Folge 656

Auf den Spuren des Orientexpress

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Alexander Schweitzer
Alexander Schweitzer (Foto: SWR, SWR - Wolfgang Drichelt)

Es ist eine Reise der ganz besonderen Art: die gesamten 2.500 Kilometer von Nürnberg nach Istanbul, zum alten Bahnhof Sirkeci werden mit Dampf zurückgelegt.

Vor knapp 125 Jahren fuhr erstmals ein Luxuszug von Paris in Richtung Istanbul. Das rollende Hotel mit Salon-, Speise- und Schlafwagen trug den Namen "Orient-Express" und hat bis heute seinen legendären Ruf behalten, obwohl es die Direktverbindung Paris - Istanbul längst nicht mehr gibt.

Nun fährt ein Sonderzug von Deutschland aus auf teils historischen Linien in die Metropole am Bosporus. Es ist eine Reise der ganz besonderen Art, denn die gesamten knapp 2.500 Kilometer zum alten Istanbuler Bahnhof Sirkeci werden mit Dampf zurückgelegt.

Die Fahrt geht durch acht europäische Länder mit wechselnder Dampflok-Bespannung auf äußerst reizvollen Linien.

(ESD: 11.11.2007)

15.09.2007 Reisetagebuch

10.30 Ausfahrt

Kurz vor Reisebeginn gegen 10.30 Uhr auf dem Nürnberger Hauptbahnhof, noch ein letzter Blick auf die Anzeigetafel geworfen. Istanbul steht darauf zu lesen. Solch ein Ziel hat diese sicherlich noch nie angegeben:. Istanbul. Ein Name, bei dem man sofort an Hagia Sophia, Bosporus oder ganz einfach an orientalische Märchen denkt.
Auch die Zugansage hat es in sich: Passau, Wien, Hegyeshalom, Budapest, Arad, Sibiu, Bukarest, Plovdiv, Kapikule, Istanbul.
Wir wünschen eine gute Reise. Neun Wagen gezogen von der Dampflok 01 1066 der Ulmer Eisenbahnfreunde machen sich bei strahlendem Sonnenschein auf die 5.000 Kilometer lange Dampfreise.

Erster Schwund

Eine Reise, die beim ersten Halt in Regensburg für einen Fahrgast nicht so gut anläßt. Ein Engländer, springt vom Dampf beseelt aus dem Zug, fotografiert das Dampfross und steht im selben Moment selbst ziemlich unter Dampf, als nämlich das Dampfross die Sporen bekommt und sich auf den stählernen Laufsteg davon macht, ohne auf unseren verblüfften Bahnfreund zu achten. Zum Glück startet wenig später eine Regionalexpress mit einem "Findling" an Bord. In Landshut sind wir wieder komplett, aber der Fahrplan leicht aus den Fugen. 30 Minuten hat uns der unfreiwillige Ausflug gekostet.

K&K Uniform

Die sind auch in Passau noch nicht weniger geworden. Dort stieg unser Zugführer zu, der bis Istanbul an Bord bleiben wird. Karl Gmeiner, mit einer, dem Ereignis absolut angemessenen Kleidung: Einer Zugführer-Uniform aus seligen K&K Zeiten von 1920. Leider hat der Tag, der so strahlend begonnen hat, zum Nachmittagskaffee eine kleinen Durchhänger, die Sonne verschwindet hinter einem grau-gelben Vorhand und tut aus unerfindlichen Gründen etwas beleidigt.

Feuerwehreinsatz

Aber nicht sehr lange, als gegen 15.30 in Enns das Wasserfassen ansteht, lächelt sie schon wieder vom Himmel. Das einzige Nass an diesem Tag kommt von der freiwilligen Feuerwehr von Enns. Sie muss die 44 Kubikmeter Wasser ergänzen, die die 01 1066 auf ihren ersten knapp 400 Kilometern verbraucht hat.
Lokführer Jürgen Regler und Heizer Marco Nicklich haben das Dampfroß souverän über den stählernen Laufsteg galoppieren lassen.
In Enns kommen dann die Fotografen auf ihre Kosten. Insgesamt ein ziemlich entspannter Tag, mit einem stimmungsvollen Ausklang in der Abenddämmerung.

16.09.2007 Reisetagebuch

Überraschende Ausfahrt

Die Dampfausfahrt am Morgen aus dem Wiener Südbahnhof sollte bei Fahrgästen und dem Außenteam nicht in allerbesten Erinnerung bleiben. Die Lok 19 der Wiener Privatgesellschaft Brenner&Brenner hat eine ziemlich feuchte Aussprache, gewürzt mit zahllosen Rußpartikeln. Dies ist in den Wagen bei geöffneten Fenstern sicherlich kein Hochgenuss. Das Außenteam hat den Sackbahnhof ein wenig unterschätzt, denn die Einfahrt vom Abend zuvor ist nicht identisch mit der Ausfahrt am nächsten Morgen. Es gibt im Südbahnhof nämlich eine West- und eine Ostausfahrt. Als uns dies klar geworden ist und wir mit quietschenden Reifen die Bahnhofsseite wechseln, bläst im selben Augenblick das Dampfross seine dunklen Wolken in die kühle Morgensonne. Pech.
Knapp zu spät ist auch zu spät.

Loklegende als Motiv

Der erste Halt nach Wien ist auch unser erstes Fotomotiv. Der Bahnhof von Bruck an der Leitha. Es ist auch eine der ganz wenigen Möglichkeiten Lok 919.138 vor das Objektiv zu bekommen, sie ist kurzfristig für die verhinderte 33 eingesprungen. Bereits kurz nach der ungarischen Grenze bekommt sie Unterstützung durch Lok 109 109, einem Klassiker, der schon mehrere Jahrzehnte ununterbrochen im Museumseinsatz steht. Man sieht der Lok ihr Alter von 80 Jahren nicht an.
Allerdings hat sie bereits kurz nach der Abfahrt einige kleinere technische Probleme, die einen längern Halt und somit eine Verspätung von knapp einer Stunde nach sich zieht, die den ganzen Tag nicht mehr aufgeholt werden kann.

Budapest

Für die architektonischen Schönheiten von Budapest, Ungarns Hauptstadt, haben wir kaum ein Auge, müssen wir doch unseren Zug im Auge behalten, den wir dann aber durch eine verpasste Autobahnausfahrt ebenfalls verpassen. Schwierig gestaltet sich die Motivsuche auf der Strecke nach der Hauptstadt. Die Puszta ist ziemlich flach, damit sind landschaftliche Höhepunkte ziemlich dünn gesät, erschwerend kommen noch zahlreiche Schallschutzwände an der Strecke hinzu.
Die Zugmaschinen werden in Budapest getauscht. Anstelle der österreichisch-ungarischen Kombination steht nun ein Doppelpack der Baureihe 424 vor unserem Zug. 424.009, mit knapp 3.000 PS die leistungsstärkste Lok unserer Reise und die formschönere aber etwas schwächere 424.247.

Sonnenuntergang

Wie schon erwähnt gestaltet sich die Motivsuche etwas schwierig, aber das Licht der langsam untergehenden Sonne kommt uns zu Hilfe und setzt jedes Bild in ein goldenes Licht. Die Zugverfolgung ähnelte immer einer Rennpartie mit einigen Geschwindigkeitsübertretungen, die allerdings ungeahndet blieben.
Die sehr stimmungsvolle Ausfahrt aus dem Bahnhof Mezoberen ist die letzte Filmaktion in Ungarn, dann sind wir schon an der rumänischen Grenze, bei der wir einfach durchgewunken wurden.

Straßenbahn

In Arad machen wir noch einen kurzen Nachtspaziergang und bewundern das toll angeleuchtete Rathaus, das ohne Licht am nächsten Morgen ziemlich nüchtern aussieht. Auch können wir noch einen Blick auf die Straßenbahnfahrzeuge werfen. Die Straßenbahn in Arad verkehrt auf einer Spurweite von 1.000 Millimetern. Zahlreiche unterschiedliche Bahntypen sind dort im Einsatz. Die Stuttgarter Straßenbahnwagen GT4 ebenso, wie Wagen aus Ulm. Außerdem sind Tatrawagen in unterschiedlichen Baustilen zu bewundern, teilweise noch mit der Rollanzeige auf deutsch.

17.09.2007 Reisetagebuch

Preußische Ausfahrt

Es ist die Lok 230.516, eine preußische P8, erbaut anno 1926 in Resita, die an der Spitze des Zuges steht. Die Ausfahrt aus Arad, angestrahlt von der goldenen Morgensonne, ist eindrucksvoll, ähnlich wie der alte zweiteilige Dieseltriebwagen, der direkt neben unserer Kamera rangiert. Sehenswert auch die Dampfleitung, die direkt über das Dach eines Häuschens gebaut wurde, oder die zahlreichen Personen, die die Gleise überschreiten, selbst dann noch, wenn der Zug bereits bedrohlich nahe ist.

