Hand zeigt auf Zellen-Wucherung durch Hautkrebs auf Computerbildschirm (Foto: dpa Bildfunk, Bernd Wüstneck)

Bessere Heilungschancen

Krebs: Neue Immun- und Gentherapien geben Hoffnung

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Kristina Graß

Jährlich erkranken in Deutschland eine halbe Million Menschen erstmals an Krebs. Früher oft tödlich, bieten heute spezielle Immun- und Gentherapien mehr Hoffnung denn je.

Die Diagnose Krebs löst Angst und Hilflosigkeit aus. Doch dank neuer Behandlungsmethoden können inzwischen immer häufiger auch schwere Fälle geheilt werden. Wir erklären, wem die neuen Therapien helfen können.

So funktionieren Immuntherapien

Krebszellen sind in der Lage, sich vor dem Immunsystem zu verstecken - und können so ungehindert wuchern. Hier setzen moderne Therapieformen an. Die neuen Medikamente ermöglichen es den Zellen des Immunsystems, die Maskerade der Krebszellen zu durchschauen und sie anzugreifen - mit beeindruckendem Erfolg.

Was macht die Immuntherapie so erfolgversprechend?

Auch Professor Gerald Illerhaus wendet Immuntherapien an. Der Onkologe ist ärztlicher Direktor der Klinik für Hämatologie und des Stuttgart Cancer Center am Klinikum Stuttgart.

Er erklärt: „Das normale Immunsystem ist imstande, Zellen abzutöten, Krebsentstehung zu verhindern. Bei bestimmten Krebsarten wird genau dieses System gehemmt. Das heißt, die Krebszellen blockieren die normale Immunantwort. Diese Lymphozyten sind machtlos und können den Krebs nicht vernichten. Hier ist die Immuntherapie der Schlüssel zum Erfolg. Wir blockieren die Hemmung und haben damit das Immunsystem von der Leine gelassen. Und das ist eine fantastische Therapie.“

Checkpoint-Hemmer-Therapie

Gerade die Therapie mit Checkpoint-Hemmern gilt mittlerweile als Rettung bei Krebserkrankungen, die noch vor wenigen Jahren nur schlecht behandelbar waren.

Die Therapie nutzt die Fähigkeit spezieller Immunzellen, der sogenannten T-Zellen. Sie können krankmachende Zellen zerstören. Damit gesunde Körperzellen verschont bleiben, geben sich diese mit einem speziellen Eiweiß auf der Zelloberfläche zu erkennen, Checkpoint genannt.

Mit solchen Checkpoints können sich aber auch Krebszellen hinter einem Schutzschild verstecken. Mit der Immuntherapie durch Checkpoint-Inhibitoren werden diese falschen Checkpoints blockiert. So können T-Zellen auch wieder Krebszellen zerstören.

In unserem Fallbeispiel wird ein Patient mit Nierenzellkrebs und Lungenmetastasen behandelt. Der Tumor in der Niere wird zwar erfolgreich operativ entfernt, doch die Metastasen in der Lunge sind nur schwer behandelbar. Weder Chemo- noch Strahlentherapie helfen. Dank der Immuntherapie nimmt das Immunsystem des Patienten jedoch den Kampf gegen den Krebs wieder auf.

Diese spezielle Art der Immuntherapie gegen Krebs wird als Infusion mindestens einmal im Monat verabreicht, in der Regel über mehrere Jahre als Dauertherapie. Ob sie anschlägt, sieht der Arzt aber sofort. In unserem Fallbeispiel sind die Lungenmetastasen erst geschrumpft – und nach eineinhalb Jahren nicht mehr im CT zu sehen.

Mögliche Nebenwirkungen der Immuntherapie

Eine typische Nebenwirkung der Immuntherapie können etwa starke Hautprobleme sein. Diese Reaktion durch das überaktive Immunsystem kann auch lebensbedrohlich werden. In unserem Fallbeispiel wurde die Therapie deshalb nach zwei Jahren abgebrochen. Der Krebs kam dennoch nicht zurück.

