eine Avocado mit einem Apeel-Aufkleber liegt auf einem Teller (Foto: SWR, Sabine Schütze)

Eine unsichtbare zweite Haut für Früchte

Coating: Länger haltbare Avocados und Orangen im Supermarkt

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AUTOR/IN
Sabine Schütze
Patrick Jauß

In einigen Supermärkten kriegt man derzeit Avocados, Mandarinen und Orangen, die länger haltbar sind. Eine neue unsichtbare Schutzschicht - das „Coating“ - macht es möglich.

Bei Edeka und Netto bekommen Kunden derzeit Avocados, Mandarinen und Orangen, die doppelt so lange halten sollen wie üblich. Auch andere Märkte testen die Methode und wollen nachziehen. Die Früchte sind mit einer hauchdünnen, nicht sichtbaren Schicht überzogenen. Sie soll auch helfen, Plastikfolie zu sparen.

„Coating“ heißt der neue Hoffnungsträger

So funktioniert das so genannte „Coating“: Ein weißes, biologisch abbaubares Pulver wird in Wasser aufgelöst und direkt nach der Ernte auf Avocados oder Orangen aufgesprüht. Die Früchte können auch einfach kurz in die Flüssigkeit getaucht werden und müssen dann trocknen. Die Früchte werden also mit einer ganz dünnen Hülle quasi ummantelt. Deshalb wird dieses Verfahren auch „Coating“, also Überzug/Schicht, genannt.

Wofür soll „Coating“ gut sein?

Die zarte Hülle soll empfindliche Früchte hauptsächlich vor dem Austrocknen durch Verdunstung schützen und soll sie langsamer altern lassen, weil kein Luftsauerstoff eindringt. Die meisten der so behandelten Früchte sollen etwa doppelt so lange halten, wie unbehandelte. Bislang gibt es einfache Wachsüberzüge auf Zitrusfrüchten und Äpfeln. Die wirken ähnlich. Aber die neue Haut soll besser funktionieren und ist darüber hinaus weder sichtbar noch fühlbar. Der unangenehme, leicht schmierige Eindruck, wenn man einen gewachsten Apfel anfasst, entsteht hier also nicht. Und das neue „Coating“ soll sich auch wesentlich leichter abspülen lassen, obwohl die Hersteller immer wieder betonen, dass das gar nicht nötig sei. Denn der Überzug ist geschmacklos und könne laut der Hersteller bedenkenlos mitgegessen werden, weil er aus natürlichen Stoffen besteht.

Eine zweite Haut aus Fett und Zucker

Der US-amerikanische Hersteller Apeel hat das Coating entwickelt. Apeel nutzt nach eigenen Angaben Fruchtschalen, Samen und andere Reste der Saftproduktion oder Pressabfälle aus der Weinherstellung. Daraus werden Fette isoliert, die als unbedenklich gelten. Sie haben die gleiche chemische Struktur wie der Lebensmittelzusatzstoff E 471, der in Deutschland zugelassen ist. Das sind Abbauprodukte von Speisefettsäuren, sogenannte Mono- und Diglyceride, die von der Industrie sehr oft als Emulgator eingesetzt werden.

eine Avocado mit einem Aufkleber (Foto: SWR, Sabine Schütze)
Das kleine Firmenlogo zeigt, dass auf dieser Avocado der Apeel-Überzug ist. Sabine Schütze

Es gibt noch einen weiteren ähnlichen Überzug namens „Semperfresh“, der in Großbritannien entwickelt worden ist. Dieses Produkt besteht neben Ölen vornehmlich aus Zuckerresten und Zellulose und soll das frische Aussehen von Obst und Gemüse ebenfalls deutlich länger bewahren.

Das haltbar machende „Coating“ wird jeweils auf die verschiedenen Früchte angepasst. Es gibt bereits Überzüge für mehr als 30 Obst- und Gemüsesorten. Hier in Deutschland werden entsprechend behandelte Früchte bislang nur verkauft, wenn deren Schale nicht mitgegessen wird. Bei Bio-Produkten ist die Beschichtung nicht zugelassen. In den USA ist das anders. Dort wird das neuartige Coating auch auf Äpfel, Erdbeeren und Gurken aufgesprüht. In den USA ist für das Coating keine extra Zulassung nötig, weil die Einzelbestandteile des Mittels als unbedenklich eingestuft sind. In der Europäischen Union greift diese Regelung nicht. Um also die Schutzhülle in der EU auf Früchten mit essbarer Schale einzusetzen, ist eine Zulassung nötig, die bislang fehlt.

