Eigentlich sollte vieles einfacher und gerechter werden. Es zeichnet sich aber ein wildes Durcheinander bei der Grundsteuerreform ab.
- Unterschiede der Grundsteuerwerte in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland
- Problematik bei der Berechnung des Grundsteuerwerts
- Grundsteuerwert vom Finanzamt: Wie sollten Verbraucher reagieren?
- Einspruchsfrist nach Erhalt des Briefs
- Musterschreiben für Einspruch
- Eigenes Gegengutachten zum Grundsteuerwertbescheid
- Monatsfrist verstrichen – was ist noch möglich?
Große Unterschiede bei der Berechnung der Grundsteuer ergeben sich in erster Linie aus der Tatsache, dass die neue Grundsteuer auf der Grundlage des neuen Grundsteuergesetzes von 2019 sehr flexibel gestaltet ist. Sie lässt Gemeinden viele Freiheiten bei der konkreten Umsetzung.
Als Orientierung gibt es das Bundesmodell zur Berechnung des Grundsteuerwerts. Aber die Art und Weise, wie von Bundesland zu Bundesland und sogar von Gemeinde zu Gemeinde die Werte ermittelt werden, ist unterschiedlich. Außerdem haben die Gemeinden noch die Möglichkeit, durch einen Hebesatz ihr Grundsteueraufkommen anzupassen. So ergibt sich über ganz Deutschland hinweg ein großer Flickenteppich.
Für die Festsetzung des Grundsteuerwerts gibt es drei verschiedene Modelle:
- das Bundesmodell – nutzen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein. Hinzu kommen das Saarland und Sachsen mit eigenen Steuermesszahlen.
- das Flächenmodell (auch Ländermodell genannt) – mit unterschiedlichen fiktiven Bodenrichtwerten nutzen Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen.
- das Bodenwertmodell – nutzt nur Baden-Württemberg.
Dies hat zur Folge, dass bereits jetzt ein Grundstück samt Haus in jedem Bundesland einen anderen Grundsteuerwert hat.
So unterscheiden sich die neuen Grundsteuerwerte in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland
In Baden-Württemberg wird das sogenannte Bodenwertmodell angewendet, bei dem die Grundsteuer ausschließlich auf Basis der Grundstücksfläche und des Bodenrichtwerts berechnet wird. Die Bebauung des Grundstücks spielt dabei keine Rolle. Grundstücksfläche und Bodenrichtwert werden miteinander multipliziert. Mehr Infos zur BW-Grundsteuer.
In Rheinland-Pfalz wird die Grundsteuer auf der Grundlage des Bundesmodells berechnet, das neben dem Grundstückswert auch den Gebäudewert berücksichtigt. Übrigens: Auch im Saarland wird die Grundsteuer anhand fast identischer Faktoren wie in Rheinland-Pfalz errechnet. Mehr Infos zur RLP-Grundsteuer.
Diskussionen über die Berechnung des Grundsteuerwerts
Der größte Kritikpunkt bei der Berechnung des Grundsteuerwerts ist die Gewichtung des Bodenrichtwerts. Es ist nicht transparent einsehbar, wie dieser zustande kommt. Bodenrichtwerte werden von Gutachterausschüssen der Kommunen festgelegt. Somit ist das System nur auf den ersten Blick aussagekräftig.
Klar ist, dass sich die Werte rein auf Basis von Verkaufssummen dortiger Immobilien beziehen. Die betrachtete Zeitspanne ist dabei aber nur auf die letzten zwei Jahre begrenzt. Die Werte können als eine aktuelle Kaufpreissammlung gesehen werden. Problematisch: Die derzeit herangezogenen Werte sind in einer Hochphase der Preise entstanden, spiegeln daher vielerorts nicht den aktuell korrekten Wert wider.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass eng bebaute Grundstücke, beispielsweise große Wohnanlagen mit vielen Wohnungen und somit im Verhältnis vielen Eigentümerwechseln, oftmals höhere Bodenrichtwerte aufweisen als beispielsweise Gegenden mit Einfamilienhäusern, wo in den letzten Jahren kein so reger Eigentümerwechsel vorkam. Das macht die Bodenrichtwerte aktueller und damit in den meisten Fällen höher.
