Folge 939 XL

Mit der Waldbahn in Russlands Vergangenheit

Stand
AUTOR/IN
Michael Mattig-Gerlach

In Russland gibt es viele Städte und Regionen, in denen vor allem eins gilt: Moskau - und damit die Verwaltungs- und Finanzzentrale - ist weit - und die Menschen vor Ort auf sich selbst angewiesen.

In Jekaterinburg stört das niemanden, denn hier orientiert man sich ohnehin nicht an Moskau, sondern an westlichen Vorbildern wie Berlin oder Paris. Hier laufen alle wichtigen Verkehrsstränge zusammen, die Transsib auf dem Weg nach Wladiwostok oder Moskau macht hier Station, der internationale Flughafen bringt Manager aus aller Welt in das Zentrum der Stahl-, Eisenbahn- und Waffenproduktion.
Knapp 150 Kilometer weiter nördlich, in Alapajewsk, ist Beginn und Ende der Waldbahn. Das größte funktionierende Schmalspurnetz Russlands wurde schon zur Zarenzeit gebaut, versorgte die Stahlindustrie am Ural mit Holz - und alle Dörfer entlang der 250 Kilometer Streckennetz mit dem, was die Menschen zum Leben brauchten. Sie tut das bis heute, denn geteerte Straßen gibt es immer noch nicht und einige Dörfer sind in dem sumpfigen Gelände überhaupt nur über den Bahndamm erreichbar. Wer die Waldbahn bis zur Endstation benutzt, ist keine 200 Kilometer Luftlinie von Jekaterinburg im 19.Jahrhundert gelandet. Moskau ist sowohl in Jekaterinburg als auch im Elf-Seelen-Dorf Kalach am Ende der Schmalspurstrecke sehr weit weg. Nur leben die Menschen in der Metropole im 21., die in Kalach unter den Bedingungen des 19.Jahrhunderts.

(ESD: 15.03.2019)

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Michael Mattig-Gerlach