Gleise in Sichtweite

Im Gegensatz zum Tag davor, verlaufen die Gleise auf der heutigen Etappe beinahe direkt neben der Straße, so dass eine Verfehlen des Zuges nicht möglich ist.
Auffallend sind die Gleise der Überlandstraßenbahn von Arad, die mindestens 20 Kilometer ins Hinterland führt. Leider haben wir zwar Menschen an den Haltestellen, aber keine Fahrzeuge zu Gesicht bekommen. Dafür aber einige Male unseren Zug. Nicht immer steht die Sonne richtig, manchmal ist der Hintergrund recht bescheiden, oder die Strecke zugewachsen, aber manchmal stimmt einfach alles und so kommen eine Menge schöner Fahrbilder zustande.

Himmlisches Reisen im Zug, Hölle auf der Straße

Im Zug ist die Atmosphäre entspannt, man reist zwar nicht ganz so luxuriös, wie zu Zeiten des legendären Orient-Express, aber der pure Luxus ist ohnedies Verschwendung und das Dinieren im Speisewagen ist auch ohne silbernes Besteck ein Hochgenuss. Ein Komfort, der auf der E7 vergeblich gesucht wird. Auf der sehr stark gefahrene Straße sind jede Menge Autos unterwegs, darunter zahlreiche Laster und die fahren und überholen, als gäbe es kein Morgen. Überholmanöver an jeder Stelle und zu jeder Zeit, bei dem selbst erfahrenen Autofahrern das Herz stehen bleibt.
Kameramann Michael Frick hat sich schnell die rumänische Fahrweise angewöhnt. Auch Durchquerungen von Bächen sind kein Problem für ihn, wenn es der Motivfindung dienlich ist.

Vorspann 231

Am Nachmittag kommt die Reisegruppe endlich in den Genuss der lang erwarteten Dampflok 231.065 die in Vintu de Jos als Vorspannlok an den Zug geht. Zwei Loks für diese flache Strecke mag sich mancher Fahrgast gefragt haben, um ein paar Minuten später eine passende Antwort auf diese Frage zu erhalten:
In mehreren Kurven geht es gut hundert Meter bergauf. Da haben beide Maschinen richtig zu arbeiten. Eisenbahnerherzen beginnen zu jubeln, als die Auspuffschläge durch das Tal hallen und die pechschwarzen Rauchfahnen der beiden Loks die Sonne verdunkeln.

Kulturhauptstadt

Das ist Eisenbahnspielen vom Allerfeinsten und natürlich der Bahnhöhepunkt des gesamten Tag. Der wird allerdings für die Kulturinteressierten noch überboten mit dem Rundgang durch Sibiu, dem alten Hermannstadt, der Kulturhauptstadt Europas des Jahres 2007.

18.09.2007 Reisetagebuch

Suche nach dem Kirchendorf

Kurz nach der Abfahrt aus Sibiu fällt uns ein, das Thema "Kirchenburgen" zu behandeln. Spät aber nicht zu spät, weil wir nicht Richtung Osten über Brasov nach Bukarest fuhren, sondern auf der Südroute, da ist Cisnadie, zehn Kilometer südlich von Sibiu, der letzte Ort mit einer solchen Anlage. Michael hat den Küster mit dem Kirchenschlüssel gefunden. Und die gewünschten Motive geliefert. Kirchenburgen entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Es waren Wehrdörfer der evangelischen Siebenbürger Sachsen gegen die Angriffe der Türken.
Heute gibt es noch etwa 150 erhaltene Kirchenburgen, die zum Teil zum UNESCO Weltkulturerbe gehören.
Allerdings sind in den vergangenen Jahrzehnten viele Bewohner nach Deutschland übergesiedelt. Es leben nur noch wenige Deutsche in Siebenbürgen und es ist leider abzusehen, wann diese Epoche komplett Vergangenheit geworden ist.

Scheinanfahrten

Der Tag beginnt mit zwei Scheinanfahrten und einer eher zögerlichen Sonne. Aber das Motiv mit Gitterbrücke ist schön. Über den Olt geht es, ein Flüsschen, das wir an diesem Tag noch des öfteren Überqueren. Unser Zug wird von demselben Dampflokdoppelpack gezogen, wie am Nachmittag zuvor. Mit den ersten Sonnenstrahlen am späten Vormittag leuchteten die goldenen Kessel- und Schornsteinringe der Lokomotiven. Glänzende Loks einfach.

Bahnidylle

Eine traumhafte Situation erleben wir in Zavideni an der Ausfahrt. Dort im Stellwerk tut Ionelle Taschka Dienst. Sie ist von unserem Auftauchen ein wenig überrumpelt, tut aber ihren Dienst weiterhin gelassen: Schranke runter, Regionalahn, Schranke hoch, Signal hoch, wunderbare Stellwerkstechnik aus dem letzten Jahrhundert und alles funktioniert wie am Schnürchen.
Der Blick aufs Bahngelände mit dem Schuppen rechts, Telegrafenmasten, einem tiefblauen Himmel, Dampflok und Flügelsignale. Und das Gefühl unendlicher Weite. Ein Motiv, wie aus dem Bilderbuch.

Erstaunte Betrachter

Ins Gespräch kommen wir auch mit Sorina Marinescu, sie fragt, ob wir spanisch könnten, sie selbst hat ein Jahr dort gearbeitet. Jetzt ist sie gerade bei ihrer Mutter zu Besuch und steht mit mehreren Personen am Tor des Hauses gegenüber des kleinen Stellwerks, mit viel Kinderwäsche auf der Leine. Das dazu gehörige Baby schläf selig auf dem Arm seiner Mutter und lässt sich wenig später auch nicht durch die Auspuffschläge oder durch die schwarzen Rauchfahnen aus der Ruhe bringen..
Sorina erzählt uns weiter, dass ihr Vater ebenfalls bei der Bahn arbeitet, auf dem Stellwerk bei der Einfahrt. Normal ist ein 12 Stunden Tag, dann 24 frei wieder 12 Stunden und nach einer 48 Std. Woche gibt es drei Tage frei.
Die alte Technik begeistert Sorina nicht, sie liebt das Moderne. Großes Erstaunen erzeugt bei ihr die Scheinausfahrt, mit den vielen Fans in Fotolinie kurz vor dem Stellwerk.

Walachei

Michael, unser Kameramann für die Bilder von außen, hat mit seiner zügigen Fahrweise den Zug des öfteren überholen können und zahlreiche Motive mit Zug in der Landschaft "erfahren". In Piatra Olt läuft ihm eine Herde Gänse vor das Objektiv, in fast exakter Marschordnung.
Die Walachei ist bei Sonnenlicht betrachtet eine ziemlich flache, hauptsächlich landwirtschaftlich genutzte Gegend mit vielen Maisfeldern und Grünflächen, einigen wenigen Bäumen auf den Feldern, langen Straßendörfern, flachen Hügeln am Horizont und vielen Pferdefuhrwerken. Die Häuser befinden sich alle hinter Holz- oder Steinzäumen, Metalltore, teilweise Ziehbrunnen daneben, manchmal stehen Rohbauten neben den alten Häusern. Viele Kinder sind ebenfalls zu sehen.
In Piatra Olt sind zahlreiche Bewohner am Bahnhof, um dem seltenen Treiben beizuwohnen. Und die Gänse schnattern.

Begegnungen

Sie vermittelt Ruhe und Gelassenheit, die Walachei. Arm, aber nicht unzufrieden wirken die Bewohner. Ein Mädchen sitzt an der Waschstelle und bearbeitet die bunten Kleidungsstücke mit einer Bürste. Ein anderes Mädchen kommt mit Blechschüssel auf dem Kopf über die Bahntrasse ebenfalls zum Waschhäuschen. Später gesellen sich noch zwei ältere Frauen hinzu. Uns fragt ein Bewohner, der ein wenig englisch und französisch spricht, ob wir Inspektoren der Gitterbrücke seinen, wegen unserer roten Sicherheitswesten. Man warte schon lange darauf, dass die Brücke ausgebessert werden soll.
An der Brücke steht ein Angler, dahinter ein paar grasende Pferde, rechts Kühe, die sich auf dem Fußballplatz des Dorfes wohlfühlen und ein Kuhhirte, der mit strengem recht Gesichtsausdruck seine Herde abschreitet.
Insgesamt schauen einem die Dorfbewohner freundlich fragend hinterher, wir grüßen und sie lächeln zurück. Eine Begegnung zweier unterschiedlicher Welten.

