Frau, Mitte 50, arbeitet von Zuhause aus, mit Laptop und kommuniziert per Headset mit Kollegen, Homeoffice, auf dem Sof (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack)

Arbeiten bald auch im komplett virtuellen Raum möglich

Faul auf dem Sofa? - Homeoffice kann hochproduktiv sein

Stand
AUTOR/IN
Tobias Frey
ONLINEFASSUNG
Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele (Foto: Dirk Bannert)

Die Corona-Pandemie hat den Alltag im Job kräftig durcheinandergewirbelt. Was sind die effizientesten Arbeitsweisen: Homeoffice oder Arbeiten in Präsenz?

Professor Florian Kunze von der Uni Konstanz, Lehrstuhl für Organizational Behavior am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft leitet auch das Konstanz Future of Work Lab. Mit ihm hat SWR-Wirtschaftsredakteur Tobias Frey neue Arbeitswelten gesprochen.

Hat sich Homeoffice während der Pandemie als Produktivitätskiller erwiesen?

Das würde ich grundlegend auf Basis unserer Konstanzer Homeoffice-Studie erst mal aus der Perspektive der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verneinen. Wir haben die Fragen kontinuierlich über die Pandemie hinweg gestellt. Und da sagen viele, sie sind hochproduktiv. Das ist immer etwas verzerrt. Arbeitnehmer schätzen das selbst natürlich immer ziemlich hoch ein.

Bei Tätigkeiten im Callcenter ging die Produktivität im Homeoffice hoch

Es gibt Studien mit Leuten, die zufällig ins Homeoffice geschickt wurden und welche, die zufällig weiter im Büro arbeiten konnten. Da sieht man zumindest bei Tätigkeiten - beispielsweise in Callcentern, bei denen man rein individuelle Produktivität erbringen muss, ging sogar die objektive Produktivität der Mitarbeitende hoch.

Callcenter-Mitarbeiter sind laut Studien im Homeoffice noch produktiver. (Foto: SUMMACOM)
Callcenter-Mitarbeiter sind laut Studien im Homeoffice noch produktiver.

Tätigkeiten mit viel sozialem Austausch sind von zu Hause aus schwieriger

Andererseits gibt es auch Kritik von Arbeitgebern und Unternehmern, dass es da auch zurückgehende Produktivität gibt. Und das ist wahrscheinlich auch so bei Tätigkeiten, wo es viel Interaktion braucht, wo es viel Austausch braucht, wo es viel soziale Interaktion braucht. Da ist es deutlich schwieriger, wenn alle im Homeoffice arbeiten

Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigt

Über alle Tätigkeiten hinweg ist es aber so, dass wir quasi einen Null-Effekt haben. Das zeigen Studien. Wir haben sozusagen keine negativen Produktivitäts-Implikationen durch Arbeiten im Homeoffice - aber eine deutlich höhere Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Was ist das Lieblingsarbeitsmodell der Beschäftigten - Homeoffice oder Präsenz?

Wir sehen in unserer Studie eine deutliche Vorliebe für dieses sogenannte hybride Arbeiten - also eine Mischung zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit. Nur eine geringe Anzahl der Befragten in unserer Studie will permanent von zu Hause arbeiten oder wieder komplett zurück ins Büro, so vor wie vor der Pandemie.

Freundschaften bei der Arbeit aufbauen

Der Durchschnittswert für Homeoffice liegt bei drei Tagen pro Woche. Das zeigt deutlich, dass die Beschäftigten nicht permanent von zu Hause arbeiten wollen, sondern auch den sozialen Austausch am Arbeitsplatz stark wertschätzen. Soziale Beziehungen auf Freundschaften bei der Arbeit aufzubauen, das ist etwas ganz Wichtiges. Und das ist auch etwas, auf das Führungskräfte aufbauen können, wenn sie ihre Mitarbeiter wieder sinnhaft zurück ins Büro holen wollen.

