Frau von hinten, die die Hände in den Rücken stützt. Rückenschmerzen im unteren Rücken: Iliosakralgelenk, ISG, Bandscheibenvorfall? Welche Übungen helfen? (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Iliosakralgelenks-Syndrom oder Bandscheibenvorfall?

Schmerzen im unteren Rücken: Was steckt dahinter, was hilft?

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Nina Rathfelder
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Sola Hülsewig

Rückenschmerzen können viele Ursachen haben. Wie unterscheiden sich die Symptome von Bandscheibenvorfall und Iliosakralgelenks-Syndrom (ISG)?

Probleme am Iliosakralgelenk: wie fühlt sich das an?

Woher genau starke Rückenschmerzen im unteren Rücken kommen, lässt sich manchmal auf Anhieb gar nicht so leicht erkennen. Die Ursache kann ein Bandscheibenvorfall sein – möglich ist aber auch das etwas weniger bekannte Iliosakralgelenk (ISG) als Ursprung der Probleme.  In beiden Fällen klagen Betroffene über tiefsitzende Rückenschmerzen, häufig mit Ausstrahlen in die Beine.

Es gibt jedoch ein paar Indizien, die auf das Iliosakralgelenk hinweisen können. Typisch für das ISG-Syndrom sind einseitige Schmerzen im unteren Rücken. Leistenschmerzen können eine Folge sein, wodurch langes Sitzen sehr unangenehm wird. Betroffene können den Schmerz häufig gut lokalisieren: Zwischen Wirbelsäule und Beckenkamm. Er tritt vor allem im Stehen, Sitzen und Aufstehen aus tiefer Sitzposition auf.

Verschlimmern sich die Schmerzen, können sie auf das ganze Kreuz und den kompletten Hintern ausstrahlen.

Was ist das Iliosakralgelenk?

Das Kreuz-Darmbein-Gelenk, auch Iliosakralgelenk (ISG) genannt, verbindet rechts und links von der Wirbelsäule das Kreuzbein mit den Beckenschaufeln. Es wird von straffen Bändern gehalten und kann nur kleinste Bewegungen ausführen. Das ISG überträgt aber die Kräfte von den Beinen auf die Wirbelsäule. Damit ist es ständig hohen Belastungen ausgesetzt. Verschiebungen, Entzündungen und Verschleiß können starke Schmerzen auslösen.

Probleme am Iliosakralgelenk sind dadurch praktisch der Preis für den aufrechten Gang des Menschen: Das Gehen auf zwei Beinen stellt per se eine ungünstige Belastung des Kreuzes dar. Langes Sitzen, eine schlechte Haltung, Übergewicht und eine unterentwickelte Rumpfmuskulatur wirken hier verstärkend.

Häufige Rückenschmerzen nach Schwangerschaft und Geburt

Frauen, die Kinder geboren haben, sind besonders häufig von Problemen mit dem Iliosakralgelenk betroffen. Orthopäde Dr. Christoph Ewald erklärt, warum: „Während der Schwangerschaft wird das ISG oder insgesamt die Gelenke im ganzen Körper hormonell aufgeweicht, damit die Kinder besser durch den Geburtskanal kommen.“ Diese Veränderung bilde sich nach der Schwangerschaft nicht wieder vollständig zurück. Dem entsprechend häufig treten Probleme mit lokalen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen auf, so Ewald.

Auch rheumatische Erkrankungen wie Morbus Bechterew oder Arthrose können für die Probleme mit dem Iliosakralgelenk verantwortlich sein.

Unterschiedlich lange Beine, schiefe Wirbelsäule

Und es gibt noch andere Ursachen für eine Funktionsstörung des ISG: „Das eine ist die Blockierung im Gelenk, wie zum Beispiel, wenn man eine Treppe übersieht und man muskulär nicht in der Lage ist, diesen Stoß abzufedern”, erklärt Dr. Christoph Ewald. Solche Blockaden könne man manuell durch Druckmassagen gut lösen.

Eine weitere Ursache kann in unterschiedlichen langen Beinen liegen – durch die Schieflage des Beckens ist die Kraftübertragung beim Laufen über das ISG gestört. Auch eine schiefe Wirbelsäure kann sich negativ auf das ISG auswirken.