Dass diese Bodenrichtwerte regelmäßig überprüft und angepasst werden, ist eher ein theoretisches Szenario. Denn in den vergangenen Jahrzehnten passierte das nicht.
Diese Ungerechtigkeit ist vor allem in Baden-Württemberg extrem. Denn die Grundsteuer wird hier maßgeblich und ausschließlich auf Basis des Bodenrichtwertes ermittelt. Dagegen klagen mehrere Verbände wie zum Beispiel der Bund der Steuerzahler. Die Verbände finden es nicht in Ordnung, dass Eigentümer in Baden-Württemberg bei gleich großen Grundstücken die gleiche Grundsteuer entrichten müssen, egal ob dort eine Villa oder ein altes Häuschen steht.
Das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg in Stuttgart sagt hingegen, ihr Modell sei unter dem Strich einfacher und transparenter. Würden Faktoren wie Hausart, Alter und Fläche mitberücksichtigt, wäre das nach Ansicht der Behörde ebenfalls wieder fehleranfällig, potenziell ungerecht und ein noch größerer bürokratischer Aufwand. Das Land habe das Gesetz vor dem Erlass mit eigenen Experten auf Konformität geprüft. Andere Experten vertreten möglicherweise einen anderen Standpunkt.
Auch in Rheinland-Pfalz ist die Berechnung der Grundsteuer nicht immer fair. Denn neben dem Gebäudewert spielt auch hier der Bodenrichtwert eine tragende Rolle. In Berlin läuft derzeit ein Verfahren, das sich demnächst zur Musterklage entwickeln könnte. Diese Klage könnte dann bundesweit maßgeblich für den Umgang mit dem Bundesmodell gesehen werden.
Post vom Finanzamt: Grundsteuerwert und Grundsteuerwertbescheid
Nach der Abgabe der Grundsteuererklärung erhalten Grundstückseigentümer Post vom Finanzamt. Ganz wichtig: Das ist noch nicht der endgültige Grundsteuerbescheid. Dieser kommt erst Mitte/Ende 2024, nachdem die Kommunen die Hebesätze festgelegt haben.
Für den Grundsteuerwertbescheid des Finanzamts wird die Größe des Grundstücks in Quadratmetern mit dem sogenannten Bodenrichtwert multipliziert. Wenn zum Beispiel das Grundstück 500 Quadratmeter groß ist und der Bodenrichtwert bei 400 Euro liegt, beträgt der Grundsteuerwert 200.000 Euro. Dieser Wert wird dann mit der jeweils gültigen Steuermesszahl multipliziert, und im Anschluss kommt der gemeindespezifische Hebesatz oben drauf.
Einspruchsfrist gilt einen Monat nach Erhalt des Briefs
Wer mit den Werten einverstanden ist, muss theoretisch nicht reagieren. Experten halten den Grundsteuerwertbescheid in Baden-Württemberg, aber auch in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, für zu intransparent. Einspruch einlegen kostet nichts. Dieser ist beim Finanzamt einzureichen und muss innerhalb eines Monats nach Eingang des Briefs erfolgen.
Anhand der derzeitigen Grundsteuerwertbescheide vom Finanzamt ist nicht absehbar, welche finanzielle Folgen am Ende auf Eigentümer zukommen, da die Hebesätze von Städten und Gemeinden noch nicht bekannt sind. Konkret bedeutet das: Eigentümer haben ab dem Erhalt des Bescheids vom Finanzamt einen Monat Zeit, gegen einen Betrag Einspruch zu erheben, von dem noch gar nicht feststeht, wie hoch dieser sein wird. Daher die klare Empfehlung der Verbände: Gegen den Grundsteuerwertbescheid Widerspruch einlegen.
