Bahnhofsstraße in Schillingen

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Ein Film von Fatma Aykut

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Blick auf den Ort Schillingen (Foto: SWR, SWR -)
Blick auf den Ort Schillingen

Eine Straße kann die unterschiedlichsten Menschen zusammenführen, sie kann sie trotz ihrer Unterschiede miteinander verbinden. So eine Straße ist die Bahnhofstraße in Schillingen, im Hochwald, da wo der Hunsrück aufhört! Die Bahnhofstraße ist neben der Hochwald- und der Trierer Straße die dritte Hauptstraße. Sie beginnen zusammen am Dorfplatz, dem Herzzentrum des 1.100-Einwohner-Ortes.

Von hier aus schlängelt sich die Bahnhofstraße entlang der Volksbank, dem Dorf-Gasthaus, dem Dorf-Teeladen vorbei an einer alteingesessenen Steinmetz-Firma, am Frischemarkt bis hinaus ins grüne Hochland, wo der Horizont zum Greifen nahe ist. Nur eines sucht man in der Bahnhofstraße vergeblich: einen Bahnhof. Darüber hinaus bietet sie aber für jedermann etwas: für die, die es eher bodenständig mögen, für Traditionsbewusste, für Kulturinteressierte und für die, die immer auf der Suche nach etwas Außergewöhnlichem sind.

Eine Teezeremonie im "Drachenladen" (Foto: SWR, SWR -)
Eine Teezeremonie im "Drachenladen"

Außergewöhnlich, das trifft auf den Teeladen zu: "Drachenladen". Von außen unscheinbar, drinnen klein und kuschelig, es duftet nach fruchtigem Tee, Räucherstäbchen. In einer kleinen Sitzecke serviert die Besitzerin Tee. Und genau diese Besitzerin macht den "Drachenladen" zu etwas ganz Außergewöhnlichem: Hsing-Yung Liang.

Die Taiwanesin lebt seit 1997 mit ihrem Ehemann und ihrem gemeinsamen Sohn Max in Schillingen. Kennengelernt hat sich das Paar 1985 in Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan. Joachim Maßem, geboren und aufgewachsen in Schillingen in der Bahnhofstraße, hat Sinologie studiert, spricht fließend Mandarin-Chinesisch.

Bahnhofstraße in Schillingen (Foto: SWR, SWR -)
Bahnhofstraße in Schillingen

Gemeinsam haben sie zuerst in Taiwan, anschließend in China gelebt und sind 1997 dann kurzerhand, ohne viel nachzudenken, nach Schillingen umgezogen - in das Elternhaus von Joachim Maßem in der Bahnhofstraße. Für die Großstädterin Hsing-Yung Liang, die es bis dato gewohnt war, sich in die Menschenmenge zu stürzen, war die Stille in Schillingen am Anfang nicht immer leicht zu ertragen. Inzwischen hat sie hier Wurzeln geschlagen, schätzt die Ruhe, das Grün, geht sogar wandern. Auch Joachim Maßem hat nach anfänglichem Zögern seine Liebe zur alten Heimat neu entdeckt.

Nicht ganz so weit wie Hsing-Yung Liang ist Elfriede Karges gereist. Die 81-Jährige stammt aus der Eifel. Gemeinsam mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann zog sie per Zufall nach Schillingen. Das damals junge Paar wollte heiraten und zusammenziehen, er arbeitete bei einer Elektrofirma in Saarburg, sah das Haus in Schillingen. Elfriede kam, sah und kaufte. Am selben Tag, als sie beim Notar den Kaufvertrag unterschrieben, heirateten sie.

Heute lebt Elfriede Karges alleine in dem riesigen Haus in der Bahnhofstraße. Ihr Mann verstarb vor 20 Jahren. Während ihrer Trauer standen die Schillinger ihr sehr nahe, haben Trost gespendet und sie noch enger in der Gemeinschaft verankert.

Die Schillinger Kulturgruppe (Foto: SWR, SWR -)
Die Schillinger Kulturgruppe

Schon zu Lebzeiten ihres Mannes waren die Karges bestens integriert in die Dorfgemeinschaft: kein Verein ohne die Karges'. Diese Tradition führt Elfriede Karges nun alleine fort. Vor allem die Kulturgruppe liegt ihr am Herzen. Mit ihr reist Elfriede Karges mehrmals im Jahr zu Bauernmärkten und Großveranstaltungen im Land. Die Frauen und Männer aus Schillingen führen dann mit alten Gerätschaften aus der Landwirtschaft vor, wie das Leben früher war. Mit Musik und Originalkleidung aus der damaligen Zeit.

Elfriede Karges ist eine der wenigen aus der Gründergeneration. Die meisten sind neu dazu gestoßen. Sie wollen Traditionen bewahren und haben in Elfriede Karges, die sich zunächst zurückziehen wollte, eine kundige Gefährtin gefunden.

Eine große Tradition hat auch das Gasthaus Maßem an der Bahnhofstraße. 142 Jahre haben die alten Gemäuer schon auf dem Buckel. In einer Zeit, in der in vielen Dörfern die Kneipen sterben, Gastwirte vor den Kosten kapitulieren oder keine Nachfolger mehr finden. Christof Maßem ist sichtlich stolz auf die 142 Jahre, die seine Vorfahren und er bewältigt haben. Er erzählt aber auch, welche enorme Last diese Zahl ist, denn wie heißt es so schön: Tradition verpflichtet auch.

Karte von Schillingen (Foto: SWR, SWR -)
Karte von Schillingen
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SWR Fernsehen