Grüner Salat mit Radicchio und Grapefruit-Stücken liegt appetitlich angerichtet auf einem Teller. Bitterstoffe sind gesund! (Foto: Colourbox)

Grapefruit, Chicorée, Kohl

Bitterstoffe: Darum sind sie so gesund

Stand
AUTOR/IN
Nina Rathfelder
ONLINEFASSUNG
Sola Hülsewig

Bittere Geschmäcker sind häufig unbeliebt. Dabei sind bittere Lebensmittel in vielerlei Hinsicht gesund. Wo stecken viele gesunde Bitterstoffe drin?

Süß, sauer, salzig, umami (fleischig, herzhaft) und bitter: Bitter gehört zu den fünf Geschmacksrichtungen – und ist gleichzeitig die unbeliebteste. Bitter wird von uns zudem sehr intensiv wahrgenommen, das zeigt ein Blick auf die Geschmacksensoren auf der Zunge. Diese reagieren auf bitter deutlich intensiver als zum Beispiel auf einen süßen Reiz. Besonders viele Bitterrezeptoren sitzen außerdem ganz hinten auf der Zunge: ein körpereigenes Warnsystem. Auch deshalb nehmen wir bitter als unangenehm wahr - und meiden es eher.

Das sollten wir aber besser nicht tun, sagt Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl, denn Bitterstoffe sind sehr gesund: "Es gibt in vielen Organen Rezeptoren für Bitterstoffe. Und dort entfalten sie dann eine tatsächlich gesundheitsfördernde Wirkung." Bitterstoffe wirkten beispielsweise entzündungshemmend, verdauungsfördernd, das Immunsystem stärkend und blutzuckersenkend.

Rosenkohl, Rotkohl, Grünkohl, Radicchio, Senfsamen und Kümmel liegen in Schüsseln auf einer Holzplatte. Bitterstoffe sind gesund und stecken in vielen Obst- und Gemüsesorten. (Foto: Unsplash | Nadine Primeau)
In vielen Blattgemüsen, Salaten und Gewürzen stecken Bitterstoffe. Sie sind wichtig für die Gesundheit.

So wirken Bitterstoffe im Körper

Dr. Riedl: "Im Bereich des Darms bewirkten die Bitterstoffe eine vermehrte Ausschüttung von Verdauungssekret und auch eine Aktivierung der Insulinproduktion, was dann dazu führt, dass der Blutzuckerspiegel schneller wieder absinkt. Die Nahrung wird dadurch bekömmlicher und besser verdaut, das heißt, vom Körper besser verwertet."

Studien zeigen beispielsweise, dass auch der bittere Hopfen im Bier oder die im Kaffee enthaltenen Bitterstoffe positive Effekte auf die Magenaktivität haben.

Bitterstoffe sollen außerdem appetithemmend wirken: Sie helfen dabei, weniger zu essen. Dr. Matthias Riedl: "Bitterstoffe docken an den Darmzellen an, die das Hormon GLP-1 produzieren. Das bewirkt im Gehirn das Signal: Ich bin satt."

Helfen Bitterstoffe beim Abnehmen?

Auch das Verlangen nach Süßem oder einem Nachtisch können Bitterstoffe senken. Ob Bitterstoffe tatsächlich beim Abnehmen helfen können, dazu forscht Diabetologe Professor Matthias Laudes derzeit an der Universitätsklinik Kiel.

"Was wir zeigen konnten, ist, dass übergewichtige Menschen stärker bitter schmecken als schlanke Individuen. Und wir glauben, dass das einen Anteil daran haben könnte, dass die übergewichtigen Menschen dazu neigen, mehr energiereiche süße Speisen zu essen", erklärt Laudes.

"Die Besonderheit ist, dass wir in dieser Studie zeigen konnten, dass es nicht nur eine funktionelle Veränderung ist. Man kann durch Kernspin-Untersuchung nachweisen, dass auch strukturelle Gewebeveränderungen in den Gehirnarealen der Geschmacksempfindung auftreten."

Warum schmeckt uns Bitteres oft nicht?