Gerade in Baden-Württemberg halten viele Experten die Erhebung des Bodenwerts als alleinige Basis für den Grundsteuerwert für verfassungswidrig. Unter den Aktenzeichen 8 K 2368/22 und 8 K 2491/22 laufen hierzu bereits Musterklagen gegen das Bodenwertmodell.
Auch in Rheinland-Pfalz empfiehlt sich der formelle Einspruch gegen den Bescheid. Eine Begründung kann bis zu einem Monat später nachgeliefert werden. Innerhalb dieser Zeit zeichnet sich gegebenenfalls ab, ob das Berliner Verfahren zur Musterklage wird.
Daher der Tipp für Eigentümer aus Bundesländern mit dem Bundesmodell: Zunächst einmal formell widersprechen, und eine Begründung später nachliefern.
Ein weiterer Grund, weshalb Eigentümer Einspruch einlegen sollten: Kommt es zu einer generellen Bewertungskorrektur – egal von welchem Modell – und wurde kein Einspruch eingelegt, ist es in der Regel nicht möglich, den Bescheid rückwirkend zu korrigieren, sondern nur ab dem Zeitpunkt, ab dem es eine generelle Änderung gibt. Da es derzeit kaum absehbar ist, wie lange die Reform der Grundsteuer dauert, kann es – ohne Einspruch – bedeuten, dass man die Grundsteuer möglicherweise ein paar Jahre auf Basis des jetzt neu festgesetzten Grundsteuerwerts bezahlen müsste.
Musterschreiben für den Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid
Der Verband der Steuerzahler bietet auf seiner Website ein Musterschreiben zum Einspruch in Baden-Württemberg an: Musterschreiben für BW.
Wichtig dabei: Dieses Musterschreiben sollte grundsätzlich nur verwendet werden, wenn es darum geht, den Grundsteuerwertbescheid mit der Begründung anzugreifen, dass das Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg verfassungswidrig ist.
Der Bund der Steuerzahler bietet außerdem auch einen Mustereinspruch für Eigentümer aus Bundesländern mit Bundesmodell an: Musterschreiben für Bundesmodell (+ Hinweise zum Einspruch).
Eigenes Gegengutachten zum Grundsteuerwertbescheid
Wer größere Bedenken hat, weil er der Ansicht ist, dass zum Beispiel der Bodenrichtwert grundsätzlich zu hoch angesetzt ist, kann zumindest in Baden-Württemberg - nicht aber in Rheinland-Pfalz oder Saarland - ein eigenes Gutachten erstellen lassen.
Hier müssen sich Verbraucher nach Angaben des Bundesfinanzministeriums nicht an die Monatsfrist halten. Das Gutachten kann auch noch zu einem späteren Zeitpunkt erstellt werden. Es muss von speziellen Zertifizierungsstellen ausgeführt werden. Einige Kommunen bieten diese Gutachten über die Gutachterausschüsse für 400 Euro an. Häufig sind sie jedoch teurer. Sie ermöglichen gegebenenfalls, den neu festgelegten Grundsteuerwert zu senken. Nachzuweisen ist mindestens ein um mehr als 30 Prozent abweichender, niedrigerer Wert. Weitere Infos hierzu bietet dieses Merkblatt.
Monatsfrist verstrichen – was ist noch möglich?
Wer die Monatsfrist für seinen Widerspruch verpasst hat, kann hoffen, dass es auf Basis der Musterklagen zu einer generellen Änderung der Ermessensgrundlage kommt. Dann ist damit zu rechnen, dass ein korrigierter Bescheid verschickt wird. Der gilt aber nicht rückwirkend. Zuviel gezahlte Steuer gibt es nicht zurück.
Übrigens betrifft die Grundsteuerreform perspektivisch auch Mieterinnen und Mieter. Denn die Grundsteuer ist über die Nebenkostenabrechnung vom Vermieter auf Mietende umlegbar. In Regionen, wo die Grundsteuer aufgrund der neuen Berechnungsbasis besonders hoch ausfallen könnte, könnte dies zusätzlich zu weiter steigenden Mietnebenkosten auf einem ohnehin bereits angespannten Mietmarkt führen.