Flachstellen und Co.

Es riecht nach frisch gebackenen Keksen an der östlichen Ausfahrt von Rosiori Nord. An der Bahntrasse stehen zwei Polizisten.
Pferde grasen am Wegrand, Pferdegespanne fahren, Schafe mit einem alten Hirten zeihen nach Hause, nicht ohne vorher das Kameramikrophon zu inspizieren.
Ausfahrt im Streiflicht, aber noch nicht ganz golden. Auf dem Weg nach Bukarest geht es dann ein wenig drunter und drüber. Lok 231 065 soll einen Schaden haben, so erfahren wir über das Handy. Den haben bereits einige Wagen genommen, weil durch unsachgemäßes Bremsen Flachstellen in einige Räder gefahren wurden.

Die Betreiberfirma der Dampfrösser soll in finanziellen Problemen stecken, deshalb hat Lok 230 die Arbeit verrichtet, dabei den Zug gezogen und die Vorspannlok 231 geschoben. Diese hat auf diese Weise Öl gespart. Nun ist sie aber nicht mehr fahrfähig und der fleißigen 230 reichen ihre Ölvorräte nicht. Dank des Organisationstalents von Armin Götz und seiner Mannschaft wird in Videle eine Diesellok vor den Sonderzug gespannt, damit unser Zug wenigstens noch das Tagesziel Bukarest erreichen kann. Der Fahrplan ist längst Makulatur.

19.09.2007 Reisetagebuch

Größter Bahnhof Rumäniens

Am Gare de Nord in Rumäniens Hauptstadt Bukarest beginnt die 5. Etappe unserer Reise. Die 231 ist auf wundersame Weise wieder genesen und wird den Zug auf der dreistündigen Fahrt zur bulgarischen Grenze ziehen. Knapp drei Stunden dauerte die Fahrt durch die Ebene, bis die Grenzstadt Giurgiu erreicht ist. Mittendrin werden die Fahrgäste an den Fenstern durch ein Schauspiel der besonderen Art unterhalten.
Kameramann Michael Frick rast mit seinem 20 Jahre alten Auto dem Zug hinterher und biegt dann plötzlich in einen Feldweg ein um dem Zug auf diese Weise nahe zu sein. Der weiche Boden und die Spurrillen lassen seinen Wagen wie auf Schienen laufen, gute Gelegenheit, die Kamera zu ergreifen und parallel fahrend den Zug zu filmen. Es gibt anscheinend nichts, was ihn aufhalten kann. Nicht einmal ein entgegenkommendes Pferdefuhrwerk.

Grenze

Die rumänisch-bulgarische Grenze verläuft mitten durch die Donau, die an dieser Stelle bereits eine gewaltige Breite vorweisen kann. Überspannt von einer Gitterbrücke von 1954. Darauf wird der Eisenbahn- und Straßenverkehr doppelstöckig über Europas mächtigen Strom geführt. Hier, im Grenzgebiet, werden Michael Frick allerdings seine persönliche Grenze aufgezeigt. Er hat es geschafft, wieder innerhalb kürzester Zeit vor dem Zug zu liegen, aber die Dreherlaubnis für die Brücke wird ihm von den Grenzbeamten nicht gewährt. Da hilft kein Bitten und Flehen, es handelt sich um ein Grenzbauwerk und da ist Filmen verboten. Punkt. Aus.

Bahnhof Ruse

Ruse ist der erste Ort hinter der Grenze. Er soll bei unserer Fahrt eine besondere Bedeutung erhalten. In Ruse verlässt uns die 231 und wird ersetzt durch die bulgarische Kollegin 16.01, eine Lok der Baureihe 42. Sie fällt besonders auf durch ihre grüne Farbe an den Windleitblechen, an den Zylindern, am Führerhaus und am Tender. Sie erinnert von der Farbgebung ein wenig an die Dampfloks der Dresdener Parkeisenbahn, die ein ähnliches Design vorweisen können. Der Bahnhof, im klassizistischen Stil gehalten, mit einem Turm an seiner rechten Seite, ist riesig groß. Es führen zwar nur vier Gleise durch den Bahnhof, aber durch seine Dimension vermutet man eine Millionenstadt.

Nur nicht die Geduld verlieren

Assistiert wird 16.01 von 01.23, einer Schnellzuglok mit der Achsfolge 1 D 1, die an diesem Nachmittag allerdings ziemlich lange auf sich warten lässt. Auch sonst ist Warten Trumpf, wobei man damit keinen Stich machen kann. Der Wagenmeister inspiziert den Zug, stellte die Flachstellen fest und lässt ihn nicht weiterfahren.
Lange Diskussionen, aber der Wagenmeister ist nicht zu erweichen. Eine Flachstelle von sechs Zentimeter wäre gerade noch zu tolerieren. Bei neun Zentimetern, wie beim Speisewagen, ist an Weiterfahren nicht zu denken. Die Abfahrtszeit von 13.25 verschiebt sich auf 15.00 Uhr, dann auf 15.30, schließlich kommt keine Ansage mehr. Beide Loks sind längst am Zug, als der sich endlich gegen 16 Uhr in Bewegung setzt, aber nur um auf das Nebengleis rangiert zu werden.
Der Speisewagen und Wagen 3 müssen aus dem Zug genommen werden.

Endlich freie Fahrt

Die Uhr zeigte unterdessen 18.25 Uhr, als das Signal auf grün springt. Die Sonne, die sich zwischenzeitlich ein wenig hat sehen lassen, hat sich längst wieder hinter einer dunklen Wolke versteckt. Trotzdem ist die Ausfahrt ein dampfender Genuss und auch die Menschen an den Fenstern machten langsam wieder fröhliche Gesichter. Mit fünf Stunden Verspätung geht der um zwei Wagen verkürzte Zug auf die Reise. Drei Filmstandorte gehen noch, dann ist das Licht weg und der Regen so stark, dass kein reguläres Filmen mehr möglich ist. Das Tagesziel Veliko Tarnovo, Bulgariens frühere Hauptstadt, muss bis kurz vor 22.00 Uhr auf die Ankunft des Zuges warten.

20.09.2007 Reisetagebuch

Viel zu früh aufgestanden

7.30 sollen die Busse die Gäste aus den Hotels abholen. Diese Zeiten verschieben sich ein wenig. Ebenso die Abfahrt unseres Zuges. Die beiden Wagen sind in der Nacht wieder aufgearbeitet worden. Trotzdem dauern Rangierarbeiten, Bremsprobe und sonstige organisatorischen Arbeiten noch eine ganze Weile, so dass sich die Abfahrt immer wieder herauszögert. Endlich, 11.15 Uhr, setzt sich der Zug mit dem dampfenden Doppelpack an der Spitze in Bewegung. Der ganze Tag ist eine etwas dissonante Sinfonie aus Grauschleier und Landregen. Die 30 Grad vom Dienstag sind wie eine Erinnerung aus längst vergangenen Tagen.

Die Zeit plätschert dahin

Die Verspätung wird immer größer. Hervorgerufen durch organisatorische Mängel, wie beim Wasserfassen. Ein Kesselwagen begleitet den Zug, aber die Pumpe arbeitet in solcher Ruhe, dass schnell zwei weitere Stunden Verspätung hinzukommen. Der Regen tut ein Übriges, so dass die Fotos nur für den Papierkorb taugen. Bei der Verfolgung des Zuges im Balkangebirge landen wir in einer Gegend, die nur noch mit einem Landrover zu befahren ist, wenn überhaupt. Es wird schon dunkel durch den Hochnebel, die Straßenschilder in kyrillischer Schrift sind rostig und kaum zu entziffern und wenn dann auch noch die Strasse nicht dorthin führt, wohin sie soll, dann ist eben ein geordneter Rückzug das Sinnvollste.

Kein Schlagloch bei Nacht

Zehn Kilometer durch Dickicht und ausgefahrenen Hohlwege zurück, dann zurück auf die rote Straße und dann wieder vorwärts. Wir schlängelten uns durchs Gebirge. Auf dem Weg nach unten bremste uns der eine oder andere Lastwagen kurz aus, ohne uns wirklich bremsen zu können. Dennoch wird es lange vor dem Tagesziel Plovdiv dunkel. Der Vorteil, die Straßen haben nur bei Tag Schlaglöcher, nachts sind sie nicht zu sehen, so dunkel sind die Dörfer. Kein Straßenlicht, die Fenster dunkel, die Strassen in einem bedauernswerten Zustand, keine wahre Vergnügungsreise.
In Plovdiv geben wir die Hotelsuche früh auf, den Weg weist uns dann ein Taxi. Nach kurzer Zeit und 1.65 Lewa sind wir im Hotel. Der Fahrer ist korrekt und erhält anschließend ein ordentliches Trinkgeld. In Bukarest waren wir noch über den Tisch gezogen worden und mussten 20 Euro für die Vorausfahrt zahlen, aber wir waren so froh, der Sucherei entflohen zu sein.

