Sieben Züge pro Stunde, von denen zwei anhalten, die restlichen durchrauschen, prägen das obere Ende der Bahnhofstraße akustisch. Die nette Familie, die eine Wohnung im früheren Bahnhofsgebäude bezogen hat, stört das schon lange nicht mehr; die beiden Mädchen haben sich an die Geräusche gewöhnt, und ihre Mutter steht morgens sowieso vor dem ersten Zug auf. Gleich gegenüber in der früheren Bahnhofsgaststätte wohnt ein begeisterter Sammler. Lazar Dvornic hat viel Platz hinter dem großen Hoftor, und so schleppt der Kroate das ein oder andere Schnäppchen vom Flohmarkt nach Hause.
Erika Wießner aus Hausnummer 10 macht derweil lieber die Bahnhofstraße mit ihrem himmelblauen Motorroller unsicher. Wobei, unsicher ist nicht ganz das richtige Wort; das Vehikel ist gedrosselt und fährt nur ganze 25 Stundenkilometer. Gerda Wüst ist die wohl älteste Bewohnerin der Bahnhofstraße. Mit 90 Jahren dreht sie noch ihre Runden im Dorf und kocht nach wie vor für sich selbst. Dass die humorvolle Seniorin seinerzeit den Familientraktor virtuos rückwärts in die Hofeinfahrt schnitzte und sogar bis vor wenigen Jahren noch am Steuer ihres Autos saß, nimmt man ihr sofort ab. Es muss ja nicht jeder in der Bahnhofstraße auch mit dem Zug fahren.