Der Grafik des Margen-Darm-Traktes. (Foto: Colourbox)

Früherkennung rettet Leben

Darmkrebsvorsorge - bessere Diagnostik dank Künstlicher Intelligenz

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AUTOR/IN
Tina Roth
ONLINEFASSUNG
Heidi Keller

Wir zeigen, was bei der Darmspiegelung zu beachten ist, und wie Künstliche Intelligenz den Arzt unterstützt. So einfach helfen Testkits für zuhause bei der Früherkennung.

Mehr als 60.000 Menschen in Deutschland erkranken jährlich an Darmkrebs, der zweithäufigsten Krebsart in Deutschland. Noch immer überleben etwa die Hälfte der Betroffenen die Krankheit nicht. Das liegt vor allem daran, dass der Krebs zu spät entdeckt wird. Das Problem - wie so häufig bei Krebs: Symptome treten erst dann auf, wenn der Tumor bereits gewachsen ist. Das ist dann häufig leider zu spät.

Dabei müsste in Deutschland praktisch niemand mehr an Darmkrebs sterben. Denn durch die kostenfreien Vorsorgeuntersuchungen können die Mediziner Krebsvorstufen entdecken und entfernen, sodass Krebs gar nicht erst entsteht. Eine Darmspiegelung zur Krebsvorsorge kann das Sterberisiko um 70 Prozent senken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Langzeitstudie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg (DKFZ).

Krankenkassen zahlen Krebsvorsorge für den Darm

Durch eine Darmspiegelung zur Vorsorge könnten Männer und Frauen sicher gehen, dass sie keinen Darmkrebs, keine Krebsvorstufen und auch keine Darmpolypen haben, die gefährlich werden könnten. Eine große Studie hat 2020 belegt, dass Dickdarmkrebs immer häufiger auch jüngere Menschen trifft. Die Krankenkassen zahlen die Darmspiegelung – Koloskopie in der Fachsprache – als Vorsorgeuntersuchung. Sie wird ab 50 Jahren bei Männern und ab 55 Jahren bei Frauen übernommen. Falls es in der Familie bereits Darmkrebs gab, auch schon früher.

Doch nur wenige Menschen nehmen die Vorsorgeuntersuchungen tatsächlich in Anspruch: Nur 20 Prozent derjenigen, die einen Anspruch darauf hätten, lassen sich untersuchen. Viele schrecken scheinbar vor einer Darmspiegelung zurück.

Ärztin, Arzt, Patientin: Eine Darmspiegelung ist weniger anstrengend als viele vermuten. (Foto: Colourbox)
Eine Darmspiegelung ist weniger anstrengend als viele vermuten.

So läuft eine Darmspiegelung ab

Um den Dickdarm endoskopisch zu untersuchen, soll der Darm leer und sauber sein. Deshalb darf man am Tag vor der Vorsorgeuntersuchung ab mittags nichts mehr essen. Außerdem ist es notwendig, eine Abführlösung zu trinken – heutzutage in Menge und Wirkung deutlich angenehmer als noch vor Jahren. In den nächsten Stunden sollte man sich in der Nähe einer Toilette aufhalten.

Professor Arthur Schmidt, Gastroenterologe am Universitätsklinikum Freiburg: „Während man früher etwa vier bis sechs Liter an Flüssigkeit trinken musste, ist das mit den neuen Präparaten reduziert worden auf ein bis zwei Liter.“ Wie jeder Eingriff birgt auch eine Koloskopie gewisse Risiken: Durch eine endoskopische Untersuchung kann theoretisch die Darmwand verletzt werden. Doch das ist extrem selten.

Eine Narkose ist bei einer Koloskopie nicht notwendig. In den meisten Fällen wird lediglich ein starkes Beruhigungsmittel über einen Venenzugang gegeben – der Patient wird bei der Untersuchung tief schlafen.

Darmpolypen werden während der Darmspiegelung gleich entfernt

Die Koloskopie ist laut Leitlinien die beste Methode einer Dickdarmkrebsvorsorge. Vorteil: Sie ist Diagnose und Therapie in einem. Falls Darmpolypen oder Krebsvorstufen entdeckt werden, können sie während der Endoskopie direkt entfernt werden.

Über den After wird das Endoskop in den Dickdarm geschoben. In der Spitze des Endoskops – ein flexibler, biegsamer Schlauch - befinden sich Kamera und Licht, die Bilder auf einen Monitor übertragen. Das Endoskop schiebt der Arzt bis an die Grenze von Dickdarm zu Dünndarm vor, für die Untersuchung zieht er es dann Stück für Stück wieder heraus. Über den Schlauch kann der Arzt bei Bedarf auch Spezialwerkzeuge zur Gewebeentnahme einführen. Währenddessen strömt Kohlendioxid in den Darm, damit er sich weitet und der Arzt später die Darmschleimhaut besser betrachten kann.

Werden Polypen gefunden, werden sie gleich entfernt. In diesem Fall wird dann bereits nach fünf Jahren erneut kontrolliert. Wird bei einer Koloskopie nichts gefunden, hat man für zehn Jahre Ruhe und Sicherheit.