21.09.2007 Reisetagebuch

Plovdiv

Nach der stimmungsvollen Dampfausfahrt in Plovdiv spricht uns Joseph, ein netter älterer Herr auf Deutsch an und gratuliert uns zu dem Dampfzug und der schönen Ausfahrt. Anschließend nehmen wir ein paar Bilder der sehenswerte Altstadt von Plovdiv auf, mit römischen Amphitheater und zahlreichen antiquarischen Gebäuden und dem Töpfer Georgi Dimitrov Genchev, der sich auf traditionelle Tonherstellung spezialisiert hat.
Mit 8.000 Jahren gehört Plovdiv zu den ältesten Städten in Europa. Da der Rundgang einige Zeit verschlingt, schaffen wir den Zug bis zum Wasserfassen in Dimitrovgrad ganz knapp nicht mehr.

Pannen und kein Ende

Auch der letzte Tag in Bulgarien ist nicht Vergnügungssteuerpflichtig. Hielt sich die Verspätung morgens noch in Grenzen, sind am Abend sämtliche Grenzen überschritten. In Dimitrovrad trennen sich die Wege der beiden Zugmaschinen. Da die Wasseraufnahme die Nerven sämtlicher Beteiligten aufs Äußerste strapaziert, einigte man sich, den Zug nur noch von der Lok 16.01 ziehen zu lassen.

Herzliche Begegnung

In der Zwischenzeit finden sich einige Einheimische neben unserer Kamera ein. Ein älterer Her kommt mit einem Stapel Papier auf uns zu, Fotokopien eines Eisenbahnbuches, und zeigt uns, welche Lok er seinerzeit als Lokführer gefahren hatte und welche Lok vor unserem Zug steht. Dabei lächelt er uns freundlich an und geht nach einem Abschiedsgruß mit seinen Kopien wieder in den Garten, um zusammen mit seiner Familie die Vorbeifahrt zu genießen. Eisenbahner auf der ganzen Welt scheinen ihre Bahn zu lieben und die alten Dampfrösser.

Ein Verlust mit Folgen

Eine Vorbeifahrt kann noch auf Platte gebannt werden, dann ist der Bolzen los und wir unser schönes Motiv an einer Steigung kurz vor Biser.
Der Lok ist eine kleine Schraube an der Steuerung weggeflogen und dieses kleine Teil verursacht eine große Wirkung, denn die Lok steht und kann sich aus eigener Kraft nicht mehr bewegen. Zum Glück ist die Grenzstadt Svilengrad nur 20 Kilometer entfernt, von dort macht sich umgehend eine Diesellok auf, um Zughilfe zu leisten. Die ältere Diesellok aus rumänischer Produktion zieht dann die Fuhre zügig und mit sonorem Klang aus der Bolzenverlustzone.
Der halbe Zug war zuvor ausgestiegen und hatte sich auf Bolzensuche begeben. Eher findet man eine Stecknadel in dem berühmt gewordenen Hühnerhaufen, als ein Stück Metall an dieser zugewachsenen Trasse.

Ein Engländer auf dem Balkan

Martin Jeffes, ein Engländer, der seit einigen Jahren in Bulgarien lebt und einen Platz für Campingmobile betreibt, hat uns interessiert, aber fragend bei unserem Warten auf den Zug zugeschaut. Später erzählt er ein wenig über Bulgarien und seine Menschen. Ein armes Land, mit ehrlichen Menschen, die nach vielen Jahrzehnten der Fremdbestimmung erst langsam lernen, selber zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen. Er selbst führt seit diesem Jahr einen Platz für Campingmobile und lädt die mobilen Gäste herzlich ein. Angenehmes Klima, gutes Essen, reiner Wein, preiswertes Leben. So, wie es ausschaut, ist hier gut sein. Außerdem ist es nicht weit nach Griechenland und in die Türkei.
Wir haben gesagt, dass wir seine Einladung gerne weiterleiten: Voila.

Langer Grenzaufenthalt

Den Bahnhof von Svilengrad finden wir zu spät, der Zug ist überraschend schnell unterwegs, deshalb begeben wir uns, ohne den Bahnhof gesehen zu haben, mit dem Auto zur Grenze und sind überrascht, als auf türkischer Seite nach einer Kontrolle die nächste auftaucht und dann auch noch eine dritte. Schließlich fahren wir auf türkischem Boden, erblicken den Grenzbahnhof Kapikule gefunden, kommen aber nicht heran. Ein Feldweg scheint dann doch hinzuführen, doch wir landen in einem streng verbotener militärischer Sicherheitsbereich, wie wir auf der Rückfahrt feststellen müssen, nachdem uns ein schwer bewaffneter Grenzer gegenübersteht.

Sonne ohne Ausfahrt

Kurz darauf stehen wir am Bahnhof, die Lok dampft, das Signal geht auf grün, aber nichts tut sich.
Der Zug setzt sich erst in Bewegung, nachdem eine E-Lok davor gespannt worden ist. Aber da ist es bereits Nacht. Dennoch ist die Ausfahrt recht stimmungsvoll. Das Außenteam macht sich anschließend auf den direkten Weg nach Istanbul. Dieses ist nach gut zwei Stunden und 270 Kilometern erreicht. An einer Tankstelle fragen wir nach dem Weg zum Hotel. Nach kurzen Erklärungsversuchen erklärt sich ein Gast bereit, uns voraus zu fahren. Türkische Gastfreundschaft. Zehn Minuten später sind wir im Hotel.

Verspätete Ankunft

Die Mitreisenden im Zug müssen darauf noch einige Stunden warten. In den Abteilen ziehen die Fahrgäste die Sitze auseinander und funktionieren sie zu Liegen um. Platz zum Liegen und die Möglichkeit, dem nächsten Morgen entspannt entgegen zu ruhen. In einem Abteil stellte ein Fahrgast nichts Böses denkend seine Schuhe vor die Abteiltür. Am nächsten Morgen fand er darin einen Zettel auf dem stand:
"Schuhputzservice nicht inbegriffen".....
Der kombinierte Dampf-/Elektrozug hat auf der eingleisigen Strecke nicht immer freie Fahrt und trifft erst bei Tageslicht in Istanbul Sirkeci ein.
Bei der Einfahrt in den alten mondänen Orientexpress Bahnhof steht die Dampflok stilgerecht an der Spitze des Zuges, aber insgesamt hatte sie zu wenig Kraft, um den Zug selbst zu bewegen. Aber die Pfeife funktionierte. Wegen ihres hohen Klanges auch "Eunuchenpfeife" genannt.

22.09.2007 Reisetagebuch

Istanbul

Mit 15 Millionen Einwohnern ist Istanbul die größte Stadt der Türkei, eine der größten Europas und die einzige, die sich über zwei Kontinente erstreckt.
Die Schönheit der Stadt haben wir buchstäblich am Rande und in der Silhouette mitbekommen. Leider hat auch am vierten Tag in Folge die Sonne ihre Mitarbeit verweigert, so dass die Metropole am Bosporus sich in einem grauen Licht präsentierte. Bedauerlich, aber nicht zu ändern. Wir sehen die wichtigsten Gebäude, lassen uns den Wind bei der Bosporus-Überfahrt um die Nase wehen und uns die einheimische Küche munden. Die Preise sind für unsere Verhältnisse moderat, allein alkoholische Getränke sind beinahe teurer als bei uns, Dank der Luxussteuer der neuen islamischen Regierung der Türkei.

Unterschiedliche Bahnhöfe

Während der Bahnhof im europäischen Teil 1890, Istanbul Sirkece eröffnet worden ist, im Stile eines französischen Schlosses, um den Gästen des Orientexpress einen würdigen Empfang zu bereiten, ist der Bahnhof auf der gegenüberliegenden Seite von deutschen Architekten in einem völlig anderen Stil entworfen worden. Er wirkt mit seinen Türmen auf den Ecken wie ein überdimensioniertes Wasserschloss. Der Bahnhof Hayderpascha ist der größere von beiden. Von ihm startet heute der Fernverkehr in Richtung Osten. Man sieht, dass das wilhelminische Deutschland die befreundetet Türkei beim Eisenbahnbau sehr unterstützt hat. Die Loks kamen aus deutscher Fertigung, eine Krauss-Lok von 1874 steht als Denkmal in Sirkece, dazu kam das Know-how von der preußischen Staatsbahn. Sogar das Flügelrad hat Einzug in des Signet der türkischen Staatsbahn gefunden.