Professor Illerhaus weiß mittlerweile aus Studien, „dass, wenn wir die Therapie wegen insbesondere dieser Immunnebenwirkungen abbrechen müssen, die Patienten keine schlechtere Prognose haben.“ In sechs Monaten kommt der Patient zur nächsten Kontrolle. Er muss auch keinerlei Medikamente mehr einnehmen - ein großer Erfolg der Immuntherapie.

Prognosen nach Immuntherapie deutlich besser

Früher waren die Prognosen viel schlechter. Professor Illerhaus sagt: „Beim Nierenzellkarzinom war eine metastasierte Situation ein Todesurteil. Durch die Immuntherapie, die Checkpoint-Inhibition, ist die Therapie komplett revolutioniert worden, und wir können jetzt Patienten langfristig heilen.“ Früher lag die Fünf-Jahres-Überlebensrate im metastasierten Stadium bei zwei Prozent. „Jetzt liegen wir bei um die 50 Prozent.“ Immerhin jeder zweite Patient bleibt also längerfristig tumorfrei.

Weitere geeignete Krebsarten für Immuntherapien

An Nierenzellkarzinom und Schwarzem Hautkrebs wurden Immuntherapien als erstes eingesetzt. Mittlerweile werden auch das Lungen- und Harnblasenkarzinom sowie verschiedene Kopf-Hals-Tumore behandelt. Sind bestimmte biologische Voraussetzungen gegeben, können beliebige Tumoren mit ähnlichen Eigenschaften mit Immuntherapien bekämpft werden. Immuntherapien begleiten mittlerweile die gesamte Krebsmedizin - bei Lymphomen, Leukämien, aber auch bei soliden Tumoren.

Professor Illerhaus schätzt, in seiner Klinik erhalte etwa jeder zweite Patient eine Immuntherapie. Zum Teil wird dabei die Immuntherapie mit Chemo- oder Strahlentherapie kombiniert. Die Ergebnisse sind überwiegend sehr gut.

Verträglichkeit im Vergleich zur Chemotherapie

Chemotherapien haben fast immer Nebenwirkungen - manchmal wenig, manchmal starke. Die Immuntherapie werde überwiegend gut vertragen, berichtet der Onkologe.

Bei einem kleinen Quantum von 20 Prozent der Patienten treten sogenannte Auto-Immun-Reaktionen auf - die Immuntherapie agiert gegen körpereigene Strukturen. Das Zielorgan können die Haut, der Darm mit Durchfällen oder die Lunge mit einer leichten Lungenentzündung sein. Daher sollten erfahrene Onkologen den Patienten begleiten. Meist kann eingegriffen werden, etwa mit Cortison.

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Gentechnik in der Krebstherapie: CAR-T-Zell-Therapie

Fortschritt in der Krebstherapie heißt auch, neue Ansätze miteinander zu verbinden - zum Beispiel die Immuntherapie mit der Gentechnik. Besonders viel Hoffnung wird in eine Gentherapie mit so genannten CAR-T-Zellen gesetzt.

Die körpereigenen Abwehrzellen werden im Labor gentechnisch so verändert, dass sie im Idealfall nach einmaliger Gabe dauerhaft den Krebs vernichten können. Angewendet wird die Therapie bei Blut- bzw. Lymphdrüsen-Krebserkrankungen. Sie hat die Heilungschancen massiv verbessert.

Wenn die Chemotherapie nicht wirkt

Im Fallbeispiel schlägt bei einem aggressiven Lymphdrüsenkrebs am Hals eine fünffache Chemotherapie-Behandlung in der Uniklinik Heidelberg nicht an. Der Krebs wächst rasant weiter.

