In Kommunen bei Sachfragen mit entscheiden

Darum ist der Bürgerentscheid ein Stück direkte Demokratie

Stand

Mit demokratischen Wahlen gibt der Bürger in der repräsentativen Demokratie normalerweise die Entscheidung an gewählte Vertreter ab, die in Gemeinde- und Stadträten, Kreistagen und Parlamenten um Gesetze und Vorhaben ringen.

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So funktioniert ein Bürgerentscheid

Ein Bürgerentscheid ist ein Instrument der direkten Demokratie in Deutschland auf kommunaler Ebene.

  • Mit ihm können die Bürger in einer kommunalen Gebietskörperschaft (Gemeinde, Landkreis, Bezirk) über Fragen des eigenen Wirkungskreises entscheiden.
  • Alle wahlberechtigten Bürger einer Kommune können in einem Bürgerentscheid nach den Grundsätzen der freien, gleichen und geheimen Wahl über eine zur Abstimmung gestellte Sachfrage entscheiden.

Der Bürgerentscheid steht dem Beschluss der gewählten Kommunalvertretung gleich.

Diese Fragen können in einem Bürgerentscheid entschieden werden

Nicht alle Themen kommen für einen Bürgerentscheid in Frage. So sind beispielsweise Haushaltsfragen einer Kommune davon ausgeschlossen, über Bürgerentscheide geklärt zu werden. Häufig kommen aber Verwaltungsentscheidungen dafür in Frage, vor allem Entscheidungen über den Bau und Erhalt öffentlicher Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Museen oder Verkehrsprojekte.

  • Je nach Größe der Kommune müssen dafür in Rheinland-Pfalz fünf bis neun Prozent der bei der letzten Wahl zum Gemeinderat festgestellten Zahl der wahlberechtigten Bürger das Bürgerbegehren unterzeichnet haben.
  • Bei einer kleinen Gemeinde von bis zu 10.000 Einwohnern müssen mindestens neun Prozent unterzeichnen.
  • Bei einer großen Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen mindestens 5 Prozent das Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützen.

Das Bürgerbegehren in Bretzenheim an der Nahe

In Bretzenheim an der Nahe geht es um einen Freizeitplatz und um einen Kita-Bau. (Foto: SWR)
In Bretzenheim an der Nahe geht es um einen Freizeitplatz und um einen Kita-Bau.

Niemand bezweifelt, dass die Kita dringend benötigt wird, nur um den Bauplatz gibt es Diskussionen.

Der Gemeinderat hat beschlossen, diese auf einen schönen, von Bäumen gesäumten Freizeitplatz inmitten des Dorfes zu setzen, der vor 30 Jahren mit großem finanziellem Aufwand, 280.000 Euro, und Bürgerengagement gestaltet wurde.

Ein anderer Bauplatz am Ortsrand wurde vom Gemeinderat einstimmig abgelehnt. Der Gemeinderat will die neue neben die alte Kita bauen, um Synergieeffekte zu erzielen, sowohl was die Nutzung einer gemeinsamen Küche als auch bei der Personalausstattung angeht.

Nun wollen einige engagierte Bürger per Bürgerentscheid erreichen, dass der Freizeitplatz dem Dorf erhalten bleibt. Denn hier spielen nicht nur nachmittags Kinder, auch die gegenüberliegende Schule nutzt den Platz im Sommerhalbjahr für Sportunterricht, da sie keine Turnhalle besitzt.

Bürger sitzen in einer Diskussionsrunde zusammen und tauschen sich aus. (Foto: SWR)
Auch in Bretzenheim gilt: Nur wer sich einmischt, kann auch mitmischen.

Daran kann ein Bürgerentscheid scheitern

Richtet sich das Bürgerbegehren gegen eine Ratsentscheidung, gilt eine Frist: Innerhalb von vier Monaten nach der Entscheidung müssen die nötigen Unterschriften eingereicht werden.

Das regelt die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung in Paragraph 17 a. Die zu entscheidende Gemeindeangelegenheit muss dabei in einer eindeutig formulierten Fragestellung mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten sein. Manchmal scheitern Bürgerbegehren an formellen Fehlern.

Wenn die Frist nicht eingehalten wird oder die Frage nicht eindeutig genug formuliert ist, kann ein Bürgerbegehren abgelehnt werden.

Auch bei der Sammlung der Unterschriften gilt es, einige Punkte zu berücksichtigen: So muss auf jeder Seite die komplette Fragestellung oben aufgedruckt sein, Seiten mit reinen Unterschriften zählen nicht.

In Bretzenheim an der Nahe gibt es nun Streit darum, ob das Bürgerbegehren rechtzeitig gestartet wurde: Die Bürgerinitiative beruft sich auf einen Gemeinderatsbeschluss aus dem Februar, gegen den sie protestiert.

Der Gemeinderat hält dagegen, er habe den Beschluss für diesen Bauplatz schon im August getroffen, und hat das Bürgerbegehren deshalb als verfristet abgelehnt. Auch sei die Fragestellung nicht eindeutig genug formuliert worden.

