Ein älterer Mensch mit Gicht streckt seine Hand aus. Die durch einen Gichtanfall schmerzenden Gelenke sind rot markiert. Gichtknoten sind noch keine zu sehen.

Stechende Gelenkschmerzen

Mythos aufgeklärt: Gicht wird oft nicht durch schlechte Ernährung ausgelöst

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Heike Scherbel
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Anna Macho

Schlechte Ernährung, Alkohol und Übergewicht galten lange als Auslöser für Gicht. Welche andere Ursache Gichtanfälle meist haben und wie Gicht richtig behandelt wird.

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Verursacht eine schlechte Ernährung Gicht?

Fleisch, Alkohol und Übergewicht galten lange als Auslöser für Gicht. Weil sich früher nur Wohlhabende solche Lebensmittel leisten konnten, nannte man sie auch die Krankheit der Könige. So sollen Ludwig XIV. und auch Friedrich der Große an Gicht gelitten haben.

Bis heute müssen Gicht-Patienten gegen Vorurteile kämpfen. Dabei haben Forschende herausgefunden, dass die Ernährung eine vergleichsweise geringe Rolle spielt. Häufig verursachen Stoffwechselerkrankungen Gicht.

Neue Studien: Genetische Stoffwechselerkrankungen können Gicht auslösen

Nach neuem Forschungsstand erkranken die meisten Menschen nicht wegen schlechter Ernährung an Gicht, sondern durch genetische Veranlagung. “Menschen mit einer besonders starken genetischen Veranlagung für Gicht haben eine geschätzt 100-fach höhere Chance, an Gicht zu leiden, als Menschen mit einer besonders niedrigen erblichen Veranlagung,” erklärt Professorin Anna Köttgen vom Uniklinikum Freiburg. Eine gemeinsame internationale Studie von 2019 zeigt, dass 183 Genorte Einfluss auf den Harnsäurespiegel und damit auf Gicht haben.

“Ursache der Gicht ist bei den allermeisten Patienten eine genetische Stoffwechselerkrankung. Und zwar eine Ausscheidungsschwäche der Niere für die Harnsäure.”

Woher kommt zu viel Harnsäure im Blut?

Harnsäure entsteht beim Abbau von sogenannten Purinen. Purine sind Bestandteile menschlicher Zellen, werden aber auch über die Nahrung aufgenommen. Die Harnsäure wird über die Nieren ausgeschieden. Dieser Ausscheidungsprozess ist bei den meisten Gichtpatienten genetisch bedingt gestört. Dann bleibt zu viel Harnsäure im Blut.

Verschiedene Lebensmittel der purinarmen Ernährung, die oft bei Gicht zur Senkung der Harnsäurewerte empfohlen wird, liegen nebeneinander: Auf einem Teller Fleisch und Fisch, daneben Alkohol und Schokolade, Pilze und verschiedene Samen.
Unterschiedliche Lebensmittel enthalten unterschiedlich viel Purine: Auf einem Teller Fleisch und Fisch, daneben Alkohol und Schokolade, Pilze und verschiedene Samen.

Übersteigt die Harnsäurekonzentration einen Wert von etwa 6 mg/100 ml, bilden sich Harnsäurekristalle. Diese lagern sich in der Gelenkhaut ab. Die Folge: ein Gichtanfall und starke Schmerzen.

Symptome von Gicht

Männer haben den ersten Gichtanfall meist mit etwa 45 Jahren, Frauen oft erst nach der Menopause. Typische Symptome von Gicht sind entzündete, auch geschwollene und gerötete Gelenke. Bei einem Gichtanfall kommen plötzliche, stechende Schmerzen in den Gelenken hinzu. Bleibt Gicht unbehandelt, bilden sich sichtbare "Gichtknoten", sogenannte Tophie, an den Gelenken.

Harnsäurewerte durch Ernährung senken: Diäten können Gicht verschlimmern

Weil schlechte Ernährung lange als Ursache für Gicht gehalten wurde, haben Ärzte ihren Gichtpatienten oft zu Ernährungsumstellungen und Diäten geraten. Neue Erkenntnisse zeigen, dass gerade bei Diäten Gichtanfälle besonders häufig sind. Durch falsche Diäten kommt es zu einem Fett- und Muskelverlust und besonders viele körpereigene Purine müssen abgebaut werden. Dadurch steigt die Harnsäurekonzentration an, und die Gichtanfälle verstärken sich.

Menschen mit Gichtveranlagung sollten allerdings trotzdem Alkohol meiden. Besonders Bier enthält viele Purine. Zudem behindert der Alkohol zusätzlich die Harnsäure-Ausscheidung über die Niere.

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Gicht mit Medikamenten richtig behandeln

Mit einer speziellen Ernährungsumstellung alleine, die sogenannte purinarme Diät, können Gichtpatienten ihre Harnsäure-Werte um etwa fünf bis zehn Prozent senken. Das ist nicht ausreichend, um Gichtanfälle zu mildern. Die meisten Patienten brauchen daher als Ausgleich ihrer genetischen Störung eine medikamentöse Therapie. “Mit den gut verfügbaren Medikamenten ist das vollkommen unproblematisch”, erklärt Dr. Jürgen Rech vom Zentrum für Immuntherapie an der Uniklinik Erlangen.

Wirken herkömmliche Medikamente nicht, versuchen Ärzte mit speziellen Biopharmaka, die direkt in den Bauch gespritzt werden, die Entzündungen durch die Gicht zu lindern.

“Gichtschübe treten dann nicht mehr auf, weil die Entzündung kontrolliert wird. Das ändert natürlich nichts an der Ursache der Erkrankung.“

Forschung an neuen Medikamenten gegen Gichtanfälle

Am Uniklinikum Erlangen wird aktuell nach neuen Wirkstoffen für Medikamente gegen Gicht geforscht. Dazu wird untersucht, was im Körper passiert, wenn ein akuter Gichtanfall endet, warum die Entzündung bei manchen Patienten chronisch wird und sich bei anderen immer wieder auflöst. Dabei konnten die Forschenden beobachten, dass nach einem Gichtanfall spezielle Immunzellen die Entzündung verhindern. Sie bringen sich selbst zur Explosion und bilden so Netze, in denen sich die Entzündungsbotenstoffe verfangen.

„Der Entzündung wird der Stecker rausgezogen. Wenn alle entzündlichen Botenstoffe lokal nicht mehr da sind, weil sie abgebaut werden, dann gibt es keine Entzündung mehr.“

Bis aus dieser Erkenntnis eventuell eine Therapie entwickelt werden kann, dauert es allerdings noch Jahre.

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