Älterer Mann in beiger Kleidung sitzt am Krankenbett einer weißhaarigen Frau mit geschlossenen Augen und Schläuchen in der Nase. Welche Dokumente sollte jeder von uns vorbereiten? Alles Wichtige zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung plus Neuerungen im Betreuungsrecht seit 1. Januar 2023. (Foto: Colourbox, Colourbox)

Neues Betreuungsrecht

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht 2023: Das ist neu für Paare und Familien

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AUTOR/IN
Jens Schreglmann
Sola Hülsewig
ONLINEFASSUNG
Heidi Keller

Welche Dokumente sollte jeder von uns vorbereiten? Alles Wichtige zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung plus Neuerungen im Betreuungsrecht seit 1. Januar 2023.

Inhalt:

Darum sind Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung wichtig
Unterschied Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung
Broschüre des BMJ zum Betreuungsrecht
Vorsorgevollmacht: Das muss rein
Bankvollmacht erstellen?
Rechtliche Betreuung: Neuerungen seit 1. Januar 2023

Niemand denkt gerne darüber nach, es kann aber jeden treffen: Durch einen Unfall, eine Krankheit oder altersbedingt ist man plötzlich nicht mehr in der Lage, die eigenen Angelegenheiten zu erledigen.

Liegt in so einem Fall keine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung vor, wird vom Betreuungsgericht eine fremde Betreuungsperson bestellt – zumindest war das bis vor Kurzem prinzipiell so. Seit Januar 2023 gibt es hier jedoch eine gesetzliche Neuerung, den Paragraf 1358 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) betreffend:

Die sogenannte Ehegattennotvertretung legt fest, dass Ehegatten und eingetragene Lebenspartner im Notfall ein gegenseitiges Vertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten sowie bei „kurzfristig freiheitsentziehenden Maßnahmen“ haben – wenn keine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung anderen Inhalts vorliegt. Mit kurzfristig freiheitsentziehenden Maßnahmen sind etwa die Fixierung des Patienten, ruhigstellende Medikamente, aber auch beispielsweise ein Bettgitter gemeint.

Unscharf im Hintergrund zu sehende, mittelalte Person mit Brille liest Broschüre über Vorsorge. Neues Betreuungsrecht 2023: Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, gesetzlicher Betreuer (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Grundsätzlich sollte sich jeder und jede volljährige Erwachsene mit dem Thema Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung beschäftigen.

Die Neuerung im Betreuungsrecht erleichtert sicherlich für viele Paare zunächst einmal einiges. Dennoch haben Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung nichts an ihrer Wichtigkeit eingebüßt. Hier die Gründe:

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung: nach wie vor essenziell

  • Das Notvertretungsrecht läuft nach sechs Monaten aus. Bin ich dann immer noch nicht wieder geschäftsfähig, wird vom Gericht ein Betreuer bestellt.
  • Das Notvertretungsrecht bezieht sich nur auf Ehegatten und eingetragene Lebenspartner. Andere nahe Angehörige - wie beispielsweise Eltern oder Kinder - haben in solchen Fällen nach wie vor keine Rechte.
  • Das Notvertretungsrecht betrifft nur gesundheitliche Angelegenheiten. Der gesunde Ehegatte oder Lebenspartner ist nicht befugt, Verträge des handlungsunfähigen Partners zu kündigen, finanziellen Forderungen, zum Beispiel von Behörden, in seinem Namen nachzukommen oder seinen Besitz zu verkaufen.

Ausnahmen beim Notvertretungsrecht durch Ehegatten

Wenn das Ehepaar oder die Lebenspartner getrennt leben, greift das Notvertretungsrecht nicht. Personen, die ausschließen wollen, dass der Partner oder die Partnerin sie im Ernstfall vertritt, können dem Notvertretungsrecht widersprechen und den Widerspruch beim Zentralen Vorsorgeregister (ZVR) hinterlegen.

Unterschied Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung

Mit einer Vorsorgevollmacht sorgen Sie dafür, dass eine von Ihnen bestimmte Person Ihre Angelegenheiten regeln kann, wenn Sie selbst nicht mehr dazu in der Lage sind. Als Bevollmächtigte sollte nur eine Person ausgewählt werden, der Sie zu 100 Prozent vertrauen. Es ist außerdem sinnvoll, die Vollmacht mit der oder dem Bevollmächtigten zu besprechen und sie oder ihn das Dokument ebenfalls unterzeichnen zu lassen.

