vor allem von 1920 bis 1970 kamen viele Immigranten mit dem Schiff am Pier 21 an. Hier wurden die Formalitäten erledigt und die Reise in die neue Heimat ging mit der Bahn weiter. Beachtenswert ist, dass die großen Bahngesellschaften Canadian Pacific Railway und Canadian Nation Railway eigene Dampfschiffe unterhielten und über Anwerbebüros in Europa Einwanderer nach Kanada holten.
Es ist nun noch ein kurzer Sprung bis nach Peggy’s Cove. Auf den sandfarbenen Felsen steht er, der wohl bekannteste Leuchtturm Kanadas. Er ist weiß-rot gestrichen, nicht groß, kündet aber vom Selbstbewusstsein einer Nation, die stolz ist auf all die Menschen, die in den letzten vier Jahrhunderten dieses Land geprägt haben.
(ESD: arte 03.10.2014)