Dagegen klagt die Bürgerinitiative für den Erhalt des Bretzenheimer Freizeitplatzes nun beim Verwaltungsgericht in Koblenz. Es geht darum, festzustellen, wann genau der Beschluss für den Bauplatz im Gemeinderat getroffen wurde.

Dr. Karl-Heinz Frieden vom Gemeinde- und Städtebund ist mit Bürgerentscheiden vertraut. (Foto: SWR)
Dr. Karl-Heinz Frieden vom Gemeinde- und Städtebund ist mit Bürgerentscheiden vertraut.

"Wenn zu einem Sachvorgang mehrere Beschlüsse gefasst worden sind, kommt es auf den grundlegenden Beschluss an, auf den sich das Bürgerbegehren dann bezieht. Ab dann läuft auch die Frist. Wenn das verfristet, dann ist das Bürgerbegehren von Anfang an nicht zulässig."

Bekommt die Initiative vor dem Verwaltungsgericht Recht, muss der Bürgerentscheid zugelassen werden. In Bretzenheim ist also noch nichts entschieden.

So funktioniert ein Ratsentscheid

Über 30 Prozent der wahlberechtigten Bretzenheimer Bürger haben das Bürgerbegehren zum Erhalt des Freizeitplatzes unterstützt, das ist mehr als dreimal so viel wie erforderlich. Der Gemeinderat hätte daraufhin auch einen Ratsbeschluss initiieren können, auch wenn er das Bürgerbegehren aus formalen Gründen abgelehnt hat.

Denn auch durch Ratsbeschluss kann ein Bürgerentscheid zustande kommen – wie seinerzeit beim Mainzer Bibelturm-Streit, wo ebenfalls die Frist durch die Bürgerinitiative nicht eingehalten wurde. Wenn der Stadt- oder Gemeinderat der Meinung ist, die Bürger an einer umstrittenen und vieldiskutierten Entscheidung teilhaben zu lassen, dann kann er selbst einen Ratsentscheid initiieren und auch die Frage definieren.

So hat ein Bürgerentscheid Erfolg

Hat das Bürgerbegehren jedoch Erfolg, wird die darin geforderte Frage auch beim Bürgerentscheid gestellt. Beide gegensätzlichen Positionen des Bürgerentscheids müssen im Vorfeld der Wahl veröffentlicht werden, damit jeder Bürger die Chance hat, vollständig informiert zu entscheiden. Damit die Entscheidung zählt, müssen mindestens 15 Prozent der Wahlberechtigten eine der Positionen unterstützen, das sogenannte Quorum ist gesetzlich vorgeschrieben.

Übersteigt die Zahl der Stimmen das Quorum, ist der Bürgerentscheid in die eine oder andere Richtung erfolgreich. Bei gleicher Stimmenzahl gilt der Bürgerentscheid als abgelehnt.

Dafür ist ein Bürgerentscheid gut

Er gibt den Bürgern die Möglichkeit, Einspruch gegen Ratsbeschlüsse zu erheben, wenn er dafür eine Mehrheit gewinnen kann und ist somit ein Instrument direkter Demokratie. Auch wenn es manchmal Bauvorhaben verzögert oder verhindert wie im Fall des Mainzer Bibelturms, ist es legitim, wenn Bürger damit ihr Anliegen vertreten, findet Dr. Karl-Heinz Frieden vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz. Er plädiert deshalb vor allem bei wichtigen Projekten für eine offensive Informationspolitik der Gemeinde- und Stadträte, mit der sie ihre Bürger schon im Vorfeld einbinden und für ihre Entscheidungen eine breite Unterstützung in der Bürgerschaft gewinnen können.

"Grundsätzlich sollten in kleinen Gemeinden die Bürger frühzeitig über Maßnahmen und Entwicklungen unterrichtet werden. Es besteht auch die Möglichkeit, in Ratssitzungen dabei zu sein, so dass sich die Bürger die Informationen original und vor Ort einholen können. Ich glaube auch, dass sowohl der Bürgermeister als auch die Ratsmitglieder ein Ohr in der Bürgerschaft haben und dass man dann versucht, eine breite Diskussion zu führen. Das kann man ja auch machen über eine Einwohnerversammlung oder eine Einwohnerbefragung, die durchaus auch amtlich vorgegeben werden kann, sie ist aber nicht bindend für den Rat. Wichtig ist, dass der Rat sich eine breite Meinungsbasis erarbeitet und dann eine Entscheidung trifft."

Für eine kleine Gemeinde wie Bretzenheim ist der Bau einer Kita für 3,4 Millionen Euro eine große Sache. Die Bürger wollen also zu Recht mitsprechen. Allerdings: Ratssitzungen sind meist öffentlich, Bürger haben jederzeit die Möglichkeit, sich über die Arbeit des Gemeinderates zu informieren und sollten dies auch tun.

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SWR Fernsehen