- Das Urteil
- Wie Banken sich drücken
- Wo Sie Unterstützung bekommen
Der Bundesgerichtshof spricht im April 2021 ein wegweisendes Urteil. Die Folge: Banken und Sparkassen müssen ihren Kunden Erhöhungen von Kontogebühren zurückzahlen, wenn diese der Erhöhung vorab nicht zugestimmt haben. Was im April erstmal sehr gut für die betroffenen Bankkunden ausgesehen hatte, gestaltet sich in der Praxis nun schwieriger. Denn viele Banken drücken sich mit Tricks vor den Rückzahlungen. Marktcheck hat die Vorgehensweisen der Geldinstitute zusammengestellt.
Das Urteil: Schweigen ist keine Zustimmung
In der Vergangenheit haben Banken und Sparkassen Gebühren eingeführt oder erhöht, ohne dass man als Kunde ausdrücklich zustimmen musste. Für die Geldinstitute hatte es ausgereicht, die Kunden vorab zu informieren. Wenn diese daraufhin nicht mit einer Kündigung reagierten, werteten die Banken dieses Schweigen als fiktive Zustimmung – die Änderung galt als vereinbart. Die Banken stützten sich dabei auf eine Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 675g Abs. 2 BGB).
Der Verband der Verbraucherzentralen (vzbv) klagte gegen diese einseitigen Erhöhungen wegen Intransparenz gegenüber den Kunden.

Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Urteil vom 27. April 2021 fest, dass die bisherige Praxis der Geldinstitute rechtswidrig ist. Denn Kunden würden unfair behandelt, sofern mit der Änderung eine Preissteigerung oder eine sonstige Verschlechterung der Bedingungen verbunden war. Sobald sich Bedingungen verschlechtern sollen, müssen Kunden dem aktiv zustimmen.
"Die Beklagte erhält damit eine Handhabe, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten"

Welche Folgen hat das Urteil für Bankkunden?
Bisherige Erhöhungen der Kontoführungsgebühren und anderer Preise sind nur da wirksam, wo Kunden ausdrücklich ihr Einverständnis gegeben haben. Wo dies nicht geschah, sind solche Gebührenerhöhungen unwirksam. Gebührenerhöhungen ohne Zustimmung, die bereits gezahlt wurden, müssen den Kunden mit Zinsen erstatten werden. Lediglich die bei Kontoeröffnung gültigen Gebühren dürfen Sparkassen und Banken behalten.
Wie lange können Sie sich Ihr Geld noch zurückholen?
Um ihr Geld zurückzuerhalten müssen Bankkunden selbst aktiv werden und die zuviel gezahlten Gebühren zurückverlangen. Die Banken sind nicht von sich aus zu einer Rückzahlung verpflichtet. Hierzu bietet die Verbraucherzentrale einen Musterbrief an. Bevor Sie Ihr Geld zurückverlangen, sollten Sie zunächst alle Gebühren berechnen. Das Recht auf Erstattung von Beträgen verjährt nach drei Jahren zum Jahresende. Unzulässige Gebühren aus dem Jahr 2018 können also noch bis zum 31. Dezember 2021 zurückgefordert werden. Und laut der Stiftung Warentest hält der EuGH sogar eine längere Verjährungshöchstfrist von zehn Jahren ab Urteilsverkündung des BGH vom 27.04.2021 für gerechtfertigt.
Aufgepasst: Banken drücken sich vor der Zahlung
Das Urteil ist klar, was jedoch in der Theorie gut klingt, ist in der Praxis nicht ganz so leicht umsetzbar. Man muss als Kunde gut informiert sein, denn viele Geldinstitute versuchen Wege zu finden, um sich vor der Zahlung zu drücken. Dazu werden verschiedene Tricks angewendet.
Vorgehensweise 1: Drohung mit Kündigung
So versuchte zum Beispiel die Volksbank Welzheim einen ihrer Kunden unter Druck zu setzen. Man sagte ihm, dass man sein Konto gegebenenfalls auflösen müsse, wenn er auf die Rückzahlung bestehe. Der Kunde ging nicht darauf ein. So erhielt er im Endeffekt zwar sein gefordertes Geld zurück, doch die Bank kündigte ihm sein Girokonto.
Für die Verbraucherzentrale BW ist das Verhalten der Volksbank Welzheim rechtswidrig, da Druck auf den Kunden ausgeübt wurde.
Als wir die Volksbank Welzheim im Rahmen unserer Recherchen mit diesem Vorwurf konfrontiert, erwidert man uns: "Andere Lösungswege würden es letztendlich nicht ermöglichen, dieses Kontoführungsprogramm - gerade zu den bisherigen, sehr günstigen Konditionen - weiterführen zu können."
Vorgehensweise 2: Der Deal
Einige Geldinstitute versuchen sich mit Gegenangeboten um die Rückzahlung zu drücken. So schlägt etwa die Sparda-Bank Baden-Württemberg ihren Kunden folgendes vor: Entweder man verzichtet auf die Rückerstattung und zahlt dafür bis 2024 nur 5 Euro monatliche Gebühren. Oder man erhält die Gebühren zurück, zahlt dann aber 7,50 Euro monatlich.
Für die Verbraucherzentrale liegt hier eine aggressive geschäftliche Handlung vor, die Sparda-Bank Baden-Württemberg habe laut dem Wettbewerbsrecht rechtswidrig gehandelt.
Bei der Sparda-Bank kann man diese Vorwürfe in keiner Weise nachvollziehen. Man sagt uns, dass das Konto mittlerweile für alle Kunden 7,50 Euro koste, man habe sich aber entschieden, Kunden, die auf eine Rückforderung der Kontoführungsgebühren verzichten, eine ermäßigte Kontoführungsgebühr anzubieten. Laut Erklärung der Bank würde der erklärte Verzicht so wirtschaftlich in etwa kompensiert.

