Sophia Fritz und Martin Bechler geben in ihrem Roman „Kork“ Weinempfehlungen, abgestimmt auf Lebenslagen statt auf Fleischsorten.
Katharina Adlers Roman „Iglhaut“ blickt auf die eigensinnigen Bewohner*innen eines Münchner Mietshauses.
Denis Scheck trifft Katharina Adler in Berlin
Iglhaut, so heißt Katharina Adlers Protagonistin in ihrem neuen gleichnamigen Roman. Iglhaut ist Schreinerin, betreibt in einem Münchner Hinterhof ihre Werkstatt. Und Iglhaut, die eine große Liebe zu Whiskey-Cocktails und dem Coen-Film „The Big Lebowski“ hegt, will eigentlich nur ihre Ruhe und ihre Freiheit mit ihrem Hund „Kanzlerin“ genießen.
Doch jede Bewohnerin, jeder Nachbar des Mietshauses, der rein oder raus will, muss an ihrer Werkstatt vorbei. So drängen immer mehr Menschen mit ihren Geschichten in Iglhauts Leben, alte komplizierte und neue schrullige Liebhaber machen sich breit und schnell wird klar, dass Iglhauts Stacheln doch nicht so scharf sind wie anfangs gedacht.
Katharina Adlers Ton, deren vorangegangener Roman „Ida“ ein Porträt ihrer Großmutter zeichnet, ist dabei komisch, herzlich und unerhört lässig.
Eine beglückende Lektüre.
Zur Autorin
Katharina Adler, 1980 geboren, studierte Amerikanische Literaturgeschichte und lebt heute wieder in ihrer Geburtsstadt München. Nach ihrem Studium gründete sie mit befreundeten Schriftsteller*innen den Co-Working-Space „adler & söhne“, der bis 2015 bestand. 2018 erschien ihr viel gelobtes Debüt „Ida“. Außerdem schrieb Adler das Drehbuch für den im Januar 2022 ausgestrahlten SWR-Tatort „Videobeweis“.
Denis Scheck spricht in der Velvet Bar Berlin mit Martin Bechler
„Kork“, der Weinführer und Roman zugleich ist, bezeichnet sich selbst als „der Weisheit letzter Stuss und eine einzige Fehlbehauptung in Romanform“ und gibt Weinempfehlungen, die nicht auf die Fisch- oder Fleischsorte, sondern auf Lebens- und Gefühlslagen zugeschnitten sind.
In der Weinstube Bacchus treffen Sophia und Martin aufeinander. Sophia, Anfang 20 und Kellnerin, hat ihr Psychologiestudium abgebrochen und führt seither ein obskures Sozialexperiment im Bacchus: Nie serviert sie den von den Gästen bestellten Wein. Im festen Glauben zu wissen, was wirklich getrunken werden sollte, täuscht sie alle bis auf Martin, einen Mitte 40 Musiker. Sophia und Martin krönen sich selbst zu Propheten des Weins; ihre Kanzel ist die Theke.
Defintiv eine Leseempfehlung
Zu den Autor*innen
Sophia Fritz, geboren 1997 in Tübingen, studiert seit 2017 Drehbuch an der Filmhochschule München. Nachdem sie 2019 bei Herder das Sachbuch „Gott hat mir nie das Du angeboten“ veröffentlichte, erschien 2021 ihr Debütroman „Steine schmeißen“ im Kanon Verlag.
Martin Bechler, 1969 geboren, ist vieles zugleich. Als studierter Musikwissenschaftler arbeitet er als Musiker, Komponist, Texter (u.a. für Theater), Musikproduzent und begleitete dabei schon Touren von u.a. Rainald Grebe und Charlotte Roche. Außerdem ist er der Kopf der eigensinnigen Indie-Pop Band „Fortuna Ehrenfeld“.
Buchkritik Katharina Adler - Iglhaut
Katharina Adler hat ein Faible für starke Frauenfiguren. In ihrem zweiten Roman erzählt sie von einer selbstbewussten Münchner Schreinerin und einer eigenwilligen Hinterhofgemeinschaft. Elegant und mit Esprit fängt sie dabei die Schönheit des Unspektakulären ein.
Rezension von Holger Heimann.
Rowohlt Verlag, 288 Seiten, 23 Euro
ISBN 978-3-498-00256-5