Warum wird die Pipeline jährlich gewartet?
Wie sicher sind Gaspipelines?
Was genau passiert bei der Wartung?
Was passiert nach der Wartung?
Ist das technisch problematisch, den „Gashahn zuzudrehen“?
Geht eine leere Pipeline irgendwann kaputt?
Was hat es mit der Turbine in Kanada auf sich?
Warum wird die Pipeline jährlich gewartet?
Für Gaspipelines gibt es verschiedene Sicherheitszertifikate, ähnlich wie eine TÜV-Plakette, die bescheinigt, dass am Auto alles verkehrssicher ist. Die weltweit führende Firma für solche Zertifikate ist das norwegische Unternehmen DNV - und so heißen dann auch die unterschiedlichen Sicherheitsstandards.
Die zugehörige Richtlinie für Unterwasserpipelines trägt den Namen "DNV F101" und schreibt vor, dass eine solche Pipeline einmal im Jahr gewartet wird. Wenn auf Dauer die Prüfberichte in Ordnung sind und es keine Abweichungen zu den Jahren davor gibt, kann dieses Wartungsintervall vergrößert werden. Aber im Moment wird Nord Stream 1 einmal jährlich überprüft.
Wie sicher sind Gaspipelines?
Die Betreibergesellschaft von Nord Stream 1 hält sie für sehr sicher. Unterwasserpipelines sind auf eine sehr lange Lebensdauer ausgelegt, als Mindestbetriebsdauer gelten 50 Jahre. Nord Stream 1 ist seit gut elf Jahren in Betrieb.
Entsprechend hoch sind natürlich die Standards. Allerdings sagen die Betreiber auch, dass ein Ausfall oder ein Leck statistisch nur einmal in 100.000 Jahren vorkommt. Eine Zahl, die optimistisch anmutet. Immerhin gibt es immer wieder Berichte über Störungen an Gaspipelines wie im vergangenen Jahr sehr spektakulär im Golf von Mexiko, als infolge eines Gaslecks mitten im Meer eine Feuerkugel brannte.
Was genau passiert bei der Wartung?
Vor allem wird die Pipeline auf mögliche Schäden abgesucht, das ist die sogenannte In-Rohr-Diagnose. Für diesen Prozess gibt es elektronische Geräte. Die Ventile, also die beweglichen Teile der Pipeline, werden gecheckt. Zwar halten die grundsätzliche eine Menge aus, aber wegen der extremen Temperaturen, die beim Transport von Gas entstehen können, kann es bisweilen Probleme geben.
Sollten tatsächlich größere Ausbesserungen notwendig sein, gibt es für Nord Stream 1 ein eigens entwickeltes Notfallsystem, mit dem unter Wasser Schweißarbeiten durchgeführt werden können. Ersatzrohre liegen immer parat. Im Zuge der Wartung werden aber auch weniger komplexe Funktionen getestet wie die Telefonverbindungen entlang der Pipeline, mit denen sich Teams im Notfall abstimmen können.
Was passiert nach der Wartung?
Das weiß derzeit niemand. Im Grunde sind drei Szenarien denkbar. Beinahe ausgeschlossen scheint Szenario 1, nämlich dass die Pipeline wie in den vergangenen Jahren einfach wieder hochgefahren wird und russisches Gas wie vor der Krise mit hundertprozentiger Auslastung durch die Röhre fließt. Die Bundesregierung bereitet sich und uns auf das Gegenteil vor.
Die zweite Variante ist, dass die Pipeline außer Betrieb bleibt und gar kein Gas mehr durchgeleitet wird. Einige Expertinnen und Experten halten eine dritte Variante für wahrscheinlich, der zufolge nach der Wartung so viel Gas durch die Pipeline kommt wie zuvor, also rund 60 Prozent der vereinbarten Menge. Der Grund für diese Annahme: Russland muss mit seinem Gas schließlich irgendwohin. Und mittelfristig braucht das Putinregime natürlich auch die Einnahmen aus den Verkäufen.
Ist das technisch problematisch, den „Gashahn zuzudrehen“?
Das ist tatsächlich kein Problem. Viel schwieriger ist es, die Gasmenge zu drosseln, das muss sehr sorgfältig passieren, sonst fällt die Temperatur in der Pipeline extrem und die Ventile vereisen. Bei einem kompletten Lieferstopp bekäme Russland allerdings ein anderes Problem. Die Gasförderung im Hintergrund kann nicht einfach heruntergefahren werden, sie muss weiterlaufen.
Das Land ist also dringend auf Abnehmer angewiesen. Das Interesse aus anderen Ländern wie China soll allerdings verhalten sein, und Russland könnte vermutlich auch nur mit deutlichen Abschlägen verkaufen. Überschüssiges Gas müsste im Fall eines Förderstopps womöglich zu großen Teilen einfach verbrannt, also abgefackelt werden. Wie lange sich der russische Staat das leisten kann, ist fragwürdig.
Geht eine leere Pipeline irgendwann kaputt?
Das kommt entscheidend darauf an, ob die Wartung weitergeht oder nicht. Ohne die Überholung würde eine Unterwasserpipeline schnell anfangen zu rosten, ähnlich wie ein untergegangenes Schiffswrack. Experten zufolge sind solche Unterwasserpipelines mindestens auf 50 Jahre Nutzung ausgelegt, und ohne Wartung wären die Rohre nach 35 Jahren durchgerostet.
Was hat es mit der Turbine in Kanada auf sich?
Die Turbine ist von Siemens Energy gewartet worden und liegt in Kanada. Kanada wollte das Teil bisher nicht an Russland liefern, weil das möglicherweise Sanktionen verletzt. Nach letzten Informationen ist das Land jetzt aber wohl bereit, die Turbine an den russischen Konzern Gazprom zu übergeben oder hat das sogar schon gemacht. Darum hatte auch Bundeskanzler Scholz gebeten. Allerdings glaubt auch niemand, dass diese eine Turbine tatsächlich so wichtig war, dass die Gasmenge vor der Wartung gedrosselt wurde. Experten sagen, Nord Stream 1 hätte trotzdem mit voller Kapazität laufen können.