Nach einer Corona-Infektion

So schlecht kann es Long COVID-Patienten gehen

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Am liebsten würde sie aus dem Bett springen, an das sie seit November 2021 gefesselt ist. Aber es geht nicht. Rabea Weckbecker aus Moselkern fehlt die Kraft. Sie leidet unter ME/CFS (kurz für Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue-Syndrom), einer bislang relativ unbekannten Krankheit, die auch nach einer Covid-19-Infektion auftreten kann und als schwerste Form von Long COVID gilt. Long COVID ist die Bezeichnung von Spätfolgen nach einer Covid-19-Infektion.

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ME/CFS wird in den meisten Fällen wohl durch eine Virusinfektion ausgelöst. Mindestens 300.000 Menschen sind allein in Deutschland betroffen. Und seit Corona kommen immer mehr Patienten dazu. Denn: Geschätzt genesen etwa 20 Prozent aller von Long COVID-Betroffener nicht mehr gänzlich - es dürften mittlerweile weit mehr als Hunderttausend sein.

Experten sprechen von einer "stillen menschlichen Katastrophe", weil die Betroffenen oft zu erschöpft sind, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Jeden und jede kann es treffen: Infizierte mit leichtem oder schwerem Verlauf, Geimpfte und Nicht-Geimpfte. In seltenen Fällen kann sogar die Impfung selbst ME/CFS auslösen. In der Mehrzahl trifft es jüngere Frauen wie Rabea Weckbecker. 30 Jahre ist sie alt. Mitten im Psychologiestudium wurde die leidenschaftliche Reiterin aus dem Alltag gerissen. Eine totale Erschöpfung ist nur eines der zahlreichen Symptome, an denen sie seit einer Infektion mit Covid-19 leidet. Schmerzen am ganzen Körper oder auch eine hohe Licht- und Geräuschempfindlichkeit kommen hinzu. Außerdem leidet Rabea Weckbecker an kognitiven Störungen.

Besonders tückisch: die Belastungsintoleranz. Jede kleine Anstrengung kann zu einem Zusammenbruch führen. Ein sogenannter Crash, der manchmal tagelang anhält.

Dr. med. Isabelle Greber ist eine von wenigen Medizinerinnen und Medizinern in Deutschland, die auf MECFS spezialisiert sind (Foto: SWR)
Dr. med. Isabelle Greber ist eine von wenigen Medizinerinnen und Medizinern in Deutschland, die auf ME/CFS spezialisiert sind

Dr. med Isabelle Greber aus Boppard hat sich auf ME/CFS spezialisiert, eine von wenigen Expertinnen und Experten in Deutschland. Sie sagt:

"Oft wird die Diagnose "Depression" gestellt. Während aber für depressive Menschen Bewegung wichtig ist, bewirkt sie bei ME/CFS genau das Gegenteil."

Anstrengung verschlechtert die Situation zum Teil dramatisch. Deswegen müssen Patienten wie Rabea Weckbecker unbedingt geschont werden. Auch sie wurde lange falsch behandelt, ihr Zustand verschlechterte sich immer weiter.

Vielen Ärzten fehlt das Wissen über ME/CFS, auch gibt es bislang wenig Forschung zur Krankheit und ihren Ursachen.

Klar ist nur, dass der Körper sein eigenes Nervensystem angreift. ME/CFS ist eine neuro-immunologische Krankheit. Immer wieder setzen Mediziner Hoffnungen in neue Medikamente. Einiges wurde schon erprobt. Ein großer Teil wieder verworfen.

Noch in der Erprobung und nicht unumstritten: Verschiedene Methoden der Blutreinigung, um Long COVID zu therapieren (Foto: SWR)
Noch in der Erprobung und nicht unumstritten: Verschiedene Methoden der Blutreinigung, um Long COVID zu therapieren

Derzeit ist das Präparat BC007 vielversprechend. An der Augenklinik des Universitätsklinikums Erlangen gab es einige wenige Versuche mit BC007. Alle waren sehr erfolgreich. Es fehlen aber noch wissenschaftliche Studien, denn das Medikament ist bisher nur für andere Krankheiten zugelassen. Ähnlich sieht es aus für verschiedene Methoden der Blutreinigung.

Und so hilft den Betroffenen derzeit einzig das sogenannte Pacing, ein Energiemanagement für den eigenen Körper. Pacing bedeutet, Patienten dürfen sich maximal so belasten, wie es der eigene Körper zulässt und nicht darüber hinaus.

Für Rabea Weckbecker heißt das, sie verlässt ihr Bett kaum noch. Selbst der Besuch von Freunden oder Großeltern ist seit Ausbruch ihrer Krankheit nicht mehr möglich. Zu anstrengend für sie.

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