Umweltschutz und Sicherheit

Was bringt ein Tempolimit

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Die Diskussion um ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen spaltet die Gesellschaft und wird häufig sehr emotional geführt. Rund 51 Prozent der Deutschen sprechen sich laut einer Umfrage von Infratest dimap für ein Tempolimit aus.

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Wodurch trägt ein generelles Tempolimit auf Autobahnen zum Umweltschutz bei?

Die Mehrheit der Verkehrsexperten ist sich einig: Unsere Umwelt würde von einem Limit profitieren. Denn langsamere Geschwindigkeit führt zu einem geringeren Luftwiderstand und damit auch zu einem reduzierten Kraftstoffverbrauch. Dadurch würden CO2-Emissionen und der Ausstoß anderer Schadstoffe verringert werden. Bei Stickoxiden würde die Einsparung laut wissenschaftlichen Studien bis zu 16 Prozent betragen. Ein zusätzlicher Effekt wären Lärmreduktionen, von denen Ortschaften profitieren würden, die nahe an Autobahnen liegen.
Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes könnten Pkw bei Tempo 120 bis zu neun Prozent ihres CO2 Ausstoßes einsparen. Das entspräche bis zu drei Millionen Tonnen des Treibhausgases. Das Problem: Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 1999. Neue Daten - Fehlanzeige.

Wilko Manz, Verkehrsexperte (Foto: SWR)
Der Verkehrsexperte Wilko Manz von der TU Kaiserslautern bemängelt, dass es keine aktuellen Studien gibt über die Auswirkungen eines Tempolimits.

Der Verkehrsexperte Wilko Manz von der TU Kaiserslautern bemängelt, dass es keine aktuellen Studien gibt über die Auswirkungen eines Tempolimits. Er nennt auch die Gründe für dieses Forschungsloch: Einerseits läge es an der schwierigen Vergleichbarkeit von Strecken mit und ohne Tempolimit, also an methodischen Hürden. Andererseits fehle der politische Wille, neue Studien zu finanzieren. Auch wenn die Wirkungsstärke umstritten ist: Die Wirkungsrichtung eines Tempolimits wäre klar: CO2-Emissionen und Schadstoffausstoß würden sich verringern.
Bis 2030 sollen im Verkehrssektor 40 bis 42 Prozent des CO2-Ausstoßes gegenüber 1990 reduziert werden. Das Problem ist, dass die Treibhausgasemissionen durch den Verkehr in den letzten Jahren im Vergleich zu anderen Sektoren zugenommen haben. Denn die Autos sind seit 1995 zwar effizienter und sauberer geworden, sie stoßen im Schnitt 15 Prozent weniger CO2 aus. Doch die Verkehrsleistung ist um 21 Prozent gestiegen – das heißt, es wird immer mehr gefahren. Und da Autos für rund 60 Prozent der Treibhausgasemissionen des deutschen Verkehrs verantwortlich sind, scheint eine umweltfreundlichere Gestaltung des Pkw-Verkehrs kaum vermeidbar zu sein, sollen die Klimaziele erreicht werden.

aus Wolken geformte CO2-Schrift (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Um die nationalen Klimaziele zu erreichen, ist eine CO2-Reduktion nötig.

Wie würde sich ein Tempolimit auf die Sicherheit auf deutschen Autobahnen ausüben?

Fast 13 Prozent der jährlichen Verkehrsopfer kommen auf deutschen Autobahnen zu Tode, im Jahr 2017 waren das 409 Unfallopfer. Im Vergleich zu Landstraßen sind Autobahnen damit weniger gefährlich, denn 56 Prozent aller im Straßenverkehr Verunglückten kamen auf Landstraßen um. Dies wird in der Debatte um ein Tempolimit häufig als Gegenargument verwendet – die Autobahnen seien schon sicher, andere Straßen bedürften viel eher der Aufmerksamkeit.
Einerseits richtig, bestätigt Wilko Manz. Andererseits schaffe ein generelles Tempolimit die Vorraussetzung, die Anzahl an Unfallopfern und Schwerverletzten auf Autobahnen noch weiter zu reduzieren. Dies sei zum Beispiel auf geringere Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Verkehrsteilnehmern und einen deutlich verringerten Bremsweg bei niedrigerem Tempo zurückzuführen. Ähnlich wie bei Studien zur Umwelteinwirkung eines Tempolimits gilt auch beim Thema Sicherheit: Mehr Untersuchungen wären notwendig, um genaue Prognosen stellen zu können – Studien gingen jedoch von bis zu 140 weniger Unfallopfern auf Autobahnen aus, so Wilko Manz.
Die individuelle Freiheit und eine verkürzte Reisezeit scheinen besonders für männliche Autofahrer wichtiger zu sein. Doch die Zeitgewinne bei einem Durchschnittstempo von 150 Stundenkilometern fallen nur noch gering aus.

Welche Regelungen gibt es in anderen Ländern Europas?

Ein Blick auf die Karte zeigt: Alle anderen Staaten in Europa haben ein Tempolimit. Nur die Höchstgeschwindigkeiten unterscheiden sich. In Belgien darf zum Beispiel nur 120 Stundenkilometer gefahren werden, in Frankreich 130, und in Polen sogar 140. Auch in Deutschland könnte die Höhe eines generellen Tempolimits also diskutiert.

Was wären Auswirkungen auf Autobahnen in Rheinland-Pfalz?

Von einer Neuregelung der Höchstgeschwindigkeit wären rund 962 Kilometer in Rheinland-Pfalz betroffen.

Tempolimit RLP (Foto: SWR)
In Rheinland-Pfalz gibt es in beiden Fahrtrichtungen zurzeit 1754 Kilometer Autobahn, davon sind 792 Kilometer ohne Tempolimit.

Stefanie Loth, stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz, betont, dass eine Begrenzung der Geschwindigkeit auf diesen Streckenabschnitten für mehr Sicherheit sorgen könne – für die Verkehrsteilnehmer und die auf Autobahnen arbeitenden Polizisten. Sofern sie es personell überwachen könnten, sei ein Limit von Seiten der Polizeigewerkschaft also grundsätzlich zu begrüßen. Dagegen hält der ADAC Mittelrhein andere Regelungen wie etwa flexible Verkehrsbeeinflussungsanlagen, die die Höchstgeschwindigkeiten je nach Verkehrsdichte regulieren, für ausreichend. Etwa zehn Prozent der deutschen Autobahnen sind mit solchen Anlagen ausgestattet.
Wilko Manz gibt zu bedenken, dass diese Anlagen in der Unterhaltung teuer und für längere Strecken daher ungeeignet seien – diese passten vielmehr zu Ballungsräumen mit zeitweise hohem Verkehrsaufkommen. Ein generelles Tempolimit hätte für den Verkehrsexperten drei klare Vorteile: Es sei sehr einfach umzusetzen, verursache kaum Kosten in der Einführung und die Wirkungen, auch wenn sie möglicherweise nicht die größten seien, kämen unmittelbar.

Fazit

Viel diskutiert, kaum untersucht: Die Auswirkungen eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen. Für die einen Verlust ihres Freiheitsgefühls, für die anderen notwendige Maßnahme. Verlässliche, aktuelle Studien wären notwendig, um exakte Daten und Sachlichkeit in die oft emotional geführte Debatte zu bringen. Doch schon jetzt ist deutlich: Ein Tempolimit wäre ein Beitrag zu effektiverem Umweltschutz und mehr Sicherheit.

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SWR Fernsehen