Wenn bitter so gesund ist – warum meiden wir den Geschmack dann? Ein Grund könnte die evolutionäre Schutzfunktion sein: Pflanzen produzieren Bitterstoffe, um Fressfeinde abzuwehren. "Bitter" geht deswegen oft einher mit "giftig". Hinzu komme ein quasi sich selbst verstärkender Effekt, so Riedl: Bitter verschwindet zunehmend aus unserer Ernährung.

"Das Problem ist, dass wir in einer Umgebung leben, in der alles sehr stark gesüßt ist", erklärt der Ernährungsmediziner. Je weniger man ihn gewöhnt ist, desto empfindlicher reagiert man auf bitteren Geschmack. Durch Züchtung wurden viele ehemals bittere Gemüsesorten weitgehend von Bitterstoffen befreit. Bittere Pflanzenteile werden beim Kochen außerdem oft entfernt.

Lernen, bitter zu mögen

Die gute Nachricht: man kann die Toleranzgrenze hin zu mehr bitter auch gezielt wieder verschieben. "Es gibt den Mere-Exposure-Effekt. Das heißt, ich mag das, was ich gewohnt bin" erklärt Ernährungsexpertin Dagmar von Cramm. "Bei Kindern wissen wir: Erst nach 20-mal probieren haben Lebensmitteln eine Chance. Bei uns Erwachsenen ist das eigentlich nicht so viel anders." Sie empfiehlt, öfter mal gezielt bitteres Gemüse zu verwenden – zunächst einmal weniger, um die Dosis dann langsam zu steigern: "Und irgendwann werde ich es echt als Bereicherung empfinden - des Speisezettels und der Geschmacksnuancen."

Verschiedene violette Obst- und Gemüsesorten, wie Auberginen, Artichocken, Feigen und Pflaumen liegen auf dunkler Schieferplatte. Bitterstoffe sind gesund! (Foto: Unsplash | Bruna Branco)
In welchen Obst- und Gemüsesorten stecken wertvolle Bitterstoffe?

Gesunde Ernährung: Hier stecken Bitterstoffe drin

Lebensmittel wie Olivenöl oder Walnüsse enthalten von Natur aus Bitterstoffe. Außerdem sind folgende Lebensmittel reich an Bitterstoffen:

Gemüse und Salat:

  • Salate wie Endivien, Chicorée, Rucola, Radicchio
  • Kohlsorten: Grünkohl, Wirsing, Rosenkohl, Brokkoli
  • Grünes Blattgemüse wie Mangold und Spinat
  • Artischocken
  • Auberginen
  • Spargel
  • Fenchel
  • Sellerie
  • Radieschen

Kräuter:

  • Minze
  • Kerbel
  • Estragon

Gewürze:

  • Ingwer
  • Kurkuma
  • Senf
  • Lorbeer
  • Kümmel
  • Zimt
  • Anis

Obst:

  • Zitrusfrüchte wie Grapefruit, Zitrone oder Kumquat

Rezepte mit Bitterstoffen

Finden Sie hier Anregungen, wie man bittere Lebensmittel gesund und lecker in den Speiseplan einbinden kann:

Gesundes Essen statt Medikamente Senföle – natürliche Waffe gegen Erkältungen und Infekte

In Brokkoli, Radieschen, Pak Choi oder etwa Meerrettich stecken Senföle. Sie gelten als entzündungshemmend, antiviral und antibakteriell.

Doc Fischer SWR Fernsehen

5 gesunde Scharfmacher Scharfes Essen wärmt und unterstützt unser Immunsystem

Mit ihren gesundheitsfördernden Eigenschaften bekämpfen Scharfstoffe Infektionen und bringen Geschmack ans Essen.

Doc Fischer SWR

Gesundheit Wie esse ich richtig? – Neues aus der Ernährungsmedizin

Wie wir auf Nahrungsmittel reagieren, ist höchst individuell. Ernährungstipps, die für alle gelten, sind deshalb Unsinn. Wissenschaftler arbeiten bereits an „Präzisionsernährung“.

SWR2 Wissen SWR2

Stand
AUTOR/IN
Nina Rathfelder
ONLINEFASSUNG
Sola Hülsewig