Gespräch mit Antje Rávik Strubel, Gewinnerin des Deutschen Buchpreises
Denis Scheck ist nach Potsdam gereist und spricht dort mit Antje Rávik Strubel über „Blaue Frau“. Das neue Buch wurde als bester deutschsprachiger Roman 2021 ausgezeichnet: "Mit existenzieller Wucht und poetischer Präzision schildert Antje Rávik Strubel die Flucht einer jungen Frau vor ihren Erinnerungen an eine Vergewaltigung. Schicht um Schicht legt der aufwühlende Roman das Geschehene frei. …“ – so begründete die Jury der Deutschen Buchpreises ihre Wahl in diesem Jahr.
Ich will eine Geschichte so erzählen, dass die Hauptfigur Mitgefühl erweckt - kein Mitleid.
Auch in diesem Roman von Antje Rávik Strubel spielt Heimatlosigkeit eine entscheidende Rolle. Und damit Schutzlosigkeit: Die junge Adina wächst im tschechischen Riesengebirge auf, lernt bei einem Sprachkurs in Berlin die Fotografin Rickie kennen, die ihr ein Praktikum in der Uckermark in einem Kulturhaus vermittelt. Adina wird dort vergewaltigt und strandet schließlich in einem Plattenbau in Helsinki, wo sie das Erlebte vergessen will und den estnischen EU-Abgeordneten Professor Leonides kennenlernt, der sich in sie verliebt.
Helsinki ist die Stadt der Menschenrechte, in der 1975 Vertreter des Ost- und Westblocks die Schlussakte der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) unterzeichneten, zu der auch die Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten gehörte.
Vor diesem politischen Hintergrund spielt der Roman Antje Rávik Strubels. Wird der Täter belangt? Oder trifft die bittere Wahrheit der Philosophin Hannah Arendt zu: „Gerade Heimatlose besitzen keine Menschenrechte, weil es niemand gibt, der sie durchsetzt.“ Antje Rávik Strubel erzählt, dass die Recherchen zum Buch sie zornig gemacht haben: Von 100 angezeigten Vergewaltigungen werden nur 10 Täter verurteilt!
Zur Autorin:
Antje Rávik Strubel wurde 1974 in Potsdam geboren. Durch ihre Eltern kam sie früh mit amerikanischer Literatur in Berührung. Sie studierte Amerikanistik, Psychologie und Literaturwissenschaften in New York und Potsdam.
Ihre schriftstellerische Karriere begann 2001 beim renommierten Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, wo sie den Ernst-Willner-Preis für ihren Text erhielt. Seither sind acht Romane von ihr erschienen. Ihren bisher erfolgreichsten Roman schrieb sie 2004: „Tupolew 134“, in dem es um eine historisch verbürgte, jedoch nie aufgeklärte Flugzeugentführung geht.
Seit 2003 schreibt Antje Rávik Strubel Kolumnen für die „Emma“, übersetzt aus dem Schwedischen und aus dem Englischen, u.a. Bücher von Joan Didion und Virginia Woolf, und sie unterrichtete am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie war mehrfach als Writer in Residence in Helsinki.
Schecks Anti-Kanon
Denis Scheck hat sich vorgenommen, die in seinen Augen schlechtesten Bücher zu lesen und einen persönlichen Anti-Kanon aufzustellen. Dazu gehört die Autobiografie „Den Wolf umarmen“ von Luise Rinser: „Wir alle lassen uns in unseren Erzählungen über unser Leben in besserem Licht erscheinen. Wir lügen, manipulieren, deuten um und beschönigen. Luise Rinser hat dies aber in einem Maß getan, das auch heute noch bemerkenswert ist.“ So das Urteil von Denis Scheck.
Reitgespräch mit Juli Zeh über George Packer
Die bekannte Schriftstellerin und streitbare Intellektuelle Juli Zeh reitet mit Denis Scheck wieder durch die schöne Landschaft Brandenburgs. In der Satteltasche das Buch „Die letzte beste Hoffnung“ des amerikanischen Journalisten George Packer.
Er zieht Bilanz und diagnostiziert nach der Regierungszeit von Donald Trump eine immense Zerrissenheit innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Packer erörtert, weshalb die Krise der Demokratie in den USA eine Krise der westlichen Gesellschaft ist und wie sich Amerika noch retten kann.
Ich stimme George Packer absolut zu in der Analyse, aber nicht in seinen Rezepten für die Zukunft.
Das ungekürzte Reitgespräch über den Essay von George Packer finden Sie hier.