Neuer Assistenzarzt: Künstliche Intelligenz (KI)

Im Universitätsklinikum Freiburg gibt es bei der Koloskopie eine Besonderheit: Ein fähiger, maschineller Assistenzarzt in einem Kasten ist immer dabei. Professor Schmidt erklärt: „Dieses System sucht praktisch den Bildschirm automatisch, während ich den Patienten untersuche, nach Polypen ab. Das läuft so im Hintergrund mit - das ist praktisch so, wie wenn mir jemand permanent über die Schulter schaut und mir hilft, Polypen zu entdecken.“

Das System basiert auf Künstlicher Intelligenz (KI): Für seine Entwicklung wurden Computer mit 1,5 Millionen Einzelbildern aus Darmspiegelungen gefüttert – einerseits Aufnahmen von gesundem Darmgewebe, andererseits Aufnahmen von Polypen, den potentiellen Krebsvorstufen. Die Computer haben aus der großen Bilddatenbank und den jeweils zugehörigen Diagnosen ihre Algorithmen berechnet. Sie haben sich so quasi selbst zum Koloskopie-Experten ausgebildet.

„Man weiß aus Studien mittlerweile, dass mithilfe dieser KI-Systeme etwa 15 bis 20 Prozent mehr Polypen entdeckt werden können.“

Grüne Umrandungen auf dem Monitor zeigen, wenn die KI etwas entdeckt. Soll ein Polyp entfernt werden, wird eine Schlinge über den Arbeitskanal eingeführt, das betroffene Gewebe abgeschnitten und eingesaugt. Um zu prüfen, ob es sich um bösartiges Gewebe handelt, werden die Darmpolypen später im Labor untersucht. Irgendwann wird die Künstliche Intelligenz das möglicherweise sogar gleich während der Untersuchung analysieren können. Erste Systeme dafür sind im Test.

Nach der Koloskopie

Werden bei einer Vorsorgeuntersuchung Karzinome gefunden, schließen sich entsprechende Therapien an, wie Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung. Auch wichtig: Nach einer Endoskopie sollte man nicht direkt Auto fahren.

Stuhltests: Einfache Früherkennung von Darmkrebs

Für die Vorsorge gibt es auch eine andere Möglichkeit - einen Test auf verstecktes Blut im Stuhl. Wer bei der Darmkrebsvorsorge vor einer Darmspiegelung zurückschreckt, dem steht mit einem Stuhltest eine weitere Möglichkeit zur Verfügung. Der Stuhltest kann beim Arzt abgegeben werden, er wird ins Labor geschickt und festgestellt, ob Blut im Stuhl ist oder nicht.

Wie die Koloskopie werden diese Tests auf verstecktes Blut im Stuhl als Vorsorgeuntersuchung von den Krankenkassen bezahlt. Ab einem Alter von 50 Jahren können sich Männer und Frauen einmal jährlich damit testen lassen. Ab einem Alter von 55 Jahren dann alle zwei Jahre.

Arzt blickt auf Monitor (Foto: SWR, SWR -)
Ab 55 sollte man alle zehn Jahre eine Darmspiegelung durchführen lassen.

Neue Methoden: Immunologische Stuhltests

Das Prinzip: Diese Tests analysieren den Stuhl auf kleinste Blutpartikel, die möglicherweise von Krebsvorstufen im Dickdarm stammen könnten. Früher gab es ausschließlich Tests, die auf den Blutfarbstoff Hämoglobin reagierten.

Neuer, einfacher durchzuführen und genauer arbeiten immunologische Tests, die sogenannten iFOBT. Sie erkennen selbst kleinste Mengen Blut im Stuhl.

Stuhltests im Internet bestellen für zuhause - was Sie wissen müssen

Wem der mit einem Test verbundene Arztbesuch zu aufwändig ist, kann sich auch im Internet einen Test für zuhause bestellen. Das Prinzip: Man erhält einen Behälter, den man anschließend mit der Stuhlprobe in ein Labor schickt. Nach einigen Tagen liegt das schriftliche Ergebnis der Untersuchung vor. Professor Michael Quante, Gastroenterologe an der Uniklinik Freiburg, sagt: „Wenn eine Zertifizierung oder ein Gütesiegel vorliegt, kann man sich darauf verlassen, dass der Test genauso gut ist, wie wenn man den beim Hausarzt oder Gastroenterologen machen würde.“

Zertifizierte Labore sind also wichtig. Außerdem sollte man auch hier darauf achten, dass man einen immunologischen Test auswählt. Sie kosten zwar mehr als die Tests, die auf Hämoglobin reagieren, sind aber auch besser.

Im Internet findet man zusätzlich auch noch teurere Angebote, die neuartige Testmethoden versprechen. Professor Michael Quante erklärt, diese genetischen Tests versuchten, im Stuhl DNA von Polypen oder von Tumoren nachzuweisen. Sie seien jedoch noch nicht zugelassen.

Grundsätzlich gilt: Die Tests für Zuhause werden nicht von der Krankenkasse bezahlt. Gibt es beim Stuhltest einen positiven Befund, schließt sich als nächster Schritt immer eine Darmspiegelung an, um eine genauere Diagnostik zu ermöglichen.

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Doc Fischer SWR

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