Vorgehensweise 3: Verunsicherung
Manche Banken versuchen ihre Kunden zu verunsichern, indem sie behaupten, ihr Geldinstitut sei von dem Urteil nicht betroffen. Sie argumentieren, dass das Urteil des BGH nur für Kunden der Postbank gelte. Jan Liesenfeld von der Kanzlei Gansel ist Experte für Bankgebühren. Er kennt das Verhalten der Banken und weiß:
„An dem Rechtsstreit war nur die Postbank auf Bankenseite beteiligt. Formal betrifft das Urteil deshalb nur die Postbank. In der Sache betrifft es aber alle Banken, die die gleiche Klausel verwenden, wie die Postbank. Und da die Postbank eine Musterklausel benutzt, die tatsächlich so von allen Banken verwand wird, ist das Urteil selbstverständlich übertragbar auch auf andere Banken.“
Lassen Sie sich also nicht verunsichern: Auch wenn Sie nicht bei der Postbank sind, können Sie sich die Gebühren zurückholen.
Vorgehensweise 4: Verwirrung
Als eine weitere Methode zur Verunsicherung wird ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2016 genutzt. So verweist die Sparkasse Trier auf ein BGH-Urteil zu Energielieferverträgen. Demnach stimmt der Kunde Preiserhöhungen zu, wenn er ihnen nicht innerhalb von drei Jahren widerspricht. Als Kunde ist es schwer, hier den Durchblick zu behalten. Bankrechtsexperte Peter Gundermann hat sich das zweite BGH-Urteil angeschaut:
„Wir sind der Auffassung, dass es auf diesen Fall nicht übertragbar ist. Es gilt das, was der Bundesgerichtshof jetzt im April 2021, entschieden hat. Deswegen meinen wir, dass sich die Banken darauf nicht erfolgreich berufen können.“
Die Sparkasse Trier bleibt auf Nachfrage von Marktcheck bei ihrer Rechtsansicht.
Vorgehensweise 5: Sympathie und Mitleid
Die Begründung, warum der Kunde hier auf sein Geld verzichten soll ist, dass die Bank ihre Arbeit gemacht habe und deshalb die gezahlte Gegenleistung wert sei.
Rüge der BaFin
Neben den genannten Tricks gibt es noch viele weitere. Die Banken sind so einfallsreich, dass es der Aufsichtsbehörde BaFin langsam reicht. Sie hat eine Rüge erteilt und fordert eine „schnelle, unbürokratische und transparente“ Umsetzung des BGH-Urteils. Es wird spannend, ob die Geldinstitute darauf reagieren.
Wo können Sie sich Unterstützung holen?
Wenn sich die Bank weigert die Gebühren zurückzuzahlen, können Sie sich Unterstützung bei einem Ombudsmann, also einer unparteiischen Schiedsperson, holen. Einen entsprechenden Schiedsspruch müssen die Banken akzeptieren. Außerdem gibt es inzwischen Unternehmen, die ein sogenanntes Verbraucherinkasso anbieten und die Erstattungsforderungen durchsetzen. Dieser Service kostet allerdings je nach Anbieter eine Pauschale oder eine Provision. Inzwischen haben sich sogar Anwaltskanzleien auf die Gebührenrückforderungen spezialisiert. Eine Kanzlei aus Berlin fordert inzwischen für rund 3.400 Mandaten bei über 200 Banken Gebühren zurück.