Fauler Kompromiss

Betriebsrentner fühlen sich um ihre Vorsorge gebracht

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Seit Jahren fordert die Politik die Bürger auf, für ihr Alter vorzusorgen: Dies geschieht zum einen mit der gesetzlichen Rentenversicherung und zum anderen privat mit einer Betriebsrente. Von letzterer kassiert der Staat ein Fünftel.

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Das Bundeskabinett hat einen Beschluss gefasst, mit dem Betriebsrentner von ihrer hohen Beitragslast für die Kranken- und Pflegeversicherung entlastet werden sollen. Sie mussten bisher von ihrer Betriebs-Rente den vollen Krankenkassen- und Pflegekassensatz zahlen, also den Beitrag für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, womit man mit dem Zusatzbeitrag insgesamt auf über 18 Prozent kommt.

Da klingt "Entlastung" doch eigentlich gut. Was die zornigen Rentner vom Verein der "Direktversicherungsgeschädigten" nicht besänftigt, denn das Ganze hat einen Pferdefuß.

So wird betriebliche Altersvorsorge gehandhabt

Klassischerweise zahlte früher der Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer in eine Rentenversicherung ein, das konnte eine externe Versicherung sein, eine Pensionskasse oder die Zusage auf die Rente gab der Betrieb selbst.

Mehr und mehr verlagerte sich in den letzten Jahren die Einzahlung auf die Seite des Arbeitnehmers, entweder anteilig oder sogar ganz. Doch abgeschlossen hatte meist der Arbeitgeber den Vertrag.

Die Direktversicherung ist dafür ein typisches Beispiel: Der Arbeitgeber schließt ab, aber der Arbeitnehmer zahlt allein in eine Lebensversicherung, der Betrieb überweist nur sein Geld.

Deswegen gibt es Sozialbeiträge auf Betriebsrenten

2004 waren die gesetzlichen Krankenkassen klamm. Im "Gesundheitsmodernisierungsgesetz" beschloss die rot-grüne Regierung unter Gesundheitsministerin Ulla Schmitt deshalb mit Zustimmung der Union: Ab sofort müssen Betriebsrentner Beiträge in die Kranken- und Pflegeversicherung zahlen und zwar – anders als bei der gesetzlichen Rente - den vollen Satz.

Aktuell sind dies inklusive des inzwischen fälligen Zusatzbeitrags mehr als 18 Prozent. Dies gilt sogar für Altverträge.

Für Millionen Betriebsrentner gab es seither ein böses Erwachen, wenn sie bei Rentenantritt ihre Direktversicherung oder ihre monatliche Rente ausbezahlt bekommen: Die Krankenkasse hält die Hand auf. Knapp ein Fünftel von Rente oder Auszahlung gehen dafür drauf.

Das erbost viele Rentner, sie fühlen sich um ihr Erspartes betrogen. Immer mehr schließen sich dem Verein der "Direktversicherungsgeschädigte" an. Der erhebt seit Jahren die Forderungen: Rückzahlung der unrechtmäßig zu viel gezahlten Beiträge sowie Abschaffung der doppelten Sozialbeiträge.

Für Thomas Hintsch aus dem Bundesvorstand des Vereins "Direktversicherungsgeschädigte" bleibt das, was ihm und seinen Mitstreitern widerfahren ist und noch vielen Betriebsrentnern erst bei ihrem Renteneintritt klar werden wird, Betrug.

Seiner Meinung nach, war das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ein Skandal. Hier wurde rückwirkend in Verträge eingegriffen.Viele Rentner haben einen Vertrag als Altersvorsorge abgeschlossen, wozu der Staat sogar aufgefordert hatte. In der Folge greift der Staat ihnen in die Tasche.

Daraus ist ein tiefgreifender Vertrauensbruch entstanden: Was soll man von einem Rechtsstaat halten, wenn jemand rückwirkend in Verträge, in das ersparte Vermögen eingreift?

