Langzeitfolgen von Covid-19

Long Covid – wie groß ist die Gefahr durch Omikron?

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AUTOR/IN
Simone Schaumberger
ONLINEFASSUNG
Melis Boga

Betroffene leiden nach einer Covid-19-Erkrankung weiter unter Beschwerden wie Müdigkeit, Atemproblemen, Nieren- und Stoffwechselerkrankungen. Neue Erkenntnisse zu Long Covid.

Die Zahl der Covid-Erkrankten durch die neue Omikron-Variante steigt stetig und Betroffene hoffen auf eine schnelle Genesung. Doch für viele ist die Covid-Erkrankung nach endender Quarantäne und einem negativen Corona-Test noch lange nicht Geschichte. Konzentrationsstörungen, ein beeinträchtigter Geruchs- und Geschmacksinn und weitere Symptome bleiben oftmals – das sogenannte Long Covid.

Long Covid – Wer ist betroffen?

Forscher des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) kamen in einer Studie über Organveränderungen nach einer Covid-Erkrankung zu dem Ergebnis, dass auch milde Infektionsverläufe zu Long Covid führen können. So fanden sie zehn Monate nach der Infektion im Durchschnitt leichte Veränderungen an Herz, Lunge und Niere. Außerdem gab es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für eine Beinvenenthrombose.

Eine zweite Forscher-Gruppe aus Zürich konnte aufzeigen, dass schwere Covid-Verläufe zwar generell ein höheres Risiko für eine Long Covid-Erkrankung bedeuten. Neben der Stärke des Covid-Verlaufs stellten allerdings auch Alter und Nebenerkrankungen wie beispielsweise Asthma weitere Risikofaktoren für Long Covid dar.  

Die Rolle der Antikörper 

Antikörper sind im Blut zirkulierende Eiweiße, sogenannte Immunglobuline. Grundsätzlich werden sie vom Immunsystem gebildet, um Krankheitserreger oder Fremdstoffe abzuwehren. Die Forscher des Unispitals Zürich haben nun in ihrer Long-Covid-Studie festgestellt, dass bestimmte Antikörper eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung haben könnten. Zwei Antikörpertypen stehen im Fokus: Das Immunglobulin M und das Immunglobulin G3. Während das Immunglobulin M die erste Immunantwort darstellt und schnell an Viren binden kann - den Körper also recht schnell gegen das Corona-Virus wappnet - gelangt es aufgrund seiner Größe nicht in das feinere Gewebe. An dieser Stelle übernimmt das Immunglobulin G3, das auch in unseren Lungen Virenpartikel abfangen kann.  

Grundsätzlich nimmt der Spiegel des Immunglobulins M mit dem Alter ab. Doch die Wissenschaftler stellten in ihrer Studie fest, dass auch jüngere Long-Covid Patienten niedrigere Immunglobulin M und G3 Spiegel aufwiesen - und das zum Teil bereits vor ihrer Corona-Erkrankung. Ihre Vermutung: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Höhe der beiden Antikörperspiegel im Blut und Long Covid. 

"Die Leute, die Long Covid entwickelt haben, hatten weniger Antikörper im Blut und das schon während der Erkrankung, aber auch sechs Monate später und ein Jahr später, denn diese bleiben sehr stabil. Das ist die Grundausstattung an Antikörpern, die die Leute haben. Und das war wirklich unterschiedlich zwischen diesen ohne Long Covid und mit Long Covid." 

Dr. Carlo Cervia, Studienautor am Universitätsspital Zürich
Dr. Carlo Cervia forscht am Universitätsspital Zürich.

Bei der Analyse von zahlreichen Blutseren haben die Züricher Forscher festgestellt, bei Asthma-Erkrankten ist der Antikörperspiegel des Immunglobulins G3 grundsätzlich niedriger. Ihre Erkenntnisse haben die Wissenschaftler gerade in einer Studie veröffentlicht. Sie könnte helfen, die Ursachen von Long Covid besser zu verstehen und künftig Risikogruppen besser zu schützen, beispielsweise mit einer weiteren Booster-Impfung.

Wie kommt es zu Long Covid?

Dr. Carlo Cervia, der federführend an der Antikörper-Studie mitarbeitet, zeigt drei Ursachen für eine Long Covid-Erkrankung auf:

Die erste Variante bestehe darin, dass das Virus bei den Patienten zu Körperschäden wie beispielsweise Organschäden geführt hat oder im Körper versteckt weiteragiert. Eine zweite Möglichkeit könnte eine fortdauernde Entzündung im Körper sein, die den Körper weiterhin stark belastet und sich als Long Covid äußert. Als letzte Option nennt der Forscher eine sogenannte Autoimmunität.

Unter Autoimmunität versteht man die Unfähigkeit des Körpers, seine Strukturbestandteile als "körpereigen" zu erkennen. Heißt in diesem Fall: Die zunächst gegen das Virus gebildeten Antikörper greifen körpereigene Zellen an.

Ob sich eine Autoimmunität bei Covid-Patientinnen und -Patienten entwickelt, sei offenbar abhängig vom Immunsystem eines Menschen, so Dr. Carlo Cervia. Die Entwicklung von Long Covid durch eine Autoimmunität zeige jedenfalls, "dass das Immunsystem wirklich ein Teil dieses Prozesses ist und dass gewisse Leute einen Nachteil haben, von Anfang an das Virus zu bekämpfen oder möglicherweise dann, dass das Immunsystem falsch reagiert."

Vorbeugung und Behandlung von Long Covid

Die Hamburger Wissenschaftler des UKE raten dazu, sich nach einer überstandenen Covid-Erkrankung nach sechs bis neun Monaten einer routinemäßigen Kontrolle zu unterziehen. Denn mit den Blutwerten von Herz und Niere kann festgestellt werden, ob mögliche Organschäden vorliegen.

Darüber hinaus ist es laut den Züricher Forschern ratsam, sich so gut wie möglich gegen einen schweren Covid-Verlauf zu wappnen. Das gelinge vor allem mithilfe einer Impfung. Ein milder Corona-Verlauf führe letztendlich auch zu einem geringeren Risiko für Long Covid. Somit helfe die Impfung auch gegen schwere Langzeitfolgen, schlussfolgern die Forscher. Es fehlen jedoch noch umfassende Daten mit geimpften Probanden, die möglicherweise weitere Fragen bezüglich Long Covid beantworten könnten.

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