Da die „Coatings“ nicht auf Proteinen (Eiweißen) basieren, besteht auch kein Allergierisiko. Die Frucht selbst wird dadurch natürlich nicht besser verträglich. Wer also empfindlich auf Zitrusfrüchte reagiert, wird auf „Coating-Orangen“ genauso reagieren wie auf unbehandelte Orangen. Die neuen Coatings bestehen also aus unbedenklichen, meist natürlichen Stoffen.

Unser Eindruck von der beschichteten Avocado

Ein kleiner Selbstversuch: Wir haben eine Avocado mit Apeel-Überzug gekauft und kühl im Keller gelagert. Auf dem Aufkleber lässt sich das kleine Apeel-Logo gut erkennen. Der Überzug ist in der Tat überhaupt nicht zu sehen, zu fühlen oder zu riechen. Die Avocado soll laut Aufkleber „vorgereift“ sein. Anderthalb Wochen später haben wir nachgeschaut. Das Ergebnis: Die Avocado war noch immer relativ hart. Wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass der Überzug das weitere Nachreifen tatsächlich verhindert. das Geschmackserlebnis einer vollmundigen, reifen Frucht blieb aber aus. Und so ganz in Ordnung war die Frucht leider auch nicht mehr, wie man am Stielansatz und der kleinen braunen Stelle sieht. Beides kann schon vor der Ernte passiert sein. Immerhin ist das Fruchtfleisch selbst nicht braun durchzogen und macht einen frischen Eindruck.

aufgeschnittene Avocado mit fauler Stelle (Foto: SWR, Sabine Schütze)
Diese Avocado mit neuer Schutzhülle war nicht ganz so überzeugend. Sabine Schütze

Avocado-Test an der Hochschule

Auch Professor Bernd Sadlowsky von der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaft hat das Apeel Coating genauer untersucht. Er hat die Haltbarkeit angereifter Avocados mit Apeel-Coating mit ähnlich beschichteten und unbehandelten Avocados an verschiedenen Lagerorten verglichen:

„Die mit Apeel beschichteten Avocados haben deutlich länger gehalten. Der Hauptgrund für die längere Haltbarkeit ist letztendlich die Wasserdampfverlustrate und die wird letztendlich durch die äußere Schale bestimmt. Wenn dort weniger Wasser verdampfen kann, dann hält das Produkt dann länger.“

Eine dünne Schutzschicht mit Potenzial

Die extra Hülle ist rein pflanzlich und soll die Früchte nicht nur länger frisch halten. Die Hersteller werben auch damit, dass das „Coating“ den Plastikverbrauch reduzieren soll. Das gilt aber nur für die wenigen Sorten, die einzeln eingeschweißt werden. Einzelne Orangen und Avocados sind ja ohnehin nicht in Plastik verpackt. Bei Zitrusfrüchten stellen die Plastiknetze das größere Problem dar, die ersetzt das „Coating“ nicht.

Für Gurken könnte das neuartige „Coating“ allerdings die Lösung sein: Bisher halten sich Gurken, die nicht eingeschweißt sind, nur kurz frisch und müssen deshalb häufiger weggeworfen werden. Das führt dazu, dass einige Hersteller zu verpackten Gurken zurückgekehrt sind. Coating könnte das Plastik ersetzen.

Und auch für den Transport wird Plastik eingesetzt, um Obst und Gemüse vor Dellen und Schrammen zu schützen. Das „Coating“ bietet auch hier etwas Schutz. Es kann sogar empfindliche exotische Früchte wie Mangos vor Frostschäden in Kühlcontainern schützen. Das haben Untersuchungen gezeigt.