Ob tatsächlich unterschiedlich lange Beine oder eine schiefe Wirbelsäule vorliegen, kann in Kliniken mittels einer speziellen Videomesstechnik analysiert werden, der sogenannten 4-D-Wirbelsäulenvermessung. Sie ist allerdings keine Kassenleistung sondern eine sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) und muss von Patienten selbst bezahlt werden – die Kosten liegen in der Regel bei etwa 100 Euro. Marktcheck-Gesundheitsexperte Lothar Zimmermann sieht IGeL generell kritisch und empfiehlt die Maßnahme nur in Einzelfällen.

Unterschiede ISG-Syndrom und Bandscheibenvorfall

Die Symptome des ISG-Syndroms ähneln stark denen eines Bandscheibenvorfalls – die meisten Bandscheibenvorfälle ereignen sich im Bereich der Lendenwirbelsäule.

Bei einem Bandscheibenvorfall kommt es oft zu neurologischen Symptomen, weil Gewebe auf Nerven drückt. Typisch ist zum Beispiel ein Taubheitsgefühl oder ein Kribbeln im Bein, wobei sich das Bein wie eingeschlafen anfühlen kann.

Solche Symptome sind umgekehrt für ein ISG-Syndrom eher untypisch. Betroffene berichten hier meist von Schmerzen auf einer Seite, die in den Po und den seitlichen hinteren Oberschenkel ausstrahlen können. Bei einem Bandscheibenvorfall treten die Schmerzen in der Regel an der Wirbelsäule auf.

Schmerzmittel nehmen bei Rückenschmerzen?

Bei heftigen Rückenschmerzen sei es besonders wichtig, sich vom Arzt Schmerzmittel verschreiben zu lassen und diese auch einzunehmen. Wer meint, die Schmerzen lieber noch etwas erdulden zu müssen, riskiere, in eine Schonhaltung zu gehen, die das Problem verschlimmern könne, erklärt Lothar Zimmermann: Auch wenn es zunächst paradox erscheine und man das Gefühl habe, man müsse sich schonen, sei es wichtig, in die Bewegung zu gehen.

Übungen und Physiotherapie bei ISG-Syndrom

Als erste Möglichkeit, Rückenprobleme in den Griff zu bekommen, bieten sich konservative Behandlungsmöglichkeiten an: Gezielte Physiotherapie kann Bänder und Muskulatur stärken und das Becken stabilisieren. Sind die Probleme (noch) nicht gravierend, helfen häufig schon einfache Übungen, die man zuhause machen kann.

Lesen Sie hier, wie sie Rückenschmerzen bekämpfen können, die durch zu langes Sitzen entstanden sind und wie Sie Ihren Arbeitsplatz rückenschonend gestalten:

Wärmeanwendungen, zum Beispiel mit einer Wärmflasche oder Wärmepflastern auf den betroffenen Stellen können ebenfalls Linderung bringen: Verspannte Muskulatur wird gelockert und die Durchblutung gefördert, wodurch Entzündungsstoffe schneller abtransportiert werden.

Neben Physiotherapie können auch Chiropraktik und Osteopathie bei Rückenschmerzen hilfreich sein, sagt Lothar Zimmermann.

Cortison-Spritzen ins Iliosakralgelenk

Wenn die konservative Therapie partout nicht anschlägt, können eventuell weitere Maßnahmen erwogen werden, zum Beispiel die Infiltration. Hierbei werden ein Lokalanästhetikum zu schnellen Schmerzlinderung sowie eine geringe Menge Cortison direkt in den Spalt des Gelenks gespritzt. Die Nadeln genau zu platzieren ist bei dieser Behandlung alles andere als einfach und erfordert besonderes Fingerspitzengefühl des Arztes sowie die parallele Kontrolle via Röntgenbild.

Diese Methode sei jedoch mit Bedacht zu wählen, sagt Marktcheck-Experte Zimmermann: Cortison kann den Knorpel schädigen – auch wenn im Iliosakralgelenk weniger Knorpel vorhanden ist als beispielsweise im Knie.

Versteifung des ISG oder Denervierung?

In seltenen Fällen wird das Iliosakralgelenk auch durch einen operativen Eingriff versteift. Das sei aber – genau wie die (temporäre) Stilllegung der Nerven am Gelenk durch Erhitzen – eine Behandlung, die nur im Notfall erwogen werden sollte, wenn alles andere nicht geholfen hat, meint Lothar Zimmermann.

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