Die Vollmacht kann auch auf mehrere Personen verteilt werden, ebenso können einzelnen Personen bestimmte Befugnisse zugeordnet werden. Wenn mehrere Personen eine Aufgabe wahrnehmen können, sollten Sie jedoch darauf achten, dass jede Person auch alleine entscheidungsbefugt ist – ansonsten müssen immer alle Bevollmächtigten einig sein und entscheiden. Sind sie uneins oder ist jemand nicht erreichbar, kann nicht gehandelt werden.

Mit einer Betreuungsverfügung kann man dem Betreuungsgericht bestimmte Personen als Betreuer vorschlagen. Im Grunde ist eine Betreuungsverfügung nicht unbedingt notwendig, wenn eine Vorsorgevollmacht existiert, schreibt die Verbraucherzentrale. Enthält sie jedoch Regelungslücken – beispielsweise, weil es Änderungen im Recht gab – muss für einzelne Entscheidungen möglicherweise doch ein Betreuer bestellt werden. Um diesen Fall sicher auszuschließen, sollte man trotzdem ergänzend eine Betreuungsverfügung verfassen.

In einer Patientenverfügung legt man fest, wie man in medizinischer Hinsicht behandelt werden möchte und welche Maßnahmen – vor allem am Lebensende – auf keinen Fall oder auf jeden Fall getroffen werden sollen.

Wenn Sie eine Patientenverfügung erstellen oder ändern wollen, sollten Sie sich im besten Fall mit ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin besprechen – er oder sie sollte Ihren Gesundheitszustand am besten kennen. Ärzte können auch darüber aufklären, was einzelne Regelungen in der Realität tatsächlich bedeuten können. Leider übernehmen die Krankenkassen die Kosten solcher Beratungsgespräche nicht.

Wie sollte eine Vorsorgevollmacht aussehen?

Die Vorsorgevollmacht muss schriftlich mit Namen, Geburtsdatum und Anschrift des Vollmachtgebers abgefasst werden. Dieser unterschreibt sie mit Angabe von Ort und Datum.

Die Verbraucherzentrale bietet hier die Möglichkeit, kostenlos online eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Hier kann man sich auch beraten lassen.

Vorsorgevollmacht: beglaubigen lassen?

Die Vollmacht muss nicht zwingend beglaubigt werden. Sie erhält damit aber unter Umständen eine höhere Akzeptanz im Rechtsverkehr. Wenn allerdings auch Grundstücksgeschäfte mit der Vollmacht abgedeckt werden sollen, ist eine Beglaubigung notwendig.

Die örtlichen Betreuungsbehörden beglaubigen für 10 Euro Unterschriften auf Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen. Allerdings erlischt diese Beglaubigung mit dem Tod des Vollmachtgebers – auch das ist eine Neuerung seit 2023.

Unter Umständen – wenn zum Beispiel großes Vermögen vorhanden ist – ist eine notarielle Beglaubigung sinnvoll.

Bankvollmacht trotzt Vorsorgevollmacht?

Eigentlich deckt die Vorsorgevollmacht Bankgeschäfte mit ab. Dennoch kommt es hier immer wieder zu Problemen. Um dem vorzubeugen, sollte man überlegen, zusätzlich zur Betreuungsvollmacht bei der jeweiligen Bank eine Bankvollmacht ausstellen zu lassen. 

Rechtliche Betreuung: Neuerungen seit 1. Januar 2023

Im neuen Betreuungsrecht werden dem Betreuten deutlich mehr Selbstbestimmung und Mitspracherechte eingeräumt. Es soll nicht länger das „Wohl“ des Betreuten – was immer Auslegungssache ist und Gelegenheit zu Missbrauch bietet – im Vordergrund stehen, sondern seine Wünsche. Diese müssen vom Betreuer ermittelt und befolgt werden.

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Abschotten und isolieren der betreuten Person schwieriger

So ist es mit dem neuen Gesetz beispielsweise nicht mehr so einfach möglich, eine Person zu isolieren und beispielsweise von Freunden und Familie abzuschotten. Besuchsverbote sind nach der neuen Gesetzgebung nur noch möglich, wenn die oder der Betreute explizit sagt: Ich will meinen Sohn, meine Tochter oder Person XY nicht mehr sehen.

Ist die oder der Betreute mit dem Betreuer unzufrieden, muss auch hier ihrem oder seinem Wunsch nachgekommen werden: Das Gericht muss einen anderen Betreuer bestimmen oder die gewünschte Bezugsperson - etwa Verwandte, Freunde et cetera - einsetzen.

Neu: Familie hat Recht auf Auskunft

Die Familie des Betreuten hat ab sofort auch einen Anspruch auf Auskünfte, beispielsweise was Diagnosen der Ärzte anbelangt.

Lesen Sie mehr zum Thema Neues Betreuungsrecht 2023 auf den Seiten des Bundesjustizministeriums.

Mehr Infos zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

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