Amaturenbrett mit Navigationsbildschirm im Auto. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Probleme mit dem Infotainment

Wenn die Elektronik spinnt: Seat, Skoda, Audi, VW

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Tamara Land, SWR Wirtschaftsredaktion (Foto: SWR, SWR)

Das Navi fällt aus, die Heizung schmiert ab. Das Infotainmentsystem des VW-Konzerns bereitet Autobesitzern riesige Probleme. Doch Werkstätten können die Fehler oft nicht beheben.

Häufig geht im Auto von Theo Schornstein gar nichts mehr. Navi, Telefon, Radio, Heizung, Klimaanlage, Einparkhilfe – alle Funktionen hängen am Infotainmentsystem seines Seat Ibiza. Doch das funktioniert oft nicht.

Der Ärger begann im November 2022. Da hatte Theo Schornstein den Ibiza seit gerade mal drei Monaten geleast. „Selbst vor der Haustür hat das Gerät nicht erkannt, dass ich zu Hause bin“, berichtet Theo Schornstein. Der Bildschirm habe sich nicht mehr bedienen lassen. Schornstein reklamiert den Mangel schriftlich. Der Wagen kommt in die Werkstatt – doch das Problem kann dort nicht behoben werden.

Software-Update verschlimmert die Probleme

Erst ein halbes Jahr später wird ein Software-Update aufgespielt. Die Probleme sind dadurch allerdings nicht beseitigt, im Gegenteil. Es sei zu immer mehr Navi-Ausfällen gekommen, erzählt Schornstein. Das Radio sei teilweise nicht nutzbar gewesen und wenn man den Schlüssel abgezogen habe, sei das Infotainment angeschaltet geblieben.

Viele VW-Marken von Elektronikproblemen betroffen

Theo Schornstein ist mit seinem Problem nicht allein. Im Internet finden sich jede Menge Beschwerden frustrierter Autobesitzer, die mit Infotainmentproblemen zu kämpfen haben. Nicht nur bei Seat.

Die Probleme gibt es auch bei anderen Marken aus dem VW-Konzern: Skoda, Audi, Volkswagen. Alle nutzen das gleiche Elektronik-System, den „Modularen Infotainment-Baukasten“ MIB. Und der fällt immer wieder aus: Monitore frieren plötzlich ein oder springen gar nicht erst an - oder sie fangen im Betrieb an zu flimmern.

Branchenexperte: Autos werden immer mehr zum Computer

Automobilwissenschaftler und Branchenexperte Stefan Bratzel hat dafür eine Erklärung. Die Autohersteller kämen mit der Software-Entwicklung nicht hinterher. Die hohe technische Komplexität, der Kostendruck und kurze Entwicklungszeiten würden immer häufiger zu Qualitätsproblemen führen.

Mit jeder neuen Fahrzeuggeneration steckt noch mehr Software im Auto. „Wenn man die Software-Entwicklung nicht im Griff hat, dann hat man ein Riesenproblem“, so Bratzel. Denn die Breite des Infotainments wachse und es werde zum kaufentscheidenden Merkmal. „Wenn das nicht funktioniert mit eigenen entsprechenden Entwicklungsabteilungen, braucht man tiefgehende Kooperationen.“, analysiert Bratzel.

VW will Software selbst entwickeln

Allerdings tut sich der VW-Konzern schwer, mit Partnern aus der IT-Welt zu kooperieren. Die Software-Entwicklung wolle man aus eigener Kraft stemmen, heißt es vom Konzern. Doch die Entwicklung kommt trotz milliardenschwerer Investitionen seit Jahren nicht wie gewünscht voran. Die Software-Probleme sind markenübergreifend so eklatant, dass VW-Chef Herbert Diess im Spätsommer 2022 unter anderem auch deswegen seinen Stuhl räumen musste.  

Mängel bei VW sind teils sicherheitsrelevant

Dabei geht es keineswegs nur um streikende Navis oder flimmernde Bildschirme. Auch in Assistenzsystemen macht sich das Fehlervirus bei den VW-Marken offenbar breit und wird damit zum echten Sicherheitsproblem. Benutzer berichten von Ausfällen der Notbremsfunktionen und Spurhalteassistenten, Fehlern bei der Verkehrszeichen-Erkennung.

Wieso bekommt der VW-Konzern das Problem nicht in den Griff?  Auf Anfrage erklären Seat und die VW-Zentrale, man habe Fahrzeuge in einem großen Schritt digitalisiert und damit einen grundlegenden technologischen Umbruch vollzogen. Das sei nicht „gänzlich problemfrei“ gelaufen. Der Konzern räumt auch ein, dass er bislang nicht in jedem Einzelfall helfen konnte. Doch er verspricht:

„Wir gehen jedem Punkt sorgfältig nach und überprüfen Umstände, mögliche Ursachen und Abhilfemaßnahmen gründlich."

Kunden haben Rücktrittsrecht

Seat-Fahrer Theo Schornstein will nicht warten, bis der VW-Konzern die Probleme gelöst hat. Er verhandelt seit einigen Monaten mit seinem Seat-Vertragspartner über die Rückabwicklung seines Leasingvertrags. Der Händler sperrt sich, dabei steht das Recht auf der Seite des Kunden.

Betroffene, egal ob Käufer oder Leasingnehmer, müssten mehrere erfolglose Nacherfüllungen keineswegs akzeptieren, erklärt der Stuttgarter Fachanwalt für Verkehrsrecht, Christian Steffgen.

Mit einer Reform des Schuldrechts habe der Gesetzgeber die Verbraucherrechte gestärkt. Kunden müssten Händler jetzt nur noch ein Mal zur Nachbesserung auffordern und auch keine feste Frist mehr setzen, so Steffgen. Wenn der Händler nach einer angemessenen Zeit – in der Regel etwa zwei Wochen – das Problem nicht behoben habe, sei der Kunde zum Rücktritt berechtigt.

Neuwagen und Leasingfahrzeuge können zurückgegeben werden

Damit hätten zahllose Kunden mit einem mangelhaften Infotainmentsystem das Recht, ihr Auto zeitnah wieder zurückzugeben, sofern der Fehler nicht behoben wird.  In der Regel werden in so einem Fall die geleisteten Leasingraten erstattet und mit einer Nutzungsentschädigung verrechnet.

Auf diese Lösung hat sich schließlich auch das Autohaus von Theo Schornstein eingelassen – Dank seiner Hartnäckigkeit kann er den Leasingvertrag jetzt rückabwickeln.

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