Michael Steinbrecher (Foto: SWR)

Sendung am 09.09.2022 (Wdh.)

Vergeben und vergessen?

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Es gibt Geschehen, die sind so grausam, dass es auf den ersten Blick unmöglich erscheint, den Tätern vergeben oder verzeihen zu können. Bei denen man sich vielleicht Vergeltung wünscht, oder wenigstens verdrängen und vergessen zu können. Und doch ist es für das Weiterleben von Opfern und Hinterbliebenen nicht selten der heilsamere Weg, den Tätern zu vergeben.

Die Gäste bei Michael Steinbrecher:

Claudia Fromme

Claudia Fromme (Foto: SWR)

Auf eisglatter Fahrbahn verlor Claudia Fromme die Kontrolle über ihr Auto. Dabei starben ihr Mann und ihre Tochter. Sie überlebte den Unfall, musste aber lernen sich zu verzeihen und mit den Schuldgefühlen umzugehen: „Ich habe die Entscheidung getroffen, nicht verbittert zu werden“, sagt Fromme. „Ich möchte wieder glücklich sein, und das kann ich nicht, wenn ich mir immer wieder Selbstvorwürfe mache.“
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Jane König

Jane König (Foto: SWR)

Kaum zu vergessen und zu vergeben ist, was Jane König erlebt hat: In ihrer Kindheit wurde sie von der Mutter gequält, vom Stiefvater missbraucht. Erst kürzlich erfuhr sie dann: Ihre Mutter ist sogar eine Mörderin. Kann man solchen Eltern verzeihen? „Ich konzentriere mich auf die positiven Sachen, die durch das entstanden sind, was mir angetan wurde“, sagt König heute. „Ich bin, wer ich bin, weil ich eine Kämpferin bin, weil ich die Fähigkeiten hatte, das alles zu überleben.“
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Martin Hochhuth

Martin Hochhuth (Foto: SWR)

„Mein Vater hat das Vergessen in Deutschland beendet“, sagt der Jurist und Rechtsphilosoph Martin Hochhuth über seinen Vater, den Dramatiker Rolf Hochhuth, der mit Werken wie „Der Stellvertreter” immer wieder gegen den Nationalsozialismus anschrieb und damit sogar Politiker stürzte. „Selbst wenn von seiner Literatur gar nichts bliebe, diese Leistung würde immer bleiben”, so Martin Hochhuth.

Roland Augst

Roland Augst (Foto: SWR)

Im Einsatz als Polizist brutal niedergeschlagen, schwer verletzt und anschließend im Netz verhöhnt wurde Roland Augst 2020: eine Kneipen-Schlägerei, die eskalierte. Unter den körperlichen und psychischen Folgen leiden er und seine Familie bis heute, Entschuldigungen der Täter wollte er nicht annehmen. „Natürlich werde ich das nie vergessen“, meint er. „Ich werde jeden Tag damit konfrontiert.“ Augst ist seit der Tat dienstunfähig – und wünscht sich nichts mehr als endlich wieder Normalität.

Gabriela Odermatt

Gabriela Odermatt (Foto: SWR)

Ein glückliches, normales Familienleben: Das hatte sich auch Gabriela Odermatt vorgestellt. Doch ihre Kinder kamen beide mit Behinderungen zur Welt, ihre Ehe zerbrach an dieser Belastung. Erst vor vier Jahren erfuhr sie, dass ein Medikament, das ihr ein Arzt während ihren Schwangerschaften verschrieben hatte, der Grund für all das ist, was sie und ihre Kinder täglich durchmachen. „Als ich den Arzt damit konfrontierte, weinte ich“, erzählt sie, “eine Entschuldigung kam von ihm bis heute nicht.“
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Michaela Huber

Michaela Huber (Foto: SWR)

Trauma- und Psychotherapeutin Michaela Huber erlebt in ihrer Praxis täglich, wie sehr Menschen das Thema Verzeihen beschäftigt. „Ich erlebe Leid, Hass, Kummer, Selbstvorwürfe und Wut, wenn sich Menschen damit auseinandersetzen“, so Huber. Der entscheidende Prozess finde dabei immer im Inneren des Verzeihenden statt, der die Frage beantworten müsse: „Kann ich loslassen?“ Aber auch das Nicht-Verzeihen könne durchaus eine Option sei, mit der man am Ende gut leben könne.
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Literatur zur Sendung

Michaela Huber

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SWR Fernsehen