Betroffene leiden

Stottern - wenn Sprechen schwer fällt

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Stotternde Menschen wissen eigentlich, was sie sagen wollen. Es fällt ihnen aber schwer, flüssig zu reden. Deshalb spricht man beim Stottern von einer Störung des Redeflusses. Das kann seelisch belasten und den Alltag beeinflussen. In Deutschland sind mehr als 830.000 Menschen betroffen. In den meisten Fällen lässt sich die Redeflussstörung aber gut behandeln.

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Was ist Stottern?

In der Fachwelt wird Stottern als Störung des Redeflusses definiert. Deren Symptomatik kann sich auf sprachlicher, motorischer, gefühlsmäßiger, gedanklicher und sozialer Ebene in unterschiedlicher Art und Weise ausprägen. Etwa fünf Prozent aller Kinder stottern bis zum sechsten Lebensjahr. Vereinzelt tritt Stottern bei Kindern aber auch später auf. Die Spontanheilungsrate, die sog. Remission, ist im Kindesalter noch sehr hoch, mit Eintritt der Pubertät jedoch bildet sich Stottern nur noch sehr selten zurück.

Aber auch Erwachsene stottern. Männer sind etwa fünfmal so häufig betroffen wie Frauen.

Welche Symptome können auftreten?

Kernsymptome des Stotterns sind:

  • Wiederholungen von Lauten, Silben oder Wörtern ("Bi Bi Bi Bitte!" oder "Undundund")
  • Dehnungen von Lauten ("Aaaaaber")
  • Blockaden: ("fortg...ehen")

Diese "Unflüssigkeiten" treten unbeabsichtigt und wiederholt auf. Betroffene schaffen es in der Regel nicht, das Stottern zu unterdrücken. Als Folge können weitere Auffälligkeiten hinzukommen, sogenannte Begleiterscheinungen. Einige Betroffene bewegen beim Sprechen die Arme oder den Körper mit. Andere atmen anders oder flüstern, um flüssiger zu sprechen.

Weitere Symptome sind nicht sichtbar: Sprechängste beispielsweise oder das Vermeiden und Verschleiern von Stottern. Betroffene tauschen blitzschnell Wörter aus, benutzen Füllwörter oder es werden Sprechsituationen generell vermieden. Solche Begleitsymptome können stotternde Menschen im Alltag extrem belasten, verstärken sich und führen zum sozialen Rückzug.

Warum stottern wir?

Die Hauptursache von Stottern liegt nach heutigem Kenntnisstand in einer vererbten Veranlagung. Diese führt nicht zwangsläufig, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Auftreten von Stottern. Stottern ist also eine neurologisch bedingte Störung des Redeflusses und beruht nicht auf psychischen Problemen.

Auch lässt diese Störung des Redeflusses zudem keinerlei Rückschlüsse auf die Intelligenz, den Charakter oder die Herkunft der betroffenen Person zu. Die Ursachen für das Stottern sind, neben einer möglichen Erbanlage, in der Hirnkoordination zu finden.

Stottern (Foto: Colourbox, Coloubox -)

So erklärten Göttinger Forscher im Jahr 2015, bei Stotternden funktioniere die Bewegungsvorbereitung im linksseitigen motorischen Areal des Gehirns nicht gut. Schon ein paar Jahre zuvor hatten Wissenschaftler herausgefunden: Bei Stotternden wird die Sprechmuskulatur angesteuert, bevor die Planung der Wörter abgeschlossen ist. Zudem scheint das auditorische Feedback der eigenen Sprache gestört zu sein: Die Betroffenen hören sich also selbst nicht richtig, was verwirrend sein kann. Die Ursache des Stotterns ist wissenschaftlich aber noch nicht restlos erklärt.

Wie kann Stottern diagnostiziert werden?

Um Stottern frühzeitig festzustellen, achten Kinderärztinnen und Kinderärzte bei den Vorsorge-Untersuchungen auf die Sprache eines Kindes. Besteht ein Verdacht auf Stottern, können Fachleute aus verschiedenen Bereichen hinzugezogen werden. Diese kommen meist aus der Phoniatrie-Pädaudiologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Logopädie und Sprachtherapie.

Eine Anlaufstelle für Erwachsene ist zunächst die Hausarztpraxis. Hier steht ein ausführliches Diagnosegespräch am Anfang. Der Arzt, die Ärztin erkundigt sich nach Gefühlen, Belastungen, der Schule oder Ausbildung, dem Beruf. Weitere Hinweise geben Sprechproben. Außerdem können besondere Tests und Fragebögen zum Einsatz kommen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Stottern lässt sich in den meisten Fällen gut behandeln. Sowohl bei Kindern als auch im fortgeschrittenen Alter ist es möglich, den Redefluss nachhaltig und deutlich zu verbessern. Außerdem kann die Therapie typische Begleitsymptome wie Vermeidungsverhalten und Sprechangst günstig beeinflussen und das Selbstwertgefühl erheblich steigern.

Es gibt zahlreiche Therapiemethoden für Stotternde. Als wirksam haben sich Verfahren erwiesen, bei denen Betroffene eine völlig neue Sprechweise trainieren (Sprechstrukturierung). Diese soll Stottern nicht aufkommen lassen.

Betroffene üben Sprechtechniken

Daneben gibt es Ansätze, die das Stottern direkt verändern sollen (Stottermodifikation). Hier üben Betroffene eine Sprechtechnik, um auf Stotterereignisse einzuwirken. Außerdem lernen sie, sich "kritischen" Situationen zu stellen. Ein weiterer Ansatz ist die sogenannte "Nicht-Vermeidungs-Strategie" (Non-Avoidance-Ansatz). Diese setzt bei der Erkenntnis an, dass sich unter Stress das Stottern verschlimmert und dass das Stottern selbst ebenfalls Stress erzeugt. So geht es zunächst darum, seine Störung zu akzeptieren und nicht mit ihr zu hadern. Zudem lernen die Betroffenen Beruhigungsmethoden.

Bevor sich Betroffene für eine bestimmte Stottertherapie entscheiden, ist es wichtig, mehr über die Methoden und Formen zu erfahren, um für sich selbst oder das stotternde Kind ein möglichst passendes Angebot zu finden. Wie lange eine Therapie dauert, lässt sich schwer vorhersagen. Fachleute empfehlen die Behandlung zu ändern, wenn sich nach drei Monaten das Stottern oder das begleitende Verhalten nicht bessert.

Was können Gesprächspartner tun?

Die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. hat ein paar einfache Verhaltenstipps für das Gespräch mit stotternden Menschen formuliert:

Blickkontakt halten, aussprechen lassen, geduldig zuhören und keine gut gemeinten Ratschläge geben wie "Atme tief durch" oder "Denk nach, bevor du sprichst".

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AUTOR/IN
SWR Fernsehen