Jüdische Geschichte in Rheinland-Pfalz

"SchUM-Städte" wollen UNESCO-Welterbe werden

Stand

Drei bedeutende jüdische Gemeinden Speyer, Worms und Mainz schließen sich im Mittelalter zu einem Bund zusammen. Nun wollen die sogenannten "SchUM"-Städte UNESCO-Welterbe werden. Am 13. Januar 2020 unterzeichnet Ministerpräsidentin Malu Dreyer in der Mainzer Synagoge den Antrag, der Ende des Monats bei der UNESCO eingereicht wird.

Video herunterladen (11,8 MB | MP4)

Die drei SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz

"SchUM": Schon im Mittelalter wurde der Begriff benutzt. Das Wort setzt sich zusammen aus den im Mittelalter im Hebräischen verwendeten Anfangsbuchstaben der drei Städte Speyer, Worms und Mainz:

  • Schin (Sch) - Schpira – Speyer
  • Waw (U) – Warmaisa – Worms
  • Mem (M) – Magenza – Mainz

Der Titel ist Ausdruck des großen Einflusses, die Kultur, Geistesleben und Architektur in diesen Gemeinden auf andere jüdische Siedlungen hatten. Ihre Blütezeit war vom 11. Jahrhundert bis zu ihrer Fast-Auslöschung durch die Pestprogrome 1349.

Die Juden der Gemeinden waren willkommen, wurden von den Stadt- und Kirchenoberen eingeladen, sich anzusiedeln. Man versprach sich durch die weit reichenden jüdischen Handelsbeziehungen einen Aufschwung in den Städten. Und auch das lebendige geistige Leben innerhalb der Gemeinden sollte den mittelalterlichen Städten frisches Leben einhauchen.

Die Errungenschaften des jüdischen Gelehrten Gershom ben Jehuda

Unter der Amtszeit von Gershom ben Jehuda entstanden moderne bis heute im Judentum verbindliche Gesetze. So schaffte er die Polygamie, die Vielehe, in seiner Gemeinde ab. Eine Idee, die, einmal in der Welt, auch anderswo übernommen wurde.

In Zeiten, in denen die Herrschenden ihren Untergebenen nur wenig Privatsphäre einräumten, etablierte er das Briefgeheimnis, eine avantgardistische Idee. Und seine Reform des Scheidungsrechts räumte den Frauen mehr Rechte ein. So war es den Ehemännern schließlich nicht mehr möglich, sich ohne das Einverständnis ihrer Ehefrauen scheiden zu lassen.

Das waren große geistige Errungenschaften, damals sehr modern, die auf das jüdische Leben in ganz Europa ausstrahlten. Doch nicht nur das Geistesleben, auch die herausragenden architektonischen Errungenschaften aus dieser Zeit machen die SchUM-Städte bis heute zu etwas Außergewöhnlichem.

Der älteste erhaltene jüdische Friedhof Europas befindet sich in Worms. (Foto: SWR, SWR -)
Der älteste erhaltene jüdische Friedhof Europas befindet sich in Worms.

Das SchUM-Erbe gilt es zu schützen

Neben dem geistigen Erbe, das die drei SchUM-Gemeinden hinterlassen haben, zeugen einzigartige Monumente von dieser Vergangenheit. Beispielsweise sind die Mikwen, jüdische Ritualbäder, in denen sich die Gläubigen vor hohen Feiertagen reinigten, in Speyer und Worms mit ihren fast tausend Jahren sehr gut erhalten. Die Architektur der Mikwen ist einzigartig. Eine regelrechte Choreografie führt die Gläubigen hinab zum Wasserbecken, mit Sitzmulden zum Verweilen.


Des Weiteren sind Teile der Synagoge in Speyer erhalten. Immer noch zu erkennen ist der Gebäudeteil für Frauen, die sogenannte "Frauenschul". Durch Schlitze in der Wand konnten sie am Gottesdienst in der Männersynagoge teilnehmen. Diese sind heute noch sichtbar, ein spannendes Geschichtsbuch aus Stein.


Der älteste erhaltene jüdische Friedhof Europas befindet sich in Worms. "Heiliger Sand“ wird er genannt. Rund 2.500 Grabsteine, die sogenannten Mazewot, erzählen die viele Jahrhunderte alte Geschichte der Juden der Stadt, geben Auskunft über Berufe und sind wichtiges Zeugnis jüdischer Integration innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft.

So will Rheinland-Pfalz den begehrten Welterbe-Titel bekommen

Ein Zusammenschluss bestehend aus dem Land Rheinland-Pfalz, den drei Städten und den jüdischen Gemeinden engagiert sich seit 2004 um Aufnahme auf die Welterbe-Liste der UNESCO, 2014 wurde dafür eigens ein Verein gegründet.

"SchUM-Städte" - UNESCO Welterbe angestrebt (Foto: SWR, SWR -)
Die "SchUM-Städte" haben eine lange Tradition, die auch weiterhin geschützt werden soll.

Ein über tausendseitiges Dossier entstand in Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaftler. Auf 600 Seiten wird wissenschaftlich fundiert der außergewöhnliche universelle Wert der jüdischen Stätten am Rhein dargelegt, eine Voraussetzung für die Aufnahme ins Welterbe. Zum anderen wird im 400 Seiten starken Managementplan erklärt, wie die Stätten dauerhaft gesichert und für die Öffentlichkeit erschlossen werden können. Denn sie beweisen, dass sich jüdische Geschichte in Deutschland nicht auf den Holocaust reduzieren lässt. Die Geschichte der mittelalterlichen Gemeinden in Speyer, Worms und Mainz zeigt zudem nach Angaben der beteiligten Wissenschaftler, dass sich Judentum und christliche Mehrheitsgesellschaft in einem regen Austausch auch wechselseitig befruchten konnten.

"Gerade in einer Zeit, in der jüdisches Leben wieder angegriffen wird, ist es sehr wichtig, dass das Bewusstsein für die jüdische Tradition in diesem Land gestärkt wird und dass jüdische Kultur in den auch sehr aktiven Gemeinden weiter gelebt wird."

Stand
AUTOR/IN
SWR Fernsehen