Straßenverkehr

Auf einem kleinen Straßenbahnrundkurs sind Fahrzeuge aus der Gothaer Fertigung unterwegs. Zwei Triebwagen, die aber von ihrem Fassungsvermögen nicht ganz auf den Ansturm unserer Gruppe ausgerüstet war. So mussten die deutschen Wagen leider ohne deutsche Fahrgäste ihre Runde drehen. Auch die Fußgänger waren in riesigen Mengen unterwegs. Manche Straße war buchstäblich schwarz vor Leuten. Anschließend bekamen wir einen Einblick in den Istanbuler Straßenverkehr und waren froh, weder fliegender Händler sein zu müssen, die im stehenden Verkehr ihre Waren verkaufen wollen, noch Autofahrer, die diese Stehtortour jeden Tag erleben dürfen.

Persönliches Foto

Der Abend endete bei einem Abendessen mit Bauchtanz, wobei von jedem Gast ein Foto mit der lächelnden Bauchtänzerin geschossen wurde. Die Vorstellung war professionell, man merkte, dass die Gruppe regelmäßig im Einsatz ist. Dennoch ist es eindrucksvoll, einen Einblick in die türkische Volkstanzkultur zu erhalten und die Bauchtänzerinnen sind ohnedies ein sehenswerter Anblick, der sich mit Staunen paart, wenn sich die jungen Damen zur Musik rhythmisch in Bewegung setzen.
Viele Fotoapparate klickten, wenn die jungen Damen den Bauch oder den Schleier Kreisen ließen. Die Atmosphäre von Tausendundeiner Nacht füllte für ein paar Augenblicke den Raum.

23.09.2007 Reisetagebuch

Getürkte Dampflokfahrt

Die Hälfte der Reise liegt bereits hinter uns, es geht wieder nach Hause. Stilecht mit Dampf, aber wiederum unterstützt mit Elektrokraft. Man darf allerdings nicht ungerecht sein, denn das Bemühen der türkischen Eisenbahner, ein leistungsfähiges Dampfross einzusetzen, war immer da. Ursprünglich sollte eine andere Lok hergerichtet werden, deren Fertigstellung sich aber kurzfristig stark verzögerte, so dass man auf die 56.008 umsteigen musste. Die 1-E-Maschine wurde aber auch nicht mehr so exakt hergerichtet, dass sie die knapp 600 Dampfkilometer in eigener Kraft mit unserem Sonderzug zurückzulegen kann. Die 56 war die am weitesten verbreitete Lok in der Türkei, ursprünglich von Henschel in Kassel entwickelt, war sie die erste Einheitslok der türkischen Staatsbahn TKDD.
Klar ist aber auch: Lieber eine elektrisch unterstützte, als gar keine Dampflok vor dem Zug.

Westwärts

Wenn man Istanbul in Richtung Westen verlässt, wird die Gegend sehr schnell ländlich. Zahlreiche braune Felder zeugen davon, dass die Ernte bereits eingefahren ist. Kleine und mittlere Ortschaften wechseln sich ab, wobei anfangs häufiger neu gebaute Wohnblöcke den Ortsand zieren. Fast in jedem Ort befindet sich eine Moschee, meistens mit einem Minarett, sie sehen fast alle wie neu aus, mit ihrer weißen Farbe und dem silberfarbenen Kuppeln.
In der Ortschaft Cerközköy ist Wasserfassen geplant. Wobei Bahnkenner der Meinung sind, dass dies überflüssig ist, weil die Lok ohnedies nur geschoben wird.
Jedenfalls bläst sie ziemlich schwarze Wolken in den trüben Himmel. Dort erfolgt der Wechsel zum Außenteam ins Auto. Vorher werden noch einige Fotos geschossen. Die ersten mit dem Dampfross im Sonnenlicht. Leider verderben die Oberleitungsmasten und -Brücken ein wenig das Dampfflair.

Grenzabfertigung

Pünktlich auf die Minute erreicht der Zug den Grenzort Kapikule. Ein ganz neues Reisegefühl. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abendessen loben, dieses sollte wieder um zwei Stunden nach hinten rücken, weil die bulgarischen Loks erst recht spät und dann auch noch mit unzureichend Wasser angereist kommen. Den Kesselwagen hat man gleich zuhause gelassen, der ist ohnedies leer und auf die Schnelle nicht mehr zu füllen.
Da auch die türkische Grenzkontrolle nur schrittweise vorangeht, jeder Fahrgast muss eine elektronische Pforte durchschreiten, die Vorbereitung des Zuges, Rangieren, Bremsprobe etc. erfolgt ebenfalls gründlich, damit ist schon wieder jede Menge Verspätung eingefahren, ehe sich die Räder zum ersten Mal gedreht haben. Dann eine kurze Fahrt nach Svilengrad, Abendessen in Dimitrovgrad kurz vor 23 Uhr. Aber das ist ein Genuss.

24.09.2007 Reisetagebuch

Dampf in der Morgensonne

Auf dem Bahnhof von Dimitrovgrad standen die beiden Dampfloks zischend und strahlend in der Morgensonne und schon hatten die Fans den Ärger vom Vorabend vergessen. Die beiden bulgarischen Dampfloks bliesen Dampfwolken aus sämtlichen Poren und umgeben mit einem wehenden weißen Schleier verließen sie Dimitrovgrad. Eine Augenweide. Untermalt wurden diese Bilder mit hallenden Zylinderschlägen. Ein Ohrenschmaus.
Unterwegs konnte das Außenteam den Zug noch drei weitere Male ablichten.

V100 in neuer Umgebung

In Krumovo, ungefähr zehn Kilometer vor Plovdiv, steht im Bahnhofsgelände eine
V 100. Nagelneu. Aufgearbeitet vom ehem. RAW Stendal, für eine private Firma in Bulgarien. Ablieferungsdatum 27. Juni 2007 im originalen DB-purpurrot, allerdings mit aufgeklebten Firmenlogo.
Hinter Plovdiv war ein älterer Mann ziemlich erstaunt, als wir auf seinem Feldweg entlang gebraust kamen. Er vergas für kurze Zeit weiter seine Tomaten zu pflücken. Aber als der Zug angebraust kam, hatte er sich längst wieder seinen roten Früchtchen gewidmet. Der Zug interessierte ihn nicht im geringsten.

Rhodopenbahn

In Septemvri ist der Ausgangspunkt der Rhodopenbahn, einer der eindrucksvollsten Schmalspurbahnen in Europa. Sie ist über hundert Kilometer lang und führt durch eine faszinierende Bergwelt bis hinauf auf 1.200 Meter. Die 760 Millimeter breiten Gleise werden täglich noch von vier oder fünf Zugpaaren befahren, die von vierachsigen Henschel-Dieselloks gezogen werden. Sie sind kleiner als die Dieselloks der Baureihe 216, können aber ihre Verwandtschaft nicht verleugnen.
Unser Sonderzug, bestehend aus vier vierachsigen Personenwagen, wird von einer Dampflokomotive gezogen. Ein starkes Dampfross im typischen schwarz-grünen Farbkleid der bulgarischen Staatsbahn. Achsfolge 1 E 1. Die Fahrt ins Gebirge wurde mit dem Fotobus verfolgt. Im engen Tal erreichen die Sonnenstrahlen nicht jede Stelle, aber es gibt viele Stellen mit höchst zufriedenen Fotografen.

Musik und Tanz

Nach zweieinhalb Stunden ist Velingrad erreicht. Unser Endpunkt. Die Strecke ist noch drei Stunden länger, aber das sprengt unser Zeitbudget. In Velingrad werden die Gäste mit Folklore und traditionellen Tänzen und Liedern empfangen und mit kulinarischen Appetithäppchen aus der Region versorgt.
Einige Schritte vom Bahnhof entfernt lockt ein Markt mit seinen Erzeugnissen. Eine willkommene Gelegenheit die persönlichen Vitamindepots wieder aufzuladen.
Alles klappt wie am Schnürchen, bei der Dampflok hat die Luftpumpe zwar ein paar Aussetzer, aber nach einigen Schlägen mit dem Hammer ist das Problem gelöst.
Mit ein paar Minuten Verspätung erreicht der Schmalspurzug im goldenen Abendlicht den Endpunkt Septemvri. Und nach drei weiteren Stunden Fahrt auf der Haupbahn das Tagesziel Sofia.

