Künstliches Kniegelenk per OP oder Physiotherapie? Immer mehr Patienten entscheiden sich für die Operation. Doch die Nachteile sind nicht zu unterschätzen.
Wie lukrativ Knieoperationen sind
Immer mehr Menschen wollen bis ins hohe Alter körperlich aktiv sein. Dieses Anspruchsdenken ist nach Expertenmeinung eine Ursache für die vielen Knieoperationen. Demgegenüber stehen konservative Behandlungen wie die Physiotherapie, die sich finanziell nicht in dem Maße auszahlen wie Operationen.
Dr. Christian Steingässer, Unfallchirurg und Orthopäde aus Mainz, kennt weitere Gründe. Manche Patienten müssten geradezu um ihre Krankengymnastikrezepte kämpfen, wundert er sich. Dagegen wird eine OP relativ hoch vergütet, ist planbar und man kann den Eingriff tagsüber durchführen. Man muss dafür keine Notfallressourcen vorhalten, man kann die Kosten einer OP gut abschätzen und einen kalkulierbaren Gewinn erzielen.
Deutlich abgewertet in der Honorierung wurden hingegen konservative Behandlungen wie die Physiotherapie. Außerdem darf ein Arzt pro Quartal nur eine begrenzte Menge an Krankengymnastik verschreiben. Dabei ist gerade die Physiotherapie besonders wichtig, um Operationen am Knie zu vermeiden oder zumindest aufzuschieben.

Nächstes Problem: Häufig bekommen Patienten wegen Schmerzen beim Sport ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Doch auch nach einer OP können Schmerzen bleiben oder neue auftreten. Dann stellt sich nach dem Eingriff die Frage, warum dieses Knie überhaupt künstlich ersetzt worden ist.
Welche Alternativen es zu Operationen gibt
Viele Knie-Operationen sind überflüssig, zudem können schwerwiegende Komplikationen auftreten. Bei etwa einem Viertel der am Knie Operierten verbessern sich die Beschwerden nicht. Daher sollten schon im Vorfeld Alternativen gesucht und ausprobiert werden. Nach einer OP-Empfehlung hat jeder Patient das Recht, bei einem weiteren Facharzt eine Zweitmeinung einzuholen. Denn die Entscheidung für eine Operation oder eine konservative Behandlung liegt letztendlich beim Patienten.
Bei Übergewicht kann es helfen, abzunehmen und so das Kniegelenk zu entlasten. Ein kniegelenknahes Muskeltraining oder auch Gesamtkörpermuskeltraining trägt dazu bei, das Gelenk zu stabilisieren. So kann das Kniegelenk vor einer Überlastung geschützt werden. Auch gelenkschonende Verhaltensweisen wie Fahrrad fahren können die Muskulatur um die Gelenke stärken.

Wie Betroffene sich für oder gegen eine OP entscheiden sollten
Auch bei starken Schmerzen will eine Operation gut überlegt sein. Hierbei ist vor allem wichtig, sich Zeit zu lassen und zunächst die verschiedenen alternativen Maßnahmen auszuschöpfen. Zudem ist es hilfreich, sich eine Zweit- oder sogar Drittmeinung einzuholen, bevor man eine Entscheidung trifft.
Als letzter Weg kann immer noch ein künstliches Kniegelenk eingesetzt werden, doch davor sollte man alternative Behandlungsmöglichkeiten nutzen. Sinnvoll können auch Internetportale sein, die einen über die verschiedenen Therapie-Möglichkeiten informieren. Auch Dr. Christian Steingässer hat ein Videoportal zu orthopädischen Beschwerden aufgebaut. Er hat seine Praxis geschlossen und setzt jetzt mehr auf Prävention und Information der Patienten:
"Ich halte das für enorm wichtig, dass die Menschen Bescheid wissen über ihre Erkrankungen, um entscheiden zu können, ob sie sich operieren oder konservativ behandeln lassen."