So viel verlieren die Betroffenen

Bisher verlieren Betroffene rund 18,55 Prozent der monatlichen Rente oder der Lebensversicherungssumme.

Dies setzt sich zusammen aus:

  • dem Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil der Krankenkasse, jeweils 7,3 Prozent,
  • dem Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil der Pflegekasse, zusammen 3,05 Prozent
  • sowie dem jeweiligen Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen, momentan im Schnitt 0,9 Prozent.

Die Direktversicherten müssen am Ende gut ein Fünftel ihres Angesparten in 120 Monatsraten, also zehn Jahre lang, als Kranken- und Pflegekassenbeiträge monatlich an die Krankenkasse abführen.

Wer eine monatliche Rente aus der betrieblichen Altersvorsorge bekommt, bezahlt die 18,55 Prozent ebenfalls monatlich. Das kann ganze Lebensplanungen über den Haufen werfen, sagen die Betroffenen.

Diese Entlastung hat die GroKo im November beschlossen

Es bleibt dabei: Als einzige Rentenart wird die Betriebsrente weiterhin mit dem vollen Kranken- und Pflegekassensatz belastet.

Für eine kleine Entlastung sorgt dabei die Umwandlung einer bisherigen Freigrenze von 155,75 Euro in einen Freibetrag von 159,25 Euro.

Bisher mussten nur diejenigen keine Sozialbeiträge bezahlen, die unter der Freigrenze lagen. Wer auch nur einen Euro darüber lag, wurde für den vollen Betrag mit Sozialabgaben belastet.

Das ändert sich voraussichtlich ab dem 1.1.2020. Ab dann bezahlen Betriebsrentner bis zu einer Höhe von 159,25 Euro keine Beiträge mehr in die Krankenversicherung.

Aber wohl in die Pflegekasse, denn der Freibetrag gilt nur für die Krankenkassenbeiträge.

Wer mehr als den Freibetrag bekommt, zahlt von daher auf die darüber liegenden Beiträge weiterhin den vollen Beitragssatz der Kranken- und Pflegekasse.

Das führt de facto dazu, dass alle Rentner mit niedrigen Betriebsrenten entlastet werden, denn bis zu einer Höhe von 320 Euro zahlen sie nun weniger, bis zur Hälfte von dem, was vorher für die Kranken- und Pflegeversicherung fällig war.

Wer aber deutlich mehr Betriebsrente erhält, wird weniger entlastet. Ein gutes Ergebnis für ungefähr 60 Prozent der Betriebsrentner, kein gutes Ergebnis für die 40 Prozent übermäßig belasteten Rentner und vor allem nicht für die geprellten Direktversicherten.

So sieht es bei anderen Rentenarten aus

Pensionäre, also Beamte im Ruhestand, zahlen lediglich auf 30 Prozent ihrer Rente anteilig in Kranken- und Pflegeversicherung ein, 70 Prozent zahlt die staatliche Beihilfe aus Steuergeldern. Riesterrenten sind seit dem 1.1.2018 beitragsfrei gestellt.

Das verdanken sie dem "Betriebsrentenstärkungsgesetz" von 2017. Das will ausdrücklich die Betriebsrente stärken, nimmt sich aber vor allem der Rentner an, die ein Produkt aus der Gruppe der Riesterrenten abgeschlossen haben. Weil die Politik bemerkt hat, dass Riesterverträge nicht sonderlich beliebt sind und als unrentabel gelten.

Nur die gesetzlich versicherten Betriebsrentner – ob über Direkt- und Lebensversicherung oder andere Wege – werden für die Kranken- und Pflegeversicherung voll zur Kasse gebeten.

Privatversicherte Betriebsrentner betrifft es hingegen nicht. Die Betriebsrente hat deutlich an Vertrauen eingebüßt. Das wird sich in Zukunft vermutlich weiter als Hemmschuh für viele erweisen, diese Versicherung abzuschließen.

Fazit

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AUTOR/IN
SWR Fernsehen