Sendung am 23. November 2018

Leben extrem

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Einfach nicht normal!
Sie überschreiten bewusst Grenzen, fallen unfreiwillig aus dem Rahmen oder haben ein unglaublich schweres Schicksal zu tragen: Menschen, die sich von der Masse abheben, die Außergewöhnliches durchleben müssen oder mit ihren exaltierten Lebensentwürfen polarisieren. Sei es ein Promi-Leben im ständigen Blitzlichtgewitter oder der Extremsportler mit seiner Sucht nach Rekorden: Ganz oben mitzumischen, kann Flügel verleihen und bitter sein zugleich.

Höher, schneller – tot! Ungesichert am Wolkenkratzer hängend lieben die Adrenalin-Junkies das Leben am Limit, bis das Gefühl der großen Freiheit zur tödlichen Falle wird.

Nichts für schwache Nerven! Das sind auch Berufe wie Bombenentschärfer, Fäkalientaucher oder Tatortreiniger. Nur die wenigsten können mit den täglichen Job-Herausforderungen dieser extremen Art umgehen und halten den Geruch von Körperflüssigkeiten oder Verwesung aus.
Leben exzessiv! Alles, was nicht der Norm entspricht, wird neugierig, skeptisch oder herablassend beäugt. Denn normal ist, was uns im Alltag vertraut ist. Und das ist eine Frage von Messwerten, Gewohnheiten und statistischen Häufigkeiten. Wer aber 250 kg auf die Waage bringt, für den ist nicht nur jeder Schritt und Handgriff eine Qual, extremst Übergewichtige kennen die ganze Bandbreite von Vorurteilen. Kaum sind sie vor der Haustüre, werden sie zur Zielscheibe von Hohn, Spott und entgeisterten Blicken. Die Folgen für Körper und Seele sind oft fatal.

Dr. Barbara Fiedel

Barbara Fiedel (Foto: SWR, SWR - Baschi Bender)

Leben im ewigen Eis - Dr. Barbara Fiedel trotzte Temperaturen bis zu minus 40 Grad, dünner Luft und monatelanger Dunkelheit. Nur einmal im Jahr brachte ein Schiff Lebensmittel für die Polarforscher –tiefgekühlt wird angeliefert. Als Leiterin der deutschen Antarktis-Forschungsstation war die Medizinerin härtesten Prüfungen ausgesetzt: „Das Schlimmste ist der Wind. Und ein Sturm kann da schon mal drei Wochen andauern. Aber neun Kollegen fernab der Zivilisation – auch das ist eine riesige Herausforderung.“

André Hoek

André Hoek (Foto: SWR, SWR - Baschi Bender)

André Hoek führte lange Zeit ein Leben auf der Sonnenseite. Der Webdesigner war glücklich verheiratet, bestens lief auch seine Firma. Zuletzt wohnte der erfolgreiche Geschäftsmann sogar auf der Ferieninsel Gran Canaria. 2014 dann der Schock: Seine Frau hatte einen Anderen und eröffnete ihm die Trennung: „Für mich brach eine Welt zusammen. Diese Enttäuschung hat mich total aus der Bahn geworfen.“ Es war der Beginn eines tiefen Falls, der schließlich in der Obdachlosigkeit und in einem täglichen Kampf gegen Kälte und Hunger endete.

Jenny Schmidt

Jenny Schmidt (Foto: SWR, SWR - Baschi Bender)

Am Rande der Gesellschaft, und das aus voller Überzeugung – das ist seit Jugendtagen die Lebensphilosophie von Jenny Schmidt: „Mein Alltag bewegte sich zwischen Schlafen, Party und Randale.“ Ein Irokesenschnitt in schrillem Pink, dazu zerrissene Netzstrümpfe und Springerstiefel – dieses Outfit war in den 80er Jahren ihr Markenzeichen. Und ist es bis heute geblieben, auch wenn Altpunkerin „Ratten-Jenny“ bereits in Richtung Rentenalter zusteuert.

Adrineh Somonian

Adrineh Simonian (Foto: SWR, SWR - Baschi Bender)

Adrineh Simonian stammt aus einer armenischen Großindustriellenfamilie. Geld gab es im Überfluss, dafür aber auch erzkonservative Moralvorstellungen. Zuerst schlug sie den von ihren Eltern gern gesehenen Weg der Mezzosopranistin ein. 15 Jahre sang sie stimmgewaltig an der Wiener Volksoper, bis sie eine radikale Kehrtwende einschlug. Sie verließ die Opernbühne und steht seitdem hinter der Kamera: „Ich bin meiner inneren Stimme gefolgt und drehe feministische Pornos.“

Marc Wübbenhorst

Marc Wübbenhorst (Foto: SWR, SWR - Baschi Bender)

Marc Wübbenhorst ist aufgrund einer seltenen Erbkrankheit permanent in einem lebensbedrohlichen Ausnahmezustand. Der Bielefelder trinkt pro Tag o viel wie ein gesunder Mensch in einer ganze Woche: „Ich habe andauernd sehr starken Durst, denn mein Körper kann kein Wasser speichern und ist ständig am Austrocknen“. 20 Liter benötigt sein Körper, bis zu 50 Mal muss er auf Toilette. Eine Nacht durchschlafen? Kennt der Fachmann für soziale Architektur nicht, denn er muss immer wieder aufs Neue einmal volltanken.

Prof. Dr. Ronald Hitzler

Ronald Hitzler (Foto: SWR, SWR - Baschi Bender)

Was ist heutzutage extrem, und was ist noch normal? Jeder Mensch ist einzigartig, keiner gleicht dem anderen – und das ist für unsere Gesellschaft enorm wichtig: „Jedoch könnten wir ohne die Normalität die Extremform gar nicht leben, weil wir dazu genau diese Abgrenzung brauchen“, so Prof. Dr. Ronald Hitzler. Die Abwendung von der Norm könne einem Menschen zwar Aufmerksamkeit und Erfolg bringen, aber auch das krasse Gegenteil, so der Soziologe.

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SWR Fernsehen