25.09.2007 Reisetagebuch

Sofia

Die Hauptstadt Bulgariens hat mehr als eine Million Einwohner. Und ein Nahverkehrsnetz mit Straßenbahnen und O-Bussen. Es ist auffallend, dass in sämtlichen größeren Städten Südosteuropas Oberleitungsbusse im Einsatz sind. Plovdiv, Haskovo, Sofia, Bukarest, Arad, Sibiu.

Depotbesuch

Wir haben das Eisenbahndepot der bulgarischen Staatsbahn besucht. Es ist toll, dass man uns bereitwillig sämtliche Türen geöffnet hat. Auch wenn manche dieser Türen etwas windschief in den Scharnieren hängen. Man sieht, dass Bulgarien kein reiches Land ist und die knappen Mittel gezielt einsetzen muss.
Diesel- und E-Loks werden hier gewartet. Die Elektroloks stammen größtenteils aus Rumänien, viele Dieselloks aus Henningsdorf, es sind die bulgarischen Verwandten der V60. Einige historische Fahrzeuge sind ebenfalls im Depot untergestellt. Ein D-Kuppler, gefertigt von Henschel in Cassel, der 2008 hundertsten Geburtstag feiert und der noch betriebsfähig ist, oder der gepflegte Triebwagen 19.001, ein Vorläufer des österreichischen "Blauen Blitzes". Josef Schmidt, der seit 1966 hier arbeitet, erklärt uns die Funktion des Depots mit seinen beinahe 2.000 Mitarbeiter. Ein kleines, nicht öffentliches Museum ist in zwei Erdgeschossräumen untergebracht. Es enthält zahlreiche Erinnerungsstücke an die 120 jährige Bahngeschichte Bulgariens.
Die Ausfahrt aus Sofia ist kein wirklich hinreißendes Motiv. Ein Dreh für den berühmten Papierkorb. Ihn hätten wir uns sparen können, denn anschließend musste das Auto noch aus der Hotelgarage geholt werden. Bis wir auf der Strasse sind, hat der Zug knapp 20 Minuten Vorsprung. Eine Herausforderung, zumal bis zum Grenzhalt Dragoman 55 Minuten Fahrzeit eingeplant sind. Die Fahrt durch Sofia dauerte zwanzig Minuten, aber dann scheinen alle Hindernisse aus dem Weg geräumt.

Polizeikontrolle

Auf der nagelneuen, aber noch nicht ganz fertiggestellten Autobahn, herrschte Überholverbot und eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 Stundenkilometern. Traumhafte Bedingungen für Kameramann Michael Frick, der sich Hoffnung macht, den Zug noch vor Dragoman zu erreichen. Es hätte auch geklappt, hätte uns nicht die Polizei bei 140 km/h ausgebremst. Nach den üblichen Pass- und sonstigen Kontrollen stellt der Polizist klar, dass dies keine Autobahn sei und 50 km/h eingehalten werden müssten. Dann erklären wir dem Polizisten, dass wir einen Zug verfolgen, der von bulgarischen Dampfloks gezogen wird.
Michael hat auch gleich das Heft mit den Fotos parat. Der Polizist deutet auf einen Unfallwagen an der Seite und sagt nur "Finish Driver". Dann verabschiedet er uns auf deutsch und wir grüßten freundlich zurück. Direkt nach der Kontrolle kommt das Schild freie Fahrt....

Bulgarien ade

Die Grenzformalitäten zwischen Bulgarien und Serbien sind nicht der Rede wert, nach ein paar Minuten ist alles geregelt. Nur unsere bulgarischen Lewa werden wir in Serbien nicht los. Auch später in Ungarn nicht.
In Dimitrovgrad ist Lokwechsel. Mit einer bewegenden Abschiedsrede wünscht uns das bulgarische Lokpersonal alles Gute, der verantwortliche Lokführer entschuldigt sich fast unter Tränen für die Unannehmlichkeiten und hofft und wünscht, dass wir Bulgarien wieder besuchen. Mit lautem Beifall werden die schwarz-grünen Loks mit ihren stolzen Männern verabschiedet. Wenig später verabschiedet sich auch die Oberleitung, Elektrifizierung ade, ideale Bedingungen für Dampffans.

Serbische 01

Statt mit doppelt schwarz-grün geht es nun mit einfach schwarz durch das sechste Land der Reise, Serbien. Die 1C1-Lok hat mit ihren 900 PS natürlich ganz anders zu arbeiten, als die 3.800 bulgarischen PS, aber sie hat anfangs fast nichts zu tun und rollt durch die Ebene. Das Wetter ist freundlich, die Sonne lacht und die ländliche Gegend Serbiens sieht lieblich aus und gepflegter als die in den Ländern zuvor. Hier fahren Traktorgespanne, wo in den anderen Ländern Eselkarren unterwegs waren.

Karpatenexpress

In Ciflik ist Kreuzungs- und Überholungshalt. Wir sind schon etwas früher hier und haben mit den Gänsen des Dorfes Freundschaft geschlossen. Das ist aber nicht ganz einfach, denn sie haben mir misstraut, weil ich in ihren Augen zuviel schnattere -diese Ecke ist ein idealer Punkt zum Moderieren- da ich ihnen aber nicht ins Wort falle, kommen wir gut miteinander klar.
Der Bahnhofschef telefoniert, derweil geht sein Mitarbeiter 200 Meter die Gleise entlang um die Einfahrtsweiche zu stellen. Unser Zug wird auf Gleis 1 gelotst, weil sich exakt hier zur Nachmittagszeit beide Züge des Karpatenexpress begegnen. An der Spitze der beiden Züge röhrt jeweils eine Lok von General Motors mit einem Dieselaggregat wie es auch in den legendären NoHABs zu finden ist., Musik in den Ohren der Dieselfreunde.

Fotohalte

Wir haben Glück mit dem Wetter, aber als Außenteam etwas Pech mit den Aufnahmen, weil nahezu bei jedem Standort der Zug nur angeschlichen kommt, um kurz darauf die Fans auszuspucken für eine Scheinanfahrt. Dennoch gelingt es im goldenen Licht eine Aufnahme im Ausgang der Schlucht bei Ostrovica.
Die Übernachtung erfolgt im Hotel Ambassador, in Nis, wobei die Nacht vor dem ersten Hahnenschrei endet. 4.45 Uhr klopft es an der Tür. Jeder Gast erhält seinen individuellen Lockruf.

26.09.2007 Reisetagebuch

Schluchten des Balkan

Mit zwei Lokomotiven an der Spitze geht es in Richtung Berge. Am Zug Lok 33-087, eine Lok der Baureihe fünfzig, und als Vorspann unsere 01-088 von gestern. Als erstes großes Erlebnis wartet die Timok-Schlucht auf uns. Sie ist 15 Kilometer lang, eine Felsenschlucht mit zahllosen Brücken und Tunnel und steilen Felswänden, teilweise nur einen Arm breit vom Gleis entfernt und in der Tiefe schlängelt sich der Fluss Timok. Fototraumrevier für unsere Reisenden. Scheinanfahrten, Fotohalte, es gibt alles, was das Herz begehrt.

Scheinanfahrt mit Überraschung

Ein Fahrgast hatte bei einer Scheinanfahrt aus einem Tunnel verstanden, dass der Zug ein zweites Mal zurücksetzt, damit auch die anschließende Brückenüberfahrt fotografieren werden kann. Der Fan war verwundert, dass der Zug nicht gleich zurücksetzte und sein Gesichtsausdruck erstarrte, als er hörte, dass der Zug weiter fuhr. Verloren in den Schluchten des Balkan. Also runter vom Berg und auf den Gleisen zu Fuß zum nächsten Bahnhof laufen. Der war zum Glück nur knapp zwei Kilometer entfernt und - besetzt. Dort musste unser Freund Hände und Füße zu Hilfe nehmen. Die Verständigung hat geklappt. Mit dem folgenden Regionalzug ging es mehrere Stationen weiter. In der Zwischenzeit beim Außenteam telefonisch ein außerplanmäßiger Personentransport angemeldet. Im Auto wurden wenig später die nächsten 20 Kilometer zurückgelegt und bei der nächsten Scheinanfahrt konnte unser Eisenbahnfreund wieder unbemerkt der Gruppe zugeführt werden.

Dampfloks

Die beiden Dampfloks sind ursprünglich in Deutschland gebaut worden, 01-088 anno 1922 in der Maschinenbaufabrik Karlsruhe, die 33-087, eine Kriegslok der Baureihe 52, 1944 in Kassel, wobei auf dem Lokschild Kassel noch mit C geschrieben wird. Es wird noch zu prüfen sein, warum, ebenso weshalb man sich beim Betrachten der 01 ein wenig an die "Schönen Württembergerin" erinnert fühlt.