Die neue Schutzhülle macht vielleicht noch mehr möglich: die Früchte könnten näher am optimalen Reifezustand geerntet werden, wenn sie anschließend mit dem neuen „Coating“ länger frisch bleiben. Gerade bei Avocados wäre das geschmacklich sicher ein Vorteil. Dazu kommt, dass Früchte wie Orangen für den Überseetransport nicht extra mit einem Mittel gegen Schimmel behandelt werden müssten, um die lange Reise zu überstehen. Das „Coating“ könnte sie auf natürliche Weise schützen. Wie hoch das Potenzial tatsächlich ist, wird sich allerdings noch zeigen müssen.

Aber gibt es auch schon negative Erfahrungsberichte: Rewe hat das „Coating“ mit einem anderen Zusatzstoff bereits wieder eingestellt. Als Grund nennt Rewe auf Marktcheck-Anfrage, dass sich die Erwartungen an eine längere Haltbarkeit nicht erfüllt hätten.

Orangen mit einem neuartigen Überzug, kein Wachs. (Foto: SWR)
Den Überzug der Orangen kann man nicht sehen.

Unser Eindruck von den Orangen und Clementinen

Marktcheck hat bei Edeka und Netto Orangen und Clementinen eingekauft. Einmal mit Apeel-Sticker, einmal ohne. Alle kommen aus Spanien, gleiche Sorte und Handelsklasse. Halten die Apeel-Früchte wirklich länger?

Bei den Früchten ohne Apeel-Schicht bildet sich nach acht Tagen der erste Schimmel, während die beschichteten Orangen schimmelfrei bleiben. Auch sonst liegen die Apeel-Früchte optisch vorne.

Und der Geschmack? Das wollen wir von einem Obsthändler auf dem Mainzer Wochenmarkt wissen. Er macht für uns eine Blindverkostung. Sein Eindruck: Sowohl die Edeka-Orangen als auch die Netto-Clementinen MIT Apeel sind geschmacklich etwas besser als die herkömmlichen Früchte. Insgesamt schneidet Apeel beim Geschmack also etwas besser ab als die unbeschichtete Konkurrenz.

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Fehlende Kennzeichnung

Wie erkennt man, ob Obst und Gemüse mit dem Zusatzstoff behandelt wurden? Bei Edeka und Netto findet sich auf der Orangen-Verpackung ein kleiner Apeel Aufkleber. Und kleingedruckt der Hinweis „Gewachst mit E 471“. Doch auf der Avocado von Edeka klebt nur das Firmenlogo von Apeel. Ohne Hinweis auf Zusatzstoffe. Für Susanne Umbach von der Verbraucherzentrale ist das nicht in Ordnung:

„Es reicht nicht aus, dass da nur Apeel draufsteht. Ohne den zusätzlichen Begriff „gewachst“, „Schale ist gewachst“ wissen Verbraucherinnen und Verbraucher damit nichts anzufangen und das entspricht auch ganz klar nicht den gesetzlichen Vorgaben.“

Edeka teilt uns auf Nachfrage mit: "Bei loser Ware ist ein Hinweis am Verkaufsregal in unmittelbarer Nähe der Ware vorgesehen, auf dem die gesetzlich relevanten Angaben stehen."

Es müsste dort das Wort "gewachst" stehen. Bei unserem Einkauf haben wir diesen Hinweis bei den Apeel-Avocados allerdings nicht gefunden.

Bislang kennzeichnen die Supermärkte die mit „Coating“ behandelten Früchte nicht durchgehend eindeutig. Hier besteht Verbesserungsbedarf.

Der Preis der Schutzschicht

Die Preise variieren bei der Apeel Ware. Bei Netto waren die Apeel Clementinen teurer als die herkömmlichen Früchte. Bei Edeka die Apeel Orangen dagegen günstiger.

Nährstoffgehalt fraglich

Noch ist unklar, wie viele Vitamine und andere Nährstoffe Früchte haben, die nach der Ernte doppelt so lange aufbewahrt werden. Gekühlt halten sich Vitamine zwar grundsätzlich besser als ungekühlt. Einen Verlust gibt es trotzdem. Obst und Gemüse büßt auch im Kühlschrank jeden Tag ein paar Prozent des Vitamins C ein. Ob das Coating Einfluss auf den Verlust von Nährstoffen hat, haben die Hersteller bislang nicht verraten.

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