Die Ausbreitung von Masern und Co.

Impfen per Gesetz?

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In mehreren Regionen Deutschlands droht eine Masernwelle. Die Bundesregierung prüft daher jetzt eine Impfpflicht für Kinder gegen Virusinfektionen. Auch die rheinlandpfälzische Gesundheitsministerin denkt über neue Vorschriften für den Kitabesuch nach.

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Impfen per Gesetz?

Nach einer aktuellen Umfrage sind 77 Prozent der Deutschen für eine Impfpflicht, 20 Prozent dagegen. Hintergrund für die Diskussion sind die vielen Masernausbrüche in den vergangenen Wochen. Allein an einer Schule im niedersächsischen Hildesheim erkrankten 26 Schüler an Masern. Vergangene Woche meldete auch die Kreisverwaltung Südliche Weinstraße 13 Masernfälle. Auch vor dem Hintergrund prüft die Bundesregierung eine eventuelle Impfpflicht.

Warum wird eine gesetzliche Impfpflicht gefordert?

Zwar gelten hierzulande bis zu 97 Prozent aller Schulkinder als geimpft, die meisten von ihnen sind aber nur einmal geimpft. Um wirkungsvoll gefährliche Kinderkrankheiten wie eben Masern zu bekämpfen, empfehlen Experten eine zweifache Impfung. Und eine Auffrischung im Erwachsenenalter. Doch gerade bei der zweiten Impfung und dem Auffrischungs-Pieks gelten die Deutschen als impfmüde. So ist es nicht verwunderlich, dass bei den aktuell aufgetreten Masern-Fällen viele Jugendliche und Erwachsene betroffen sind. Daneben gibt es aber auch eine kleine Zahl von Menschen, die Impfen grundsätzlich ablehnt, aus ideologischen Gründen, oder wegen diverser Vorerkrankungen ihrer Kinder, oder weil sie nicht an die Wirksamkeit der Impfmittel glauben.

Tatsächlich gibt es keine Studien über den Impferfolg, sagt Dr. Jürgen Otten vom Gesundheitsamt Koblenz. Es seien aber jahrzehntelange Erfahrungswerte, die belegen: wer sein Kind zwei mal impfen lässt, einmal im Kindesalter - dann im Jugendlichenalter, der habe eine 98-prozentige Sicherheit, dass das Kind nicht an einer der gefährlichen Kinderkrankheiten erkrankt. Dabei geht es nicht nur um Masern, sondern auch um Mumps, Keuchhusten und Röteln. Eine Liste über empfohlene Standardimpfungen für alle Altersgruppen gibt der Stiko-Impfkalender!

Es gab schon einmal eine Impfpflicht im geteilten Deutschland: In der BRD ab 1949 war die Pocken-Impfung gesetzlich vorgeschrieben. Auch die sogenannte Schluckimpfung gegen Kinderlähmung wurde in den 1960er Jahren zur Massenimpfung, weil gerade in den 1950er Jahren tausende Kinder Opfer dieser Krankheit wurden. Erst seit 15 Jahren gilt Europa als poliofrei. In 12 EU-Ländern gibt es übrigens bereits eine Impfpflicht.

Wie ist aktuell die rechtliche Situation?

In Deutschland gibt es eine verpflichtende Impfberatung. Sprich: Ärzte sind verpflichtet, zum Beispiel Eltern über Impfungen zu informieren, über gesundheitliche Folgen einer Nichtimpfung genauso wie über Komplikationen nach dem Impfen. Die letzte Entscheidung liegt aber bei den Eltern. Die verpflichtende Impfberatung ist ein Kompromiss aus vorangegangenen Diskussionen über eine gesetzliche Impfpflicht. Diese wurde 2017 noch mal um eine mögliche Strafzahlung verschärft, wenn Eltern sich nicht beraten lassen. Außerdem haben Kindertagesstätten schon jetzt das Recht, einen Impfpass oder einen Nachweis über die Impfberatung zu verlangen. In Essen sorgte eine Kita für Wirbel, als sie sich weigerte, ungeimpfte Kinder aufzunehmen.