Depot Zajecar

Gut anderthalb Stunden steht unser Zug am Bahnhof Zajecar. Wasserfassen und Lokwechsel sind angesagt. Die Fotografen und Filmer können wieder auf die Pirsch gehen und auch im Depot nach Herzenslust Motive suchen. Eine Raddrehbank ist ebenso zu finden, wie die blaue, sechsachsige "Titolok", die seinerzeit den Zug des Staatschefs gezogen hat. Auch schwedische Triebwagen sind hier im Einsatz, die gleichen Typen, die auch bei der Inlandsbahn laufen. Einige dieser Wagen stammen auch von Fiat.

Ohne Umwege

Viele Einheimische auf dem Bahnhof schauen dem ungewohnten Treiben mit einiger Verwunderung zu. Ein richtiger Eisenbahnfreund ist immer auf der Pirsch. Es gibt schließlich nichts, was seiner Linse entgeht. Die serbische Eisenbahn betreibt Verbindungen von Belgrad nach Bar (Montenegro), Thessaloniki, Istanbul und in die EU-Länder. Serbien besitzt 3.809 km Eisenbahnstrecken. 1.364 km davon sind elektrifiziert.
An diesem Mittag wird unser Zug auch von vielen Einheimischen begangen. Mit seiner Länge von neun Wagen blockiert er der normalen Fußweg über die Gleise. Da ein Fußgänger auch in Serbien ungern Umwege macht, führt sein Weg eben durch den Wagen auf die andere Seite.

Strecke

In der Landschaft wechseln sich Hügel und Gebirgsformationen in schöner Regelmäßigkeit ab, wobei die Hügel manchmal mit Bäumen, denn wieder nur mit Büschen oder Gras bewachsen sind. Leider begibt sich die Sonne immer stärker hinter die Wolken. Innerhalb von wenigen Minuten ist die Strecke um 200 Meter nach oben gestiegen. Ein Einschnitt wird von einer langen Hufeisenkurve überwunden. Wenig später grüßt eine größten Kupferminen Europas

Kupfer

In dieser Gegend soll bereits in der Antike Kupfer abgebaut worden sein. Das Vorkommen ist eher zufällig wiederentdeckt worden, als 1903 dort nach Gold gesucht wurde. Seit 1990 und der veränderten politischen Lage ist der Umsatz der Mine rapide gesunken. Heute hat man akute wirtschaftliche Probleme, kein Geld für neue Investitionen, dabei ist die ganze Region um Bor von der Kupfermine abhängig.

Brückenüberfahrt

Einige Kilometer später gibt es eine Scheinanfahrt über das längste Viadukt der gesamten Strecke. Es ist die Brücke von Kriveljski. Mit einer Länge von 465 Metern und einer Höhe von 75 Metern ein wunderbares Motiv, das leider nicht seinen ganzen Glanz entfalten kann, weil die Sonne ihre Aktivitäten für diesen Tag eingestellt hat. Die Bahnlinie ist spektakulär, aber, so der Bahnhofschef von Zajecar, gefährdet. Der Aufwand diese anspruchsvolle Strecke instand zu halten ist groß, der Personenverkehr nicht sonderlich hoch, größter Güterkunde ist die Mine, aber die LKW-Lobby drängt auf den Markt. So steht zu befürchten, dass diese Bahnreise durch die Schluchten des Balkan möglicherweise in absehbarer Zeit schon Geschichte ist. Viele Personenzüge fahren nicht mehr, aber einer bringt uns etwas aus dem Konzept.

Geplatzte Scheinanfahrt, nur einer freut sich

Eine Tunnelausfahrt soll noch einmal ein Motiv abgeben. Wir sind durch zahllose Tunnel gefahren, aber zum Abschluss der Schluchtenreise bietet sich eine Tunnelausfahrt mit Brücke geradezu an.
Die Fotoreihe steht, ein Fan jedoch suchte sich eine andere Stelle, bei der er aber allen anderen im Bild steht. Nach einigen Ermahnungen verläßt er den Platz und steigt beleidigt in seinen Wagen. Wenig später kommt die Nachricht, dass der Regionaltriebwagen nach uns bereits auf dem Weg ist und nicht ausweichen kann. Also rein in den Zug. Unser beleidigter Fahrgast schaut aus dem Fenster und strahlt: "Geschieht euch ganz recht, das habt ihr nun davon, dass ihr mich weg gemobbt habt...."
Im Abendlicht wird das Etappenziel Belgrad erreicht.

27.09.2007 Reisetagebuch

Belgrad

Der morgendliche Straßenverkehr von Belgrad ist eine Herausforderung an sich. Speziell in den Kreisverkehren, wo von fünf Seiten gleichzeitig der Verkehr jeweils zweispurig einmündet und auch die Straßenbahngleise noch aus verschiedenen Richtungen kommen. Dort entwickelt sich schnell ein Fahrzeugknäuel, das nur mit Mühe, fahrerischen Können und Geduld wieder entwirrt werden kann. Zur Abfahrt des Zuges stehen sämtlich Fotografen wieder vor den Loks. Die 01 ist gegen eine Tenderlok mit der gleichen Achsfolge ausgetauscht worden. Das Lokdenkmal am Bahnhof, eine blau lackierte Personenzuglok ist ebenso ein Blickfang, wie der riesige gelbe Bahnhof aus dem Jahr 1884.
Die Sonne lacht, die meisten Fahrgäste hängen an den Fenstern, und hoffen auf einen Tag mit blauem Himmel und vielen Dampfwolken.
Ich selbst habe meinen Rucksack mit sämtlichen Unterlagen im Auto zurückgelassen und bin in ziemlicher Aufregung ob dieses Leichtsinns. Schließlich muss der Rucksack immer am Mann sein. Doch kein böser Dieb hat das Auto aufgebrochen, oder gar gestohlen, es glänzt unberührt in der Sonne des jungen Morgens.

Stadtverkehr

Wir versuchen den Zug mit dem Auto zu verfolgen, was im Belgrader Morgenverkehr kein leichtes Unterfangen ist. Auch das Auto schien keine richtige Lust zu haben und schon stand die Temperatur des Kühlwassers kurz vor dem Siedepunkt. Vielleicht war es auch beleidigt, weil wir einen Strafzettel wegen unerlaubten Parkens erhalten hatten, aber irgendwann arbeitete der Thermostat wieder, die Autoschlange ist kleiner geworden und die Verfolgung kann beginnen.

Security

Ein schönes Motiv mitten in der flachen Landschaft tat sich hinter dem Örtchen M. Idos auf. Ein Feld, dahinter Bäume, Wiese, eine Gebäude und ein Brunnen, der ideale Vordergrund umso mehr, als sich weder Landschaft noch Wetter von der besten Seite zeigen. Das tut aber ein Herr, der schnurstracks angelaufen kommt und uns bedeutet, das Gelände zu verlassen. Er sei Security und dies Privatgelände und wir dürfen keine Aufnahmen machen. Da er auch noch mit einem Gewehr bewaffnet ist, haben wir seiner Bitte Folge geleistet. Schade, wäre ein schönes Bild geworden. Darauf muss die Bahnwelt nun leider für immer verzichten.....

Novi Sad

Derweil nähert sich unser Sonderzug der berühmt gewordenen Brücke von Novi Sad, eine kombinierte Schienen- Strassenbrücke. die anno 1999 von den Amerikanern im Krieg der Serben mit dem Kosovo zerbombt wurde. Die Bilder mit dem Einsturz der Brücke gingen damals um die Welt. Der Krieg ist in den Köpfen der Mitfahrenden ziemlich verblasst und wird viel weiter zurück datiert. Der Donauübergang wurde zwei Jahre später mit einer Behelfsbrücke versehen, die bis heute ihren Dienst tut. Die Friedensbrücke.

Grenzerlebnis

Die Grenzformalitäten zwischen Serbien und Ungarn verlaufen kurz und schmerzlos, allerdings moniert der ungarische Grenzer unsere Sicherheitswesten. Warum wir so etwas tragen. Wir sind Eisenbahnfotografen. Ein fragender, mitleidiger Blick, dann steht der Einreise nichts mehr im Wege.
Unterdessen schüttet es wie aus Kübeln, die Aufnahmen vom Lokwechsel in Subotca fallen buchstäblich ins Wasser. Als wir bereits auf der ungarischen Seite die Kamera aufgebaut haben, ereilt uns die Nachricht, dass man an der Grenze den Wagen acht abgehängt hat, weil bei diesem ein Radlenker gebrochen ist. Warten ist also angesagt. Als der Zug kommt, haben sich die Regenwolken verzogen. An der Spitze des Zuges nun wieder der Doppelpack der beiden 424er.
Man hätte im Übrigen warten können, denn wenig später ist der Wagen wieder repariert. Er wird an den Nachtexpress nach Budapest angehängt.

