Bürokratie und Rechtssicherheit

Balkonkraftwerk: Für Mieter bleiben Hürden trotz Gesetzesänderungen

Stand
Autor/in
Jutta Kaiser
Bild von Jutta Kaiser aus der SWR-Wirtschaftsredaktion.

Ein Balkonkraftwerk kaufen, in die Steckdose stecken und den erzeugten Strom selbst nutzen. Neue Gesetze sollten das auch für Mieter vereinfachen - doch es bleiben Hindernisse.

Viele Menschen wollen an der Energiewende teilhaben und mit einem Balkonkraftwerk Strom zum Eigenverbrauch erzeugen. Doch vor dem Anschluss an das Stromnetz gibt es für Mieter und Eigentümer in Mehrfamilienhäusern einiges zu beachten - auch wenn der Bundesrat entsprechende Gsetzesänderungen für zuvor vom Bundestag beschlossene Erleichterungen bestätigt hat.

Steckersolargeräte gelten rechtlich als "privilegierte Maßnahme"

Eine der Gesetzesänderungen betrifft das Wohneigentümer- und Mietrecht (WEG): Steckersolargeräte wurden hier jetzt als sogenannte "privilegierte Maßnahme" verankert. Das bedeutet: Mieter haben künftig grundsätzlich einen Anspruch, ein Balkonkraftwerk aufstellen zu dürfen. Laut der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

In der Praxis kommt es aber vor, dass einige Vermieter beziehungsweise Eigentümergemeinschaften hohe und aus Sicht von Verbraucherschützern zum Teil ungerechtfertigte Auflagen machen. Zum Beispiel, dass eine Elektrofachkraft das Balkonsolargerät aufstellen muss oder dass die Geräte nur senkrecht angebracht werden dürfen, was die Stromausbeute negativ beeinflussen kann.

Ein Sprecher der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz sieht die Gefahr, dass es durch solche Auflagen für Mietende schnell unattraktiv und unrentabel werden kann, ein Steckersolargerät zu betreiben. Da das neue Gesetz offenlässt, welche Anforderungen an die Installation eines Steckersolargerätes gestellt werden dürfen, bleibt die Rechtslage undurchsichtig. Der Verbraucherschützer fände es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber Eigentümer und -gemeinschaften Grenzen setzen würde, welche Bedingungen sie stellen können.

Installation durch Laien - und die Haftung

An einem Balkongeländer aus Metall könne ein Laie ein Steckersolargerät ohne Gefahren für die Immobilie selbst anbringen. Müsste die Aufhängung an einer gedämmten Fassade angebracht werden, stelle sich die Situation möglicherweise anders dar.

Im laut Verbraucherschützern unwahrscheinlichen Fall eines Schadens, der durch ein selbst installiertes Gerät verursacht wird, würde der Mieter jedoch haften. Daher ist es für Mieter sinnvoll, zu prüfen, ob der Betrieb eines Steckersolargerätes in der privaten Haftpflichtversicherung eingeschlossen ist.

Steckdose: Verband VDE hält an Energiesteckdose fest

Auch die Steckerfrage ist nach wie vor nicht rechtssicher geklärt - also, ob ein Laie das Balkonkraftwerk in eine haushaltsübliche Steckdose stecken darf. Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) weist darauf hin, dass der Betrieb eines Balkonkraftwerks nicht damit zu vergleichen sei, ein Radio oder ein anderes elektronisches Gerät in die Steckdose zu stecken. Immerhin speist das Balkonkraftwerk selbst Strom in den Stromkreislauf ein.

Ob ein bestehender Anschluss dafür geeignet ist oder ob dafür spezielle Arbeiten nötig sind, sollte laut VDE eine Elektrofachkraft überprüfen. Außerdem ist dem Verband zufolge eine spezielle Energiesteckdose Pflicht oder eine Elektrofachkraft muss das Gerät direkt mit der Steckdose verdrahten. Anlagen mit dem typischen Schutzkontaktstecker seien in Deutschland noch nicht zulässig. Der Grund: Sie seien nicht sicher.

Gefahr für die Gesundheit: Elektrischer Schlag beim Ausstecken

Laut einer Sprecherin des VDE könnte Folgendes passieren: Wird ein Haushaltsstecker aus der Steckdose gezogen, könnte noch Spannung an den Steckerstiften anliegen, sollte das Balkonkraftwerk weiterhin Strom produzieren. Dann bestünde die Gefahr eines elektrischen Schlags. Es gelte, eine technische Lösung zu finden, die für Nutzerinnen und Nutzer in jeder Situation sicher sei.

Die Sicherheitsanforderungen und deren Prüfung werden künftig durch die Produktnorm DIN VDE V 0126-95 definiert. Diese wird derzeit erarbeitet und voraussichtlich noch im Jahr 2024 veröffentlicht.

Der VDE warnt insbesondere davor, mehrere Balkonkraftwerke über eine Mehrfach-Steckdose an die Haushaltssteckdose anzuschließen. Informationen zum sicheren Betrieb einer steckerfertigen PV-Anlage stellt der Verband auf seinen Internetseiten zur Verfügung.

Vereinfachte Vorgaben kommen, unter anderem zur Steckdose

Eine VDE-Sprecherin weist darauf hin, Ziel sei, die neue Norm in diesem Jahr zu veröffentlichen. Diese wäre zwar nicht verpflichtend, aber eine Möglichkeit für alle Hersteller von Balkonkraftwerken, nachzuweisen, dass ihre Geräte dem aktuellen Stand der Technik entsprechen.

Die Norm ist eine Art allgemeines Regelwerk, das mögliche Kombinationen einzelner Komponenten eines Balkonkraftwerks festschreibt. Sie soll zukünftig auch ermöglichen, dass eine Haushaltssteckdose sicher für das Anschließen eines Steckersolargerätes genutzt werden kann.

Laut Verbraucherzentrale sind VDE-Normen aber auch keine Gesetze. Das bedeutet: Es ist schon jetzt nicht illegal, ein Balkonkraftwerk selbst an eine Haushaltssteckdose anzuschließen. Allerdings dürften die unterschiedlichen Auslegungen dazu führen, Menschen zu verunsichern - aus Angst vor Ärger mit dem Vermieter oder Miteigentümern.

Schon seit September 2023 können sich Hersteller ihre Geräte als Ganzes zertifizieren lassen. Das ist auch ohne die Norm bereits möglich, wenn dafür die konkreten Komponentenkombinationen eingeschickt und geprüft werden. Nach Angaben einer VDE-Sprecherin ist aber bisher noch kein Gerät geprüft und zertifiziert worden.

Unabhängig von einer Zertifizierung empfiehlt der Verband weiterhin: Vor der Inbetriebnahme eines Balkonkraftwerks sollte eine Elektrofachkraft den Hausstromkreis überprüfen.

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