Was sagen die Gegner einer Impfpflicht?

Spiel, Spaß und Lernen – die Kinder der katholischen Kita St. Mathias in Neuwied können sich aufs Wesentliche konzentrieren. Die meisten von ihnen sind geimpft.  (Foto: SWR)
Spiel, Spaß und Lernen – die Kinder der katholischen Kita St. Mathias in Neuwied können sich aufs Wesentliche konzentrieren. Die meisten von ihnen sind geimpft.

Impfen ist gerade in Deutschland ein hochemotionales Thema. Wann immer nach Impfpflicht gerufen wird, sind die Gegner nicht weit. Dabei gibt es aber große Unterschiede: Es gibt die Impf-Gegner, die generell gegen das Impfen sind und es gibt Gegner, die gegen die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht sind. Zu letzterem zählt auch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz. Die zuständige Ministerin Bätzing-Lichtenthäler hat sich gegen eine rechtliche Impfpflicht ausgesprochen. Auch Dr. Jürgen Otten vom Gesundheitsamt Koblenz ist angesichts der geringen Zahl von Erkrankten gegen eine gesetzliche Vorschrift. Dr. Eva Borsche aus Bad Kreuznach ist auch gegen eine generelle Impfpflicht. Sie sagt, man müsse sich jeden Patienten individuell anschauen und beraten. Auch müssten Vorerkrankungen berücksichtigt werden. Sie kritisiert, dass es in Deutschland immer noch nicht gelungen ist, separate Impfstoffe für einzelne Krankheiten auf den Markt zu bringen. Der heute immer noch gängigste, und von den Krankenkassen bezahlte Impfstoff, ist ein Dreifach-Impfstoff. Eltern hätten nicht die Möglichkeit, ihr Kind zum Beispiel nur gegen Masern impfen zu lassen. Außerdem fordert Frau Dr. Borsche als auch der Gesundheitsamt-Leiter Dr. Jürgen Otte einen Nachweis über den Impferfolg zu führen.

Welche Folgen haben Nicht-Impfungen?

Masern sind eine hochansteckende, fieberhafte Viruserkrankung. Bei Ausbruch der Krankheit kann es neben grippeähnlichen Symptomen auch in seltenen Fällen zu Mittelohrentzündung, Lungenentzündung oder einer gefährlichen Gehirnentzündung kommen. Letzteres sogar noch Jahre nach dem Ausbruch der Krankheit im Erwachsenenalter. Weil Masern so hochinfektiös sind, ist das Risiko hoch, andere anzustecken.

Doch auch eine Masern-Impfung kann – zwar selten – aber auch zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Im Allgemeinen gilt die Masernimpfung jedoch als gut verträglich.

Bei dem in Deutschland verwendeten Impfstoff handelt es sich um einen dreifach-Impfstoff, der auch die Impfstoffe gegen Mumps und Rötel beinhaltet. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die erste Impfung für Säuglinge zwischen dem 11. und 14. Lebensmonat. Die zweite zwischen dem 15. und 23. Monat. Außerdem sollen alle Erwachsenen, die nach 1970 geboren wurden, ihre Impfung auffrischen.

Fazit

Die Impfpflicht ist ein Dauerthema in Deutschland. Sie kocht jetzt wieder hoch, angesichts von aktuellen Masernausbrüchen, verteilt in der ganzen Republik. Auch in Rheinland-Pfalz. Die Zahl der Infektionen sind bislang zwar gering, aber die Krankheit gilt als hochansteckend. Auch deshalb fordern Befürworter die Einführung einer Impfpflicht, auch aus Sorge um das Gemeinwohl. Ihre Gegner sehen einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und in das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen.

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SWR Fernsehen