28.09.2007 Reisetagebuch

Budapest

Der Tag empfängt uns mit Regen. Wettergott und der Gott der Pünktlichkeit scheinen uns die Freundschaft gekündigt zu haben, denn wieder geht es später los, ein Bus mit Hotelgästen wird vom Budapester Morgenverkehr einfach festgehalten. Schade dass es regnet, die übrigen Gäste hätten die Zeit gut nutzen können, um das gelbe klassizistische Bahnhofsgebäude der ungarischen Hauptstadt aus dem Jahr 1884 in seiner gesamten Schönheit in Ruhe bewundern können und auch das blaue Dampflokdenkmal am Rande des Gebäudes. Auch das Stellwerk am Ende des Bahnsteigs ist mehr als einen kurzen Blick wert.

Der grüne Laubfrosch

Vor dem Zug stehen die 919 von Brenner und Brenner und der grüne Laubfrosch, der sich bei solchen Wetterbedingungen ausgesprochen wohl fühlen dürfte. Bei unserem speziellen Laubfrosch handelt es sich um eine Stromliniendampflok mit der Achsfolge 2 B 2 und der Betriebsnummer 242.001. Erstellt wurde die Lok 1936. Ein Renner, aber auch ein Leichtgewicht, denn mit seinen 800 PS taugt Fröschlein wirklich nur als Vorspann, aber da ist er ein Blickfang, die einzige betriebsfähige Lok dieser Art auf der Welt.

Erste Scheinanfahrt

Es regnet nicht mehr und mit quakenden Auspuffschlägen hüpft unser kleiner Laubfrosch vergnügt vor die Objektive der Fotografen. Noch fehlt die Sonne, aber wir sind ja alles Optimisten.
Die Strecke, die wir mit dem Laubfrosch verbringen, ist leider sehr kurz, außerdem drängt die Zeit wieder einmal, so dass wir leider keine Möglichkeit mehr haben, den grünen Renner vor unsere Objektive zu bekommen. Am Grenzbahnhof Szob dürften wir den Zug nicht verlassen und schwups ist der Laubfrosch im grünen Gras verschwunden, beziehungsweise schon wieder auf dem Weg ins heimische Depot. Schade.
Als Entschädigung hat sich die Sonne wieder ins Blickfeld geschoben und auf einmal sieht die Welt wieder viel bunter aus.

Hilfszug

Am slowakischen Grenzbahnhof Sturovo ist genug Zeit, um die Dampfloks, aber auch die Fahrzeuge des Bahnalltags zu fotografieren. Die moderne E-Lok der slowakischen Staatsbahn mit ihrem freundlichen gelb-roten Anstrich strahlt über beide Scheinwerfer. Eine besondere Zugkomposition wird von einer originalen Taigatrommel gezogen, dahinter ein Niederbordwagen mit einem Bagger darauf, anschließend ein Kesselwagen samt Pumpaggregat, als letztes folgt ein alter Schnellzugwagen. Dieser Zug muss in der Slowakei immer einem Dampfsonderzug folgen. Eine Sicherheitsmaßnahme, speziell für den Fall, dass sich eine Böschung entzündet hat. Als sehr vorteilhaft erweist sich dieser Zug außerdem, wenn die Dampfloks Wasser benötigen.
In Sturovo wird die Fahrtrichtung gewechselt, auf nicht elektrifizierter Strecke geht es Richtung Bratislawa.

Zweite Scheinanfahrt

Nun ist 475.196 die Zuglok, die hochbeinige "Fürstin", die in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag feiert. Da die Sonne strahlt, ist beinahe der ganze Zug leer, schließlich stehen die meisten Gäste im Sonnenschein, um die erste Scheinanfahrt in der Slowakei in vollen Zügen genießen zu können. Alles ist großartig, das Licht stimmt, der Hintergrund stimmt, der Zug setzt zurück, allerdings zeigt sich hinter der Sonne eine dunkle Front. Umgehend erhält der Zug seinen Abfahrtsbefehl und kurz darauf die Wolke wohl die Verdunklungsanweisung, jedenfalls ist mit dem ersten "fürstlichen" Auspuffschlag wieder grau angesagt.

Das letzte Wort

Nach der letzten Scheinanfahrt bin ich bereits auf dem Weg zum Zug, als mich der Fotolinienruf ereilt. Der Zug macht nämlich noch eine Scheinanfahrt in die andere Richtung.
Als ich später im Abteil erzähle, dass ich ebenfalls zurückgepfiffen wurde, meint ein Fahrgast verschmitzt lächelnd: "Das war kein Anpfiff, nur ein zarter Hinweis. Bei Neulingen muss man Nachsicht walten lassen....."

Einen wunderschönen Abend können wir im Eisenbahnmuseum von Bratislava verleben. Essen, Trinken, Unterhaltung, diese drei Dinge sind ganz groß geschrieben, deshalb kommt so mancher Reiseteilnehmer erst weit nach Mitternacht im Hotel an. Begeistert von der Freundlichkeit der Museumsmitarbeiter, die jede Kleinigkeit, jedes Exponat genauestens erklären konnten und die für Interessierte die Geschichte der slowakischen Eisenbahn in allen Facetten aufleben lassen. Unseren Kameramann Michael Frick haben es vor allem die alten Autos angetan.

29.09.2007 Reisetagebuch

Bratislava

Die slowakische Hautstadt an der Donau schaut noch ein wenig schläfrig drein, als wir uns auf die Socken machen. Zum letzten Mal rollen die Koffer der über 200 Mitreisenden zum Bahnhof. Abschied und Wehmut sind unübersehbar. Der Sonderzug verlässt Bratislava im schönsten Sonnenlicht. Entlang der schönen blauen Donau führt die Route und die Donau ist an diesem Tage sowohl schön, als auch blau. Daran ändert sich bis Wien nichts. Dort erfolgt zum letzten Mal ein Lokwechsel. 01 1066 übernimmt wieder unseren Zug, um ihn recht zügig gen Heimat zu befördert.

Die letzte Scheinanfahrt

Eine Scheinanfahrt gibt es noch in Melk, mit dem berühmten Stift im Hintergrund, dann steht im Plan bei den Haltestellen wieder "Ausstiegshalt". Unsere Truppe, die sich ein 15 tägiges Abenteuer gegönnt hat, wird mit jedem Halt kleiner.
5.229 Dampfkilometer in 15 Tagen ist eine reife Leistung. Das Unternehmen Bosporus war einmalig und einmalig schön. Ein tiefer, intensiver Blick in eine interessante, teilweise völlig unbekannte Welt.

Die Reise ist zu Ende

Die Vorbereitungen und die organisatorischen Leistungen können nicht genug gewürdigt werden, hinzukommt das Reagieren auf Eventualitäten, von denen es unterwegs einige gab. Je länger die Reise dauerte, um so mehr war den Fahrgästen bewusst, auf einer historischen Reise zu sein, denn solch einen Event, von 5.229 dampfenden Kilometern, wird es in dieser Form kaum mehr geben.
Einen herzlichen Dank an alle, die diese Reise ermöglicht haben, allen voran natürlich Armin Götz und dem IGE-Team, die zeitweise Krisenmanagement bis in den frühen Morgen zu leisten hatten, nicht zu vergessen die Besatzungen des Speise- und Barwagens, und die vielen anderen Helfern, die diese Reise zu einem besonderen Erlebnis werden ließen.

Blick zurück und nach vorn

Natürlich möchte ich auch einen Dank an meine Kollegen richten, denn was die Mitarbeiter geleistet haben, um eindrucksvolle Bilder für mehrere Eisenbahn-Romantik Sendungen zu sammeln, ist großartig. Ein herzliches Dankeschön an Ione Quintha Scheuble, Alexander Schweitzer, Manfred Schmidt, Markus Siegle, Holger Jung, Michael Frick und an Wolfgang Drichelt, der das Tagebuch in Form bringen und bebildern darf. Ein Team, mit dem man wirklich Pferde stehlen konnte.
Eine wunderbare Zeit, möge sie in den Filmen wieder auferstehen. Die ersten beiden Sendungen werden am 11. und am 18. November um 16.15 Uhr im SWR-Fernsehen präsentiert.

Stand
AUTOR/IN
Alexander Schweitzer
Alexander Schweitzer (Foto: SWR, SWR - Wolfgang Drichelt)