Blick durch eine Glasscheibe in einen Konferenzraum: Einige Leute sitzen um einen Konferenztisch zusammen.  (Foto: Unsplash/ Campaign Creators)
Für kreative Planungen ist es besser, wenn Mitarbeiter direkt miteinander reden können.

Viele kennen mittlerweile digitale Meetings - wie werden diese Treffen bewertet?

Auch hier sehen wir - interessanterweise - in unserer Studie eine relativ starke Präferenz weiterhin für digitale Meetings. Der Grund: Sie werden als effizienter wahrgenommen. Auch vor Corona hatten viele Unternehmen keine optimale Meetingkultur, das heißt, langwierige, häufige Meetings, über die besonders Führungskräfte gestöhnt haben. Da sehen wir jetzt die Möglichkeit digitaler Treffen.

Digital für schnelle Infos - Präsenz für kreative Prozesse

Andererseits kommt es hier auch auf das Thema an: Wenn beispielsweise nur schnell Informationen ausgetauscht werden müssen, ist ein digitales Meeting sicher auch weiterhin angesagt. Wenn es aber darum geht, kreativ zu sein, Ideen zu entwickeln, zusammenzuarbeiten, dann ist ein Präsenz-Meeting - gerade auch dann, wenn vielleicht neue Teammitglieder mit dabei sind - sicher die bessere Wahl.

Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter am liebsten im Büro haben möchten, könnte es da zu Konflikten kommen?

Ja, dieses Spannungsfeld zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden ist etwas, was wir auch in unserer Studie sehen. Führungskräfte sind deutlich kritischer und durchaus skeptisch in Bezug auf die Produktivität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice. Wir haben in Deutschland stark die Präsenz in der Arbeitskultur verankert. Es gibt ein häufig vorhandenes Misstrauen gegenüber den Beschäftigten, dass die eher faul sind und zu Hause gar nicht richtig arbeiten. Aber letztendlich wird man nicht darum herumkommen, diese Kultur zu verändern und sich zu entwickeln.

Gute Ergebnisse zählen, egal wo sie erbracht wurden

Einige Führungskräfte machen das schon sehr gut: Sie entwickeln ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Team und richten die Führung darauf aus. So dass es gute Ergebnisse gibt, egal, wo diese erbracht werden. Letztendlich wird auch der aktuell hohe Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel dazu beitragen. Arbeitgeber, die sich nicht umstellen und flexible Arbeitszeitmodelle und Arbeitsangebote anbieten, werden große Schwierigkeit haben, gute Mitarbeitende zu halten und auch zu gewinnen.

Wie sieht aus Ihrer Sicht das Arbeiten der Zukunft aus?

Wir sehen in der aktuellen, recht entspannten Pandemiephase, dass es auf keinen Fall dahin zurückgehen wird, wie es vor Corona war - dass mobiles Arbeiten eine Ausnahme war. Es wird zum relativen Standard, das ist meine Prognose.

Bald auch ab ins Metaverse

Schwierig vorauszusagen ist es in den Bereichen, wo das mobile Arbeiten noch Schwächen hat - in den Bereichen, wo es soziale Interaktion braucht, wo es starken Austausch braucht, um auch kreativ zu sein, um gemeinsam auch Beziehungen aufzubauen. Das wird spannend sein, zu beobachten, inwiefern das in digitale Räume überführt werden kann. Also Stichwort: Metaverse.

Wir können uns auf Arbeiten in digitalen Räumen freuen

Wie können wir auch in digitalen Räumen, fast in einer virtuellen Realität, im beruflichen Bereich zusammenarbeiten? Da entsteht ein Riesenmarkt mit einer steigenden Anzahl an Patentanmeldungen. Es wird starke Veränderungen geben, die zu einer noch viel stärker vielfältigen und diverseren Arbeitswelt führen werden, auf die wir uns alle freuen können.

Stand
AUTOR/IN
Tobias Frey
ONLINEFASSUNG
Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele (Foto: Dirk Bannert)