Das Heidelberger Team um Dr. Maria-Luisa Schubert, Hämatologin und Onkologin, gibt nicht auf und versucht es mit der neuartigen Gentherapie, der CAR-T-Zelltherapie. Die veränderten Immunzellen des Patienten sollen lebenslang im Körper erhalten bleiben als sogenannte Gedächtnis-CAR-T-Zellen.

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So funktioniert die CAR-T-Zelltherapie

Bei den Patienten werden mit einer Blutwäsche, Leukapherese genannt, die im Blut enthaltenen Immunabwehrzellen herausgefiltert. Die daraus gewonnenen T-Zellen werden im Labor gentechnisch so verändert, dass sie einen besonderen Rezeptor auf ihrer Oberfläche bilden: den chimären Antigenrezeptor, kurz CAR genannt.

Diese veränderten Immunzellen erhalten die Patienten in der Regel mit nur einer einzigen Infusion in ihr Blutsystem zurück. Mit ihrem neuen Rezeptor, ähnlich einem Greifarm, können CAR-T-Zellen nun Krebszellen im Körper aufspüren und vernichten. In unserem Beispielfall war der Lymphdrüsenkrebs nach einem halben Jahr verschwunden.

Nebenwirkungen der CAR-T-Zelltherapie

Die Therapie kann jedoch durch das aktivierte Immunsystem erhebliche Nebenwirkungen haben – etwa Entzündungsreaktionen und Fieber oder Störungen des Nervensystems. Auch wenn die Infusion selbst nur wenige Minuten dauert, kann dennoch ein mehrwöchiger Klinikaufenthalt zur Überwachung notwendig werden.

Dr. Maria-Luisa Schubert ist dennoch begeistert. „Die CAR-T-Zellen haben die Therapielandschaft von bösartigen Bluterkrankungen, Blutkrebs oder Lymphdrüsenkrebs revolutioniert.“ Eine Remission werde zwar nicht bei jedem Patienten erreicht, aber bei einem Großteil der Patienten, für die es vorher nicht unbedingt Therapiemöglichkeiten gab.

Noch ist diese Art der Immuntherapie nur zugelassen, wenn vorherige Therapien nicht anschlagen. Die CAR-T-Zelltherapie ist erst seit zwei Jahren zugelassen. Die Kliniken, die sie anwenden, müssen besondere, hohe Anforderungen erfüllen.

Impfung: Krebstherapie mit mRNA-Impfstoffen

Eine weitere moderne Krebstherapie, die auch eine Immuntherapie ist, ist die mit mRNA-Impfstoffen - vielen seit Corona ein Begriff. MRNA-Impfstoffe sollen im Körper die Zellen umprogrammieren und letztendlich bestimmte Eiweißmoleküle präsentieren, die bestimmte Immunreaktionen zustande bringen.

Momentan laufen dazu erste Studien. Die Studien zeigen bereits Erfolge, etwa bei Magen-Darm-Tumoren und anderen Krebserkrankungen. In den nächsten Jahren sollen die ersten Zulassungen kommen, etwa bei Darmkrebs in frühen Stadien, wo ein hohes Risiko besteht, dass er später metastasiert. Der Impfstoff soll diese Rezidiv-Quote minimieren.

Wie groß sind die Heilungschancen bei Krebs derzeit?

Etwa zwei Drittel der Patientinnen und Patienten mit Krebs können heutzutage geheilt werden. Die Heilungsraten steigen. Das liegt zum einen an der neuen, modernen Medizin – mit den neuen zielgerichteten Therapeutika oder der Immuntherapie.

Ein entscheidender Punkt ist aber zum anderen, dass die Krebsmedizin sich gewandelt hat - hin zu interdisziplinären Diskussionen, zertifizierten Zentren, teambasierten Behandlungskonzepten nach besten Leitlinien.

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Jedes Jahr wird das überprüft von der Deutschen Krebsgesellschaft, die sogenannte Zertifizierung der onkologischen Zentren. Dabei werden die Kliniken auf den Prüfstand gestellt. Statistiken zeigen, dass die Erfolgschancen in diesen Zentren größer sind.

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