Nach seinem Umzug im Mai vergangenen Jahres will ein Marktcheck-Zuschauer seine neue Adresse beim Beitragsservice melden. Er tippt „Rundfunkbeitrag“ in die Suchmaschine ein und klickt auf den ersten Treffer: „Service-Rundfunkbeitrag.de“. Er geht davon aus, auf der Seite des Beitragsservice zu sein.
Kaum erkennbar: Seiten von Drittanbietern
Die Seite sieht für ihn seriös aus. Der Betroffene gibt seine neue Adresse ein und zahlt 29,99 € für die Ummeldung. „Das hat mich natürlich gewundert, weil ich in Erinnerung hatte, dass es eigentlich kostenlos sein müsste“, sagt er.
Er schaut sich die Seite nochmal ganz genau an. Ganz unten entdeckt er einen unauffälligen Hinweis, dass der Service in keiner Verbindung zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten steht. Die richtige Seite heißt „Rundfunkbeitrag.de“. Dort hätte er seine Adressdaten kostenlos ändern können.
Widerruf nicht möglich
„Nachdem ich das gemerkt hatte, dass dort eine Privatfirma dahintersteckt, habe ich gleich auf deren Seite auf den Widerrufsbutton geklickt“, so der Betroffene. Doch es heißt, das Widerrufsrecht sei erloschen – die Dienstleistung sei mit der Weiterleitung des Auftrags an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits erfüllt.
Verzweigtes Netzwerk: Eine Firma betreibt viele Service-Seiten
Laut Impressum steckt die SSS Software Special Service GmbH mit Sitz in Horhausen im Westerwald hinter der Seite. Dieses Unternehmen betreibt noch weitere Seiten - etwa Wohngeldanträge oder Nachsendeaufträge. Dienstleistungen, die auf den Originalseiten günstiger oder sogar kostenlos wären.
Zum Zeitpunkt unserer Recherche bietet das Unternehmen zum Beispiel einen Grundbuchauszug für knapp 30 Euro – statt den behördlichen 10 Euro. Den eigentlich kostenlosen Wohngeldantrag ebenfalls für knapp 30 Euro. Der Nachsendeauftrag der Post kostet statt rund 38 Euro stolze 180 Euro, also mehr als das Vierfache.
Betrug im Internet Verbraucherzentrale warnt vor falschen Behörden-Seiten
Immer mehr private Anbieter tarnen sich im Internet als offizielle Behörden und kassieren Gebühren für eigentlich kostenlose Dienstleistungen. Die Betrugsseiten sehen oft echt aus.
Sind solche Service-Seiten legal?
Bei den Verbraucherzentralen sind allein über die Seite „service-rundfunkbeitrag.de“ mehr als 90.000 Beschwerden von Nutzern eingegangen. Sie fühlen sich abgezockt. Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagt dazu: „Prinzipiell ist es zulässig, dass man einen Dienstleister beauftragt für Tätigkeiten, die man eigentlich selbst machen könnte. Der Vorwurf an dieser Stelle ist aber nur, dass suggeriert wird, man wäre der Originalanbieter und die Kosten werden hier im Kleingedruckten versteckt“.
Auch, dass Betroffene ihr Widerrufsrecht zum Teil nicht ausüben können, sieht der Verbraucherrechtsexperte Oliver Buttler kritisch: „Wir haben hier eine gesetzliche Grundlage, die besagt, dass man bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatzgeschäft, also im Internet, jederzeit ein Widerrufsrecht ausüben kann. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Dienstleistung dann noch nicht abgeschlossen ist“. Der Kritikpunkt an diesen Dienstleistungen sei, dass für den Verbraucher nicht nachvollziehbar sei, was mit den eigenen Daten passiere.
Fragen an das abgemahnte Service-Netzwerk
Ende vergangenen Jahres hat der Bundesverband der Verbraucherzentrale die SSS Software Special Service GmbH abgemahnt. Daraufhin hat das Unternehmen angekündigt, Widerrufe der bisherigen Kunden in vielen Fällen zu akzeptieren. Zwar haben einige Betroffene ihr Geld zurückbekommen, andere aber nicht.
Die SWR Marktcheck-Redaktion bittet die SSS-Software Special Service GmbH um ein Gespräch, denn die Redaktion will wissen, was von der Ankündigung zu halten ist. Die Anfrage bleibt jedoch für mehrere Wochen unbeantwortet. Daraufhin probiert die Redaktion es mehrfach erfolglos per Telefon.
Wochen später meldet sich das Unternehmen doch noch und bittet um die schriftliche Zusendung der Fragen. Eine Antwort auf diese Fragen erhält die Redaktion bis Redaktionsschluss nicht.
Service-Seiten mit Sitz in Dubai
Mittlerweile hat die Seite eine neue Adresse. Sie sieht fast genauso aus, nur steht jetzt im Impressum ein neuer Name und eine Anschrift in Dubai. Die SWR Marktcheck-Redaktion bittet einen Kollegen vor Ort dorthin zu fahren: eine große Freihandelszone am Rande von Dubai. Mehr als 20.000 Unternehmen sind hier offiziell registriert. In zahlreichen Gebäuden entdeckt der Marktcheck-Kollege sogenannte Co-Working Spaces. Die kann man für unter 8.000 Euro im Jahr mieten und die Freihandelszone dann rechtmäßig im Impressum verwenden.
In welchem der zahlreichen Bürogebäude das Unternehmen sitzen soll, kann der Reporter nicht herausfinden. Doch auch „Digitaler Post Service“ ist nun beim Wirtschaftsministerium Dubai registriert - in der Freihandelszone.
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Wie hängen die Service-Unternehmen zusammen?
In Deutschland wird im Westerwald weiter recherchiert: Unter der Adresse, die zuvor im Impressum stand. Denn auf unsere Frage, wie die Unternehmen zusammenhängen, hat die Marktcheck-Redaktion keine Antwort erhalten.
An der angegebenen Adresse befindet sich ein Wohnhaus. Doch die Frau, die dort die Tür öffnet, gibt an den Geschäftsführer nicht zu kennen und hat angeblich auch noch nie von ihm gehört.
Mehrere Anwohner erzählen der Reporterin vor Ort, dass der im Impressum genannte Geschäftsführer mit seiner Partnerin in dem Haus leben würde. Doch offen vor der Kamera will das niemand äußern. Immer wieder würden Leute nach ihm fragen, weil sie ihr Geld zurückwollen.
Sammelklage der Verbraucherzentrale
Inzwischen hat der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Sammelklage gegen die SSS-Software Special Service GmbH eingereicht. Betroffene können sich mit einem Formular in wenigen